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06.04.13 / Von der Ukip getrieben / Großbritannien: Tories und Liberale fügen sich Stimmung im Land und begrenzen Zuwanderung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-13 vom 06. April 2013

Von der Ukip getrieben
Großbritannien: Tories und Liberale fügen sich Stimmung im Land und begrenzen Zuwanderung

Neun Monate bevor für Bürger aus Rumänien und Bulgarien EU-weit die volle Freizügigkeit gilt, setzt die britische Regierung auf Abschottung gegen weitere Zuwanderung. Greifen die von Premier David Cameron angekündigten Maßnahmen, wird das auch für Deutschland Folgen haben.

Es war ein regelrechter Schock, der sich sowohl bei den regierenden Tories als auch bei Labour nach der Unterhaus-Nachwahl für Eastleigh, einem Vorort der südenglischen Küstenstadt

Southampton, eingestellt hat. Trotz widriger Umstände konnten die Liberaldemokraten den Wahlkreis wieder gewinnen. Camerons Tories landeten abgeschlagen auf dem dritten Platz, Labour unter „ferner liefen“ auf Platz Vier. Die EU-Kritiker der UK Independence Party (Ukip) als politischer Neuling wurden dagegen auf Anhieb die zweitstärkste Kraft. Sie gewannen gleichermaßen auf Kosten von Liberaldemokraten und Tories. Die Ursachen für den spektakulären Wählerwechsel hatte sich bereits vorab im Wahlkreis angedeutet: Immer mehr Briten erwarten eine Begrenzung der Zuwanderung. Genau diese Stimmung trifft die Ukip, etwa mit der Ankündigung des Parteichefs Nigel Farage, nach einem Wahlsieg als erstes die automatische Arbeitserlaubnis für Bürger der übrigen 26 EU-Länder aufzuheben.

Inzwischen ist in der Regierungskoalition ein Wettlauf entbrannt, wer die besten Konzepte gegen den weiteren Anstieg der Zuwanderungszahlen hat. Vor allem mit Blick auf Rumänen und Bulgaren, deren Arbeitnehmer ab 2014 volle Freizügigkeit in der EU erhalten, präsentierte Cameron bei einer Rede gleich ein ganzes Maßnahmenpaket. Dessen Grundtenor: Leistungen aus dem britischen Wohlfahrtssystem sind kein automatisches Recht, Ansprüche an das Sozialsystem müssen sich Zuwanderer erst verdienen.

Konkret plant Cameron, dass Bürgern aus anderen EU-Ländern das Arbeitslosengeld gekürzt wird, wenn sie nicht die reelle Chance nachweisen können, in absehbarer Zeit wieder einen Arbeitsplatz in Großbritannien zu finden. Einen Anspruch auf eine Sozialwohnung soll es erst geben, wenn Bewerber bereits mindestens zwei Jahre im Land sind.

Greifen die Maßnahmen, dann ist leicht vorhersehbar, dass der Zuwanderungsdruck auf Deutschland weiter steigen wird. Umso mehr, als auch der Anreiz für Unternehmen, illegale Einwanderer zu beschäftigen, in Großbritannien deutlich sinken wird: Die Strafe soll auf 20000 Pfund ansteigen – umgerechnet immerhin etwa 24000 Euro.

Pläne, die Vizepremier Nick Clegg (Liberale) inzwischen präsentiert hat, haben die Begrenzung der illegalen Einwanderung aus Nicht-EU-Ländern zum Ziel. Nach australischem Vorbild soll Großbritannien bei der Visavergabe eine Kaution von den Antragstellern aus bestimmten „Hochrisiko“-Ländern verlangen. Die hinterlegte Kaution soll den Anreiz steigern, Großbritannien nach Ablauf der Visafrist wieder zu verlassen.

Fraglich ist, ob die angekündigten Schritte ausreichen werden, die Stimmung zugunsten der Tories nachhaltig zu drehen. Der Versuch der örtlichen Tory-Kandidatin, starke Anleihen beim Ukip-Programm zu nehmen, hat sich bei der jüngsten Nachwahl in Südengland als Fehlschlag erwiesen. Wähler, die weniger EU und weniger Einwanderung haben wollen, wählten das Original Ukip und nicht den Nachahmungsversuch der Tories.

Zusätzlich zu diesem Manko werden auch die Einschnitte in das britische Sozialsystem immer schmerzhafter. Stark umstritten ist etwa der Versuch, Sozialleistungen einzusparen, indem der Gesundheitszustand von Menschen nochmals geprüft wird, die arbeitsunfähig geschrieben worden sind. Nicht etwa staatliche Gesundheitsbehörden, sondern ein privater Konzern ist mit den Prüfungen beauftragt worden – gegen ein stattliches Honorar. Inzwischen mehren sich die Berichte, dass bei den Gesundheitsprüfungen allzu rabiat vorgegangen wird. Recherchen des „Mirror“ zufolge sind 1100 Menschen an ihren Krankheiten gestorben, kurz nachdem sie von Prüfern des Konzerns arbeitsfähig geschrieben worden waren – parallel dazu hat es zahlreiche Selbstmorde von Betroffenen gegeben.

Eine weitere Kürzungsrunde bei Sozialleistungen greift seit dem 1. April. Unter dem Begriff „bedroom tax“ werden seitdem die Leistungen gekürzt, wenn Sozialwohnungen zu viele Zimmer haben. In ganz Großbritannien könnte das 650000 Menschen treffen. Mittlerweile wächst landesweit der Widerstand gegen die „bedroom tax“. Mit den entfachten Protesten nimmt bei den Tories die Angst vor einem Dejàvu-Erlebnis zu: Als Margaret Thatcher Ende der 1980er Jahre in Großbritannien eine Kopfsteuer einführen wollte, war dies der letzte Auslöser für Massenproteste, die am Ende in einer Regierungskrise und im Rücktritt der „Eisernen Lady“ mündeten. Norman Hanert


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