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13.04.13 / Die »Firma Strauß« / Walzer als Geschäftsmodell

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-13 vom 13. April 2013

Die »Firma Strauß«
Walzer als Geschäftsmodell

Mit ihren herrlichen Walzern und schwungvollen Märschen erfreuten sie im 19. Jahrhundert ein tanzfreudiges Publikum in Wien und zahllosen anderen Orten weltweit. Wenngleich heute weniger getanzt wird, lösen ihre unsterblichen Melodien nach wie vor Begeisterung aus: Die Rede ist natürlich von Johann Strauß Vater (1804–1849) und Sohn (1825–1899). Ihr Name steht für Wiener Musik schlechthin. Welch eine organisatorische Leistung die beiden Komponisten und viel beschäftigten Kapellmeister zugleich als Direktoren eigener Orchester vollbrachten, ist weniger bekannt.

In ihrem Buch „Alles Walzer. Die Strauß-Dynastie“ erzählt die Wiener Journalistin und Buchautorin Hanne Egghardt vom Aufstieg und Werdegang der „Firma Strauß“, die sie als erstes Unternehmen der modernen Unterhaltungsindustrie bezeichnet. Gemeint ist in erster Linie die phänomenale Produktivität des jüngeren Johann Strauß, der seine beiden jüngeren, ebenfalls hochbegabten Brüder Josef (1827–1879) und Eduard (1835–1916) ins Musikgeschäft zog und sich nach 1870 vom Walzer- zum Operettenkönig wandelte. Sein berühmtester Walzer „An der schönen blauen Donau“ gilt als inoffizielle österreichische Nationalhymne, während seine Operette „Die Fledermaus“ als eine von wenigen ihres Genres regelmäßig an großen internationalen Opernhäusern gespielt wird, häufig in der Faschingszeit oder zu Silvester. Ebenso bekannt sind die Operetten „Der Zigeunerbaron“ und „Eine Nacht in Venedig“. Das populärste Musikstück von Vater Johann Strauß, den man auch den „Vater des Walzers“ nennt, ist und bleibt der brillante „Radetzkymarsch“, mit dem traditionell das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker beendet wird.

Egghardt, die sich auf herausragende Themen der österreichischen Geschichte und Kultur spezialisiert hat, erzählt die faszinierende Geschichte der Musikerfamilie Strauß lebhaft und, was sozusagen zum guten Ton gehört, mit einer Portion „Wiener Schmäh“. Jedem der vier „Sträuße“ ist ein Buchkapitel gewidmet, wobei das Kapitel über den „Walzerkönig“ entsprechend der überragenden Bedeutung von Johann „Schani“ Strauß am umfangreichsten ausgefallen ist.

Zur Weltstadt der Musik entwickelte sich Wien in der napoleonischen Ära durch Beethoven, Haydn und Schubert. Weit entfernt von den Palästen, wo die Aristokraten und bürgerlichen Eliten der klassischen Musik lauschten, drehten sich die Paare in den Wirtshäusern der Leopoldstadt zu den Klängen von Walzern, Ländlern oder eines „G’stampften“. Im Bierlokal „Zum guten Hirten“ seines Vaters Franz Strauß hörte der ältere Johann Strauß schon als Kind diese Tanzmusik und übte die Stücke auf einer Geige. Wie es aber dazu kam, dass er so früh ausgezeichnet Geige und Bratsche spielte, sei in Wahrheit nicht bekannt, schreibt Egghardt.

So manche der kolportierten Legenden, die unter anderem Eduard Strauß, der Hofball-Musikdirektor, in seinen „Erinnerungen“ überliefert hat, seien nicht glaubwürdig, so die Autorin. „Großgezogen“ wurde der Walzer seit den 1820er Jahren in Vergnügungsetablissements. Damals erfasste die Bewohner der Donaumetropole eine Tanzwut sondergleichen: „Sich in der Freizeit bei Musik und Tanz zu vergnügen, wurde zum Lebenselexier.“ In großen Zügen schildert die Autorin die Rivalitäten zwischen den Kapellmeistern Lanner und Strauß Vater, zwischen diesem und seinem Sohn sowie die nicht selten schwierigen Familienverhältnisse. Das informative Buch ist mit zeitgenössischen Fotografien, Stichen und Konzertankündigen ausgestattet. Dagmar Jestrzemski

Hanne Eggehardt: „Alles Walzer. Die Strauß-Dynastie“, Kremayr & Scheriau, Wien 2012, geb., 223 Seiten, 22,90 Euro


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