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13.04.13 / Begehrte Braut vom Bosporus / USA setzen auf die Türkei als strategischem Partner – Auch Moskau will es sich nicht mit Ankara verderben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-13 vom 13. April 2013

Begehrte Braut vom Bosporus
USA setzen auf die Türkei als strategischem Partner – Auch Moskau will es sich nicht mit Ankara verderben

Sowohl Deutschland als auch Israel sehen sich derzeit einer auftrumpfenden türkischen Führung gegenüber. Wer den Ursprung der aktuellen Großspurigkeit sucht, wird in einem Strategiepapier für US-Präsident Barack Obama fündig.

Ein Vorgang mit Seltenheitswert: Israels Premier Benjamin Netanjahu, sonst als kompromissloser Hardliner bekannt, entschuldigt sich für einen Einsatz der israelischen Armee. Gegen-über dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan hat Netanjahu sein Bedauern über das israelische Vorgehen gegen ein türkisches Schiff geäußert, das im Jahr 2010 die Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen wollte. Die Vereitelung des Vorhabens durch Israels Militär hatte sechs Türken das Leben gekostet und zu einer politischen Eiszeit zwischen Ankara und Jerusalem geführt. Nicht nur das kleinlaute Einlenken Israels ist erstaunlich: Nethanjahus Abbitte in Richtung Ankara erfolgte per Telefon im Beisein von US-Präsident Obama während dessen jüngstem Israel-Besuchs.

Sucht man eine Erklärung für das israelische Einknicken, das augenscheinlich von Obama forciert wurde, sollte man den Blick in ein Strategiepapier werfen, das bereits im Jahr 2008 von der den US-Demokraten nahestehenden Denkfabrik „Center for American Progress“ entworfen wurde. Im Kern der Studie „The Neglected Alliance“ („Die vernachlässigte Allianz“) steht eine bemerkenswerte Diagnose. Die von Briten und Franzosen zu Beginn des 20. Jahrhunderts entworfene politische Ordnung für den Nahen Osten steht vor dem Zusammenbruch. Soll die anstehende Neuordnung in der Region nach den Wünschen Washingtons verlaufen, wird die islamisch geprägte Türkei als strategischer Hauptpartner der USA gebraucht.

Inzwischen mehren sich die Anzeichen, das sich das Strategiepapier zum konkreten Handlungsplan entwickelt hat. Was bereits 2008 an einzelnen Schritten aufgezählt wurde, weist eine verblüffende Übereinstimmung mit der aktuellen Entwicklung in der Region auf. Als Ausgangsbedingung genannt wurde nicht nur ein gutes Verhältnis zwischen Israel und der Türkei, sondern auch, dass sich Ankara um die Lösung der Kurdenfrage und Beziehungen zum kurdischem Nordirak bemühen muss. Die türkisch-israelische Wiederannäherung ist mit dem Israelbesuch Obamas in Gang gekommen. Dass überraschend Friedensverhandlungen zwischen Ankara und PKK-Führer Abdullah Öczalan aufgenommen wurden, sorgte bereits vor einigen Wochen für Schlagzeilen. Damit nicht genug: Von Seiten der irakischen Zentralregierung nimmt die Klage immer mehr zu, die Türkei würde sich zunehmend in die Angelegenheiten Iraks einmischen. Der konkrete Vorwurf: Der türkische Kooperationskurs mit dem kurdischen Nordirak ziele letztendlich auf eine Aufspaltung des Landes hin. Zusammen mit dem jüngsten Ansteigen gewaltsamer Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten im Irak könnte mit den türkischen Bemühungen um den Nordirak eine brisante Mischung entstehen. Nicht ausgeschlossen ist, dass die von einigen Politstrategen erhoffte politische Neuordnung der Region nicht in Syrien oder dem Iran, sondern im Irak ihren Anfang nimmt.

Das Vorhaben einer strategischen Partnerschaft zwischen den USA und der Türkei bringt für beiden Seiten ein Risiko mit sich: Die gestellte Forderung, die Türkei solle ihr Verhältnis zu den Kurden verbessern, kommt für Ankara einem Balanceakt mit hoher Absturzgefahr gleich. Resultat der Entwicklung könnte leicht die Entstehung eines Groß-Kurdistans sein. Überraschungen kann das Bündnis allerdings auch für die USA bereithalten. Vor allem beim Syrienkonflikt ist inzwischen unübersehbar, dass auch das fundamental-islamistische Saudi-Arabien und das Emirat Katar längst den strategischen Wert der Türkei erkannt haben, so dass Ankara gewissermaßen auf „zwei Hochzeiten tanzt“.

Zur Herausforderung wird die Rolle der Türkei allerdings auch immer mehr für Russland. Eine Kostprobe hat Moskau bereits im Zuge des geopolitischen Pokers erhalten, der sich rund um die Zypern-Rettung abgespielt hat. Russlands Kalkül, im Gegenzug für Kredite Zugriff auf die zypriotische Erdgasförderung und sogar einen Marinestützpunkt auf Zypern zu erhalten, hat sich zerschlagen. Zwar war aus Moskau zu hören, dass sich Deutschland mit seinem Beharren auf Gläubigerbeteiligung bei der Bankenrettung wie „ein Elefant im Porzellanladen“ aufgeführt hätte, maßgeblich zum Scheitern der russischen Pläne beigetragen hat allerdings die Türkei. Von Ankara vor die Wahl gestellt zwischen einem Fußfassen auf dem von der Türkei gehassten Zypern oder russischen Pipelineprojekten über türkisches Gebiet, hat Moskau seine Zypern-Träume fallen lassen. Als Wink mit dem Zaunpfahl dürfte das Beispiel gereicht haben, dass Ankara derzeit am italienischen Energiekonzern ENI statuiert. Da ENI mit dem griechischen Teil Zyperns Vereinbarungen zur Erdgasförderung getroffen hat, droht dem Konzern nun der Rauswurf aus der Türkei. Norman Hanert


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