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06.04.13 / Bewegte Hassliebe / Angezogen und abgestoßen zugleich war Goethe von Friedrich II.

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-13 vom 06. April 2013

Bewegte Hassliebe
Angezogen und abgestoßen zugleich war Goethe von Friedrich II.

Werk und Gestalt Goethes (1749–1832) sind so umfassend, dass sich für einen ganzen Strauß verschiedener Lebensbeschreibungen jeweils ein eigentümlicher Rahmen finden ließe, um den Dichter und Seher darin vollständig anzuschauen. Das haben zahlreiche Einzeluntersuchungen schon geboten: Goethe und der Islam, Goethe und die Naturkunde, Goethe und die Antike, Goethe und Italien und so weiter auch in personifizierten Gegenüberstellungen: Goethe und Leibnitz, und Napoleon, und Winckelmann, und Spinoza, und Newton und so fort. Für eine Betrachtung „Goethe und der Alte Fritz“ von Katharina Mommsen, die Grande Dame der internationalen Goethe-Forschung, spricht allerdings mehr als für jede andere Paarung. Denn die Anteilnahme an dem Kriegs-Heros (1712–1786) der Epoche begleitete Goethe schon in der Kinderstube.

Die letzte resümierende Bemerkung zu Friedrich II. von Preußen wiederum steht im Zusammenhang mit einem handschriftlichen Brief des Herrschers, den der Dichter für den Großvater der Ulrike von Levetzow restaurieren ließ. Kapitän von Brösigke erhielt ihn rücküberliefert mit den Versen: „Das Blatt, wo seine Hand geruht, die einst der Welt geboten, ist herzustellen fromm und gut, Heil ihm, dem großen Todten!“ Diesem Bestreben des großen Dichters, des großen Feldherrn in seinem Inneren endlich Herr zu werden, hat wohl der Kapitän allein die Rücküberlieferung des Autografen zu danken. War doch Goethe sonst sehr skrupellos, wenn es galt, sich durch Unterschlagung oder Vorspiegelung in den Besitz kostbarer Handschriften zu versetzen. Der Hamann-Nachlass der Fürstin Gallitzin beispielsweise gelangte in seine Bibliothek aufgrund des nie eingelösten Versprechen, ihn zu editieren. Auch Goethe war also ein Ursupator, was er sich nicht direkt aneignete, das musste er immerhin für andere definieren, bestimmte ihm einen neuen Rahmen durch Reime.

Die in den USA lebende Autorin Mommsen nimmt die antikisierenden Marmor-Pendants von Goethe und Friedrich auf Schloss Arolsen zum Ausgangspunkt ihrer Betrachtung. Der preußische König war ein Widersacher für den Weimarischen Minister, ein Rivale in der Herrschaft über Herz und Seele des Herzogs Carl August. Goethe wurde ja recht eigentlich zum Staatslenker in Weimar und litt darunter, dass der impulsive Herrscherfreund vom glorreichen Beispiel seines Onkels ständig zur Jagd nach militärischem Ruhm verleitet wurde. Kriegs- und Jagdgelärme waren Goethe gleichermaßen widerwärtig.

Ein Kapitel schildert Goethes „einzige politische Verschwörung“. 1782 gelang es ihm, den Herzog in die antimilitaristische Verschwörung eines Fürstenbundes auf Anregung des Franz von Dessau gegen die preußische Vorherrschaft einzubinden. Das Dämonische des Kriegsherrn und Geopolitikers Friedrich II. hat den Naturforscher gleichwohl gefesselt. Er vermochte ein notwendiges Wirken des Weltgeistes in dem großen Mann zu sehen, so sehr ihm dessen preußisch-repressive Ausprägung widerstand. Diese Ablehnung hat er in manchem seiner Werke mitgeteilt und solche Stellen oftmals aus politischer Rücksicht chiffriert oder spät erst publiziert.

Die schriftstellerische Souveränität der wohl versiertesten Goethekennerin unter den Lebenden lässt das elegante Bändchen zu einem Lesevergnügen für jeden Leser werden. Es ist keine schwer zugängliche Fachstudie. Selbstredend werden hier Quellen und Betrachtungen kenntnisreich aneinander gereiht. Einige wenige Bilder begleiten diese Ausführungen. Anmerkungen, Register und Literaturverzeichnis geben dem geistreichen Bändchen den letzten Schliff. Sebastian Hennig

Katharina Mommsen: „Goethe und der Alte Fritz“, Lehmstedt, Leipzig 2012, gebunden, 231 Seiten, 19,90 Euro


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