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13.04.13 / Chruschtschow trieb er zur Weißglut / Oleg Penkowskij gilt als der bedeutendste westliche Spion des Kalten Krieges – Vor 50 Jahren wurde er getötet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-13 vom 13. April 2013

Chruschtschow trieb er zur Weißglut
Oleg Penkowskij gilt als der bedeutendste westliche Spion des Kalten Krieges – Vor 50 Jahren wurde er getötet

Am 13. März 1963 musste ein Mitarbeiter der Kaderverwaltung des sowjetischen Verteidigungsministeriums eine ungewöhnliche Mission ausführen. Er betrat das Haus Nummer 68/70 am Frunse-Ufer in Moskau, um dem ihn aufgeregt erwartenden älteren Herrn einen Ukas des Obersten Sowjets der UdSSR auszuhändigen. In diesem war verfügt, dass der bisherige „Hauptmarschall der Artillerie“ Sergej Warenzow zum Generalmajor degradiert und aus der Sowjetarmee schimpflich entlassen wird. Außerdem erkannte man dem degradierten Marschall den Titel „Held der Sowjetunion“ nebst allen sonstigen Orden ab. Von diesem Schicksalsschlag sollte sich Sergej Warenzow, von Parteichef Nikita Chrustschow noch kurz vorher als künftiger sowje­tischer Verteidigungsminister gehandelt, nie mehr erholen. Acht Jahre später starb er, einsam und verfemt, an gebrochenem Herzen.

Warenzow war das prominenteste Opfer der Spionageaffäre Penkowskij, aber keineswegs das einzige. Mit ihm zusammen wurde der Chef des sowjetischen militärischen Nachrichtendienstes GRU, Armeegeneral Iwan Serow, degradiert und in die Wüste geschickt und außerdem jeder GRU-Offizier zwangspensioniert, der das Pech hatte, mit Oleg Penkowskij in Berührung gekommen zu sein. Der erzürnte Parteichef Chrustschow hatte ursprünglich sogar verlangt, Warenzow und alle anderen zu einfachen Soldaten zu degradieren.

Chrustschows Wut wird verständlich, wenn man berücksichtigt, dass er in der Kuba-Krise vom Oktober 1962 gegenüber dem US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy hoch pokerte und verlor. Die Spionageaffäre des Obersten Oleg Penkow-skij zeigte nun, so schien es zumindest Chrustschow in seiner Wut, dass der Westen dank seiner nimmermüden Spionage erschreckend tiefe Einblicke in das sowjetische strategische Raketenpotenzial gewonnen hatte und die militärische Kraft und die politischen Intentionen des Kreml durchaus zutreffend einzuschätzen verstand.

Eineinhalb Jahre lang hatte der sowjetische Geheimdienstoberst Penkowskij diesbezügliche und weitere wertvolle Informationen an den britischen Auslandsgeheimdienst MI6 geliefert, bevor es dem KGB gelang, im militärischen Nachrichtendienst GRU jenen gefährlichen englischen Agenten zu verorten, vor dem George Blake und andere sowjetische Informanten im MI6 den KGB seinerzeit warnten. Mit einer vom britischen Geheimdienst erhaltenen Minikamera machte Oberst Penkowskij in jenen 18 Monaten insgesamt 7000 Aufnahmen geheimster militärischer Dokumente und gab diese selbst dann noch an die Engländer weiter, als er schon seine Beobachtung durch den KGB zu spüren begann.

Für Penkowskij war die Spionagetätigkeit nämlich eine Art von Widerstand gegen das Sowjetregime, zu dem er sich in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg durchrang, weil er das üppige Leben der Nomenklatura mit dem armseligen Leben des einfachen russischen Volkes verglich. Während der späteren Moskauer Gerichtsverhandlung wollte man Penkowskij eine widerständige Haltung natürlich nicht zubilligen und stellte ihn folglich als gemeinen Spion dar, der aus reiner Geldgier zum Verräter geworden sei, und zudem als einen üblen Säufer, der dekadenterweise sogar Champagner aus Damenschuhen getrunken habe.

Damit wurde man jedoch den politischen Motiven des während des Bürgerkriegs 1919 im Kaukasus geborenen Penkowskij keineswegs gerecht. Der junge Mann hatte, wie einst sein Vater, die militärische Karriere eingeschlagen. Im Zweiten Weltkrieg befehligte er erfolgreich ein Panzerjägerregiment und wurde mit fünf Kampforden und acht Tapferkeitsmedaillen dekoriert. Zeitweise war Major Penkowskij sogar Adjutant des damaligen Artilleriechefs der 1. Ukrainischen Front, Generaloberst Warenzow. Warenzow entwickelte seinerzeit väterliche Gefühle für seinen intelligenten, anstelligen, früh verwaisten Adjutanten. Er ermöglichte ihm nach dem Krieg den Einstieg in den militärischen Nachrichtendienst, in dem Penkowskij seine erste Bewährungsprobe in den Jahren 1955/56 als stellvertretender sowjetischer Militärattaché in der Türkei erfolgreich absolvierte und zum Oberst aufstieg. Als danach ein noch viel verantwortungsvollerer Einsatz, nunmehr als sowjetischer Militärattaché in Indien, bevorstand, entdeckten übereifrige Mitarbeiter der Kaderverwaltung, dass der Vater des Oberst Penkowskij nicht etwa, wie vom Sohn angegeben, 1919 als Angestellter gestorben, sondern als weißgardistischer Offizier gefallen war. Mit Unterstützung durch Marschall Warenzow gelang es Penkowskij jedoch, den dadurch bewirkten Karriereknick erfolgreich zu überwinden und weiterhin im sowjetischen Geheimdienst an verantwortlicher Stelle tätig zu sein.

1960 hatte sich Penkowskij schließlich dazu durchgerungen, Kontakt mit dem britischen Geheimdienst aufzunehmen und diesem während des Höhepunktes des Kalten Krieges wahrhaft unschätzbare Informationen zu übermitteln. Oleg Penkowskij wurde deshalb nach seiner Enttarnung in einem summarischen Verfahren vom 7. bis 11. Mai 1963 vom Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR zum Tode verurteilt und am 14. Mai 1963 in Moskau erschossen. Vor Gericht tat er alles, um seinen zusammen mit ihm angeklagten Verbindungsmann Greville Wynne vom englischen Geheimdienst zu schützen und zu entlasten. Wynne erhielt nur eine Verurteilung zu acht Jahren Straflager und wurde bereits nach zwei Jahren gegen den in Großbritannien ertappten Sowjetspion Konon Molody ausgetauscht. Jürgen W. Schmidt


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