25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.04.13 / Wahre Liebe / Das Spiel der Natur wiederholt sich ewig

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-13 vom 06. April 2013

Wahre Liebe
Das Spiel der Natur wiederholt sich ewig

Eines Morgens saßen wir an unserem Fenster und beobachteten ein Taubenpärchen auf dem Dach des Gartenhauses. Sie – ich gab ihr den schönen Namen „Wilhelmina“ – saß da wie ein Standbild, er – ihn nannte ich „Karlchen“ − begann nach einigen Minuten einen rührend anzusehenden Balztanz. Er beugte vor seiner offensichtlich großen Liebe den Kopf tief nach unten und hob gleichzeitig den breit gefächerten Schwanz. Viele Male vollführte er seine Balz und jagte Wilhelmina gleichzeitig über die ganze Länge des Firstes. Sie riss vor ihm aus, indem sie sehr schnell über den schmalen Grat des Daches trippelte, er lief, sich ständig verbeugend, hinter ihr her. Es sah zu komisch aus.

Am Ende des Dachfirstes angelangt, drehte sich die Umworbene um und blieb gleichgültig sitzen. Beflissen dienerte Karlchen weiter. „Streng dich ruhig an“, schien sie zu denken, „ich gurre darauf!“

Da saß er nun, der abgewiesene Brautwerber, und hörte nicht auf, den Kopf zu beugen und den Schwanz zu heben, immer schön eins nach dem anderen. „Ihr Frauen seid alle gleich“, moserte mein Herzallerliebster, „ihr lasst uns arme Männer mitleidslos im eigenen Saft schmoren.“ Ich schwieg beleidigt. Obwohl – etwas Wahres war an seiner Behauptung dran!

Auf einmal war die Umworbene nicht mehr da. Der Täuberich schickte zweimal ein langgezogenes „guruuu“ in die blaue Frühlingsluft und flog hinter ihr her. Minuten später jagten sie über uns hinweg zum zunächst stehenden Baum. Mehrere Male umrundeten sie in rasantem Flug unseren Garten, ehe sie verschwanden.

Am nächsten Tag saßen sie wieder auf dem Dach unseres Gartenhauses. Das Spielchen wiederholte sich. Der verliebte Täuberich gab nicht auf. Bis sich die Umworbene erweichen ließ.

Fasziniert sahen wir ihnen zu, wie sie schnäbelten, lange und ausdauernd.

„Siehst du“, ich gab meinem Mann einen Kuss, „diese ‚Ehe‘ wird ewig halten!“ − „Woher weißt du das so genau?“ Mein Mann zwinkerte. Ich zuckte mit den Schultern. „Wenn sich die Männer derart anstrengen müssen, dann haben sie später keine Lust mehr auf ‚Balztänze‘. Sie lassen sich lieber verwöhnen.“

Lachend sahen wir zum Gartenhaus hinüber. Der Dachfirst war leer. „Wo sind sie geblieben?“, fragte ich enttäuscht. Mein Mann kicherte: „Kleine Vögel machen. Ist doch sonnenklar. Oder?“

Ich hätte die schnäbelnden Tauben gerne noch ein wenig länger beobachtet; wahre Liebe ist so rührend anzusehen. Gabriele Lins


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren