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30.03.13 / Blick hinter die Kulissen / Kurzer Erfahrungsbericht über eine Nordkorea-Reise

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-13 vom 30. März 2013

Blick hinter die Kulissen
Kurzer Erfahrungsbericht über eine Nordkorea-Reise

Ist Nordkorea ein Weltbetrug oder ein Selbstbetrug? Beides, sagt Jörg Nikolaus, Autor und Verleger, der unlängst eine Reise durch das Land machte, das wir vorwiegend als Region „verrückter Des-poten“ und hysterisch applaudierender oder schluchzender Massen kennen. Seine Eindrücke hat Nikolaus in Wort und Bild in einem schmalen Bändchen versammelt, das Blicke „Potemkinsche Dörfer hinter dem Bambusvorhang“ möglichst meidet. Das Regime von Pjöngjang übe sich in Drohungen und Bluffs, seine Raketen seien Attrappen gewesen, so der Autor, seine Atombombe ebenfalls. Nordkoreas Industrie erlebte Nikolaus als unterentwickelt, die Infrastruktur bröckele dem Zusammenbruch entgegen, die Landwirtschaft nutze Düngemittel, die niemand in Europa verwenden würde, das nordkoreanische Internet funktioniere nur innerhalb des Landes – „dessen wurden wir Zeuge“. Alle ungezählten Mängel würden von der „Juche-Ideologie“, einer Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus, verdeckt, die großmäulig politische Souveränität, ökonomische Autarkie und militärische Eigenständigkeit als Realitäten preist.

Nordkorea, sagt Ex-DDR-Bürger Nicolaus, ähnele heute noch der DDR vor 1989, habe dabei aber keine reformerische Chance: „Läden sind leerer, die Bevölkerung ausgemergelter, lebt kasernierter und vom System bedrängter.“ Es gebe „noch einen Alltag, die Menschen bekommen nichts mit von der Welt da draußen. Aber es sind ganz normale Menschen, das wird vergessen, wenn man wieder einmal von Sanktionen und Boykott redet“. Diese Menschen hat der Autor beobachtet, offen oder heimlich abgelichtet – fröhliche Soldatinnen im Stechschritt, Angler am Abwässerfluss, für die selbst „kleine verseuchte Fische besser als gar kein Fisch“ sind. Weil Busse und Fahräder fehlen, „gehen Menschen in Pjöngjang fast immer zu Fuß“, „zügigen Schrittes“. Erbärmlich sei das Kaufhaus „Paradies“, im Angebot „Halberstädter Würstchen, sechs Monate überlagert“. Die da etwas essen, „sitzen auf Treppen vor dem Kaufhaus, grün im Gesicht und hoffen, dass der Tag bald zu Ende ist“. Wolf Oschlies

Jörg Nikolaus: „Nordkorea Manie & Alltag“, averse-publishing, Berlin 2012, broschiert, 62 Seiten, 8,95 Euro


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