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06.04.13 / Zwischen den Stühlen / Linker Utopist: Vor 100 Jahren wurde Autor Stefan Heym geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-13 vom 06. April 2013

Zwischen den Stühlen
Linker Utopist: Vor 100 Jahren wurde Autor Stefan Heym geboren

Er war ein politischer Trotzkopf und man sah es ihm an. Ungebeugt und kämpferisch wie jemand, an dem jede Kritik abprallt, hielt der Schriftsteller 1994 als 81-jähriger Alterspräsident die Eröffnungsrede zum 13. Deutschen Bundestag. Damals kam er als Parteiloser dank eines PDS-Tickets ins Parlament. Nach seiner Rede verweigerten ihm CDU/CSU-Politiker den Applaus, was einzigartig war in der Geschichte des Deutschen Bundestages. Helmut Kohl warf Heym seinerzeit vor, dass er in seinem Leben immer die Fahne nach dem Wind gedreht habe.

Dabei hing die Fahne von Heym, der am 10. April 1913 in Chemnitz als Helmut Flieg geboren wurde, zunächst immer nur gegen den Wind: Er war Antifaschist, weshalb der Sohn eines jüdischen Kaufmanns 1935 in die USA ging und als amerikanischer Soldat im Krieg gegen die Deutschen propagierte. Und schließlich war er Antikapitalist, weshalb er Kommunist wurde und sich im Zuge der McCarthy-Säuberungen 1953 in die DDR absetzte. Dort saß er mit seiner Fahne zwischen den Stühlen: Weder war er Aushängeschild des Sozialismus noch jenes der Dissidenten. Als er gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns protestierte, wurde aber auch er zur Unperson erklärt und aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Dass er mit Romanen wie „Collin“ oder „Ahasver“ bekannt wurde, verdankt er dem Westen, wo er fortan seine Bücher publizieren ließ.

Die Wendezeit 1989/90 erlebte er als Blütephase. Als einer der Redner auf dem Alexanderplatz erträumte er sich einen menschlichen Sozialismus, ähnlich wie er es 1984 im Roman „Schwarzenberg“ beschrieb. Der gleichnamige Landkreis am Erzgebirge blieb bei Kriegsende unbesetzt, weil Unklarheit über den Verlauf der Demarkationslinie herrschte. In der Republik Schwarzenberg verwirklichen die Bewohner daher ihre basisdemokratische Utopie.

Der Utopist Heym starb am 16. Dezember 2001 in Israel an Herzversagen, nachdem er im Toten Meer kollabiert war und die Lungen vom starken Salzwasser verätzt wurden. Harald Tews


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