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13.04.13 / Boykott ist keine Lösung / Pubertierender Schüler lernt, dass Empathie für Mitmenschen auch ihm hilft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-13 vom 13. April 2013

Boykott ist keine Lösung
Pubertierender Schüler lernt, dass Empathie für Mitmenschen auch ihm hilft

James Weinbach ist Schüler der Osborne Highschool. Er liebt die alten Filme mit Fred Astaire und Humphrey Bogart und betrachtet seine Mitschüler lediglich als hormongesteuerte Monster in Markenkleidung. In „Ich gegen Osborne“ stellt US-Nachwuchsautor Joey Goebel dem Leser einen jungen Mann vor, der stets bemüht ist, sich von seinen Schulkameraden zu distanzieren. Er selbst grenzt sich augenscheinlich dadurch von den anderen ab, dass er täglich im Anzug zur Schule erscheint und durch seine ironischen Sprüche und Kurzgeschichten, die er im Schulunterricht zum Besten gibt. Außerdem arbeitet James an einem Roman, den er „Neurotica“ nennen möchte. „Der Roman dreht sich um eine geheimnisvolle Krankheit, die dazu führt, dass sich alle zurückentwickeln. Wer diese Krankheit bekommt, beschäftigt sich mehr mit seinen Genitalien, weil die Genitalien wachsen, während die Hirne schrumpfen.“ Da die Mitschüler sich von James’ Geschichte angegriffen fühlen, lassen sie kein gutes Haar daran. Daraufhin plant James die Rache. Er beschließt, seinen Klassenkameraden das zu nehmen, worauf sie sich am meisten zu freuen scheinen.

Der Roman spiegelt lediglich einen Highschooltag im Leben von James wider. Zusammen mit dem Jungen hangelt sich der Leser von Schulstunde zu Schulstunde. Dabei wird bald klar, dass dieser Tag für den Teenager in einem Desaster enden wird. Der Leser wünscht den Jungen in seinem Handeln stoppen zu können, doch der steuert auf die scheinbar unvermeidbare Katastrophe zu.

Der neue Roman von Goebel „Ich gegen Osborne“ ist intelligent geschrieben und nötigt dem Leser einen gewissen Respekt für die Hauptfigur James ab. Scharfsinnig begreift der Junge viele zwischenmenschliche Zusammenhänge im Leben seiner Mitschüler, ist jedoch zu borniert und selbstgefällig, um auch nur irgendetwas, das die Schüler der Osborne High tun, für gut zu befinden. Völlig überfordert mit seinem eigenen Teenie-Dasein und seinen eigenen Hormonen beschließt James, in einer Schulstunde, mal eben asexuell zu werden, nachdem er gehört hat, dass sein Schwarm Chloe beim Frühlingsfest wohl gleich mit mehreren Jungen Sex gehabt haben soll. Einerseits erscheint dieser Beschluss lächerlich, andererseits wäre dies tatsächlich eine Möglichkeit für James gewesen, anders als alle sein Mitschüler zu sein. Doch wie geronnen, so zerronnen: Bereits in der dritten Stunde muss James im Chemieunterricht einen Laborversuch mit einer Mitschülerin durchführen und dabei spuken ihm alles andere als asexuelle Gedanken durch den Kopf.

Mit James Weinbach hat der Autor einen wirklich interessanten Charakter geschaffen. Er ist zwar ein Außenseiter, dabei aber weder ein Freak noch ein Looser. Tendenziell mögen ihn die Schüler der Osborne High sogar gerade aufgrund seiner Individualität. Der Autor macht in seinem Roman deutlich, wie kontraproduktiv es ist, immer alles zu boykottieren. Am Ende sieht sogar James ein, dass es nicht schaden kann, sich hin und wieder in seine Mitmenschen hineinzuversetzen, um deren Sichtweise zu verstehen, statt immer nur bis zur eigenen Nasenspitze und nicht darüber hinaus zu schauen. Vanessa Ney

Joey Goebel: „Ich gegen Osborne“, Diogenes, München 2013, geb., 430 Seiten, 22,90 Euro


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