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20.04.13 / Moldau am Scheideweg / Bürgerinitiative setzt sich für Union mit Rumänien ein − Korrupte Regierung enttäuscht EU

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-13 vom 20. April 2013

Moldau am Scheideweg
Bürgerinitiative setzt sich für Union mit Rumänien ein − Korrupte Regierung enttäuscht EU

Die Republik Moldau steckt in der Krise. Kommunisten und eigene Anhänger stürzten mit einem Misstrauensvotum Premier Vladimir Filats pro-rumänische „Allianz für Europäische Integration“. Sollten die Kommunisten die Macht wiedererlangen, scheitert Chisinaus EU-Annäherungspolitik. Mit einer Unterschriftensammlung für eine Wiedervereinigung mit Rumänien will die rumänische Bürgerinitiative „Actiunea 2012“ dies verhindern.

Die Chancen, dass die kleine Republik Moldau ihren angestrebten EU-Beitritt voranbringen kann, stehen angesichts der Probleme im Inneren schlecht. Dabei liefen die 2010 geführten Assoziierungsgespräche mit Brüssel zunächst gut an. Von den Staaten, die im Rahmen des Europaprojekts „Östliche Partnerschaft“ enger an die EU gebunden werden sollten − Armenien, Georgien, Aserbaidschan, Weißrussland, Ukraine − schien Moldau die Voraussetzungen am ehesten zu erfüllen.

Filz und Korruption ließen jedoch die pro-rumänische Koalition „Allianz für Europäische Integration“, zu der sich nach der chaotischen letzten Parlamentswahl schließlich vier demokratische Parteien unter der Führung von Premier Vladimir Filat zusammengeschlossen hatten, zerbrechen. Fatalerweise sind neben dem Innen- auch der Gesundheitsminister und sogar Filat selbst von Korruptionsvorwürfen betroffen.

Die für diesen Herbst vorgesehene Ratifizierung des Assoziierungsabkommens wurde nun auf das nächste Jahr verschoben. 58 Millionen Euro, die als letzte Tranche eines Kredits des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit einem Gesamtvolumen von 437 Millionen Euro, der Ende März zur Auszahlung kommen sollten, wurden mit der Begründung zurückgehalten, dass Moldau die Zusammenarbeit mit dem IWF  verweigere.

Mit der Losung „Bessarabien heimholen“ wollte die rumänische Bürgerinitiative „Actiunea 2012“ jetzt 200000 Unterschriften für einen Anschluss Moldaus an Rumänien sammeln. Unterstützung erfuhr die Bürgerinitiative durch die moldauische Abgeordnete Anna Gutzu (Liberaldemokratische Partei), die in der Verfassung „Moldauisch“ als Amtssprache durch „Rumänisch“ ersetzt haben will. Rumänisch soll nach Guzus Vorstellung alleinige Amtssprache sein. In offiziellen Bereichen und staatlichen Berufen darf dann nicht mehr Russisch gesprochen werden. In einigen Teilen des Landes, vor allem im abtrünnigen Transnistrien und dem autonomen Gebiet Gagausiens ist Russisch zweite Amtssprache.

Ähnlich wie die Ukraine ist Moldau tief gespalten in einen pro-westlichen und einen pro-russischen Bevölkerungsteil. Mit einem Verbot der russischen Sprache würden alte Konflikte wieder entfacht. Nach dem Zerfall der Sowjetunion kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem schmalen Landstrich Transnistrien östlich des Dnister, der zur Abtrennung führte. Transnistrien steht unter russischem Einfluss.

Moldau blickt auf eine bewegte Geschichte zurück, in der das kleine Land immer wieder im geopolitischen Interesse der Großmächte stand. Durch die Vereinigung der Fürstentümer Moldau und Walachei entstand 1859 der moderne rumänische Staat. Das von den Flüssen Pruth im Westen und Dnister im Osten begrenzte Land war jahrhundertelang eine Pufferzone zwischen Österreich, Russland und Osmanischem Reich. Die Gebietsbezeichnung „Bessarabien“ entstand 1812, als das Fürstentum Moldau die Herrschaft an Russland abtrat. Bis 1917 war das Gouvernement Bessarabien Teil des russischen Reiches. 1918 kehrte es für kurze Zeit zu Rumänien zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es autonome Sowjetrepublik, das Land wurde russifiziert.

In den Jahren 1990 bis 1992 hatte es  schon einmal eine starke Bewegung zur Wiedervereinigung mit Rumänien gegeben, die allerdings folgenlos blieb. Heute unterstützt Rumänien Moldau bei dessen Annäherung an Europa. Obwohl Rumänien als ärmstes Mitglied der EU gilt, ist der Nachbar im Westen für Moldau fortschrittlich und vergleichsweise wohlhabend. Moldau, das zu 80 Prozent Kulturland mit fruchtbarer Schwarzerde ist, gilt als eines der wirtschaftlich schwächsten Länder Europas. Das warme, trockene Klima erlaubt Wein- und Obstanbau in großem Maßstab. Als Teil der Sowjetunion war es eine der reichsten Republiken. Nach dem Zerfall der Sowjetunion blieb Russland der wichtigste Abnehmer für Wein und Spirituosen. Mit dem russischen Importverbot für moldauischen Wein 2006 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Moldaus erheblich. Ein Viertel der Bevölkerung, die 2004 bei 3,9 Millionen Einwohnern lag, wanderte ins Ausland ab. Ein Drittel des moldauischen Budgets stammt heute aus Transferzahlungen im Ausland tätiger Angehöriger. Manche von ihnen arbeiten in der EU, der Großteil aber in Russland.

In dieser Situation wissen viele Moldauer nicht, wie sie sich ihre Zukunft wünschen sollen. Das Land steht am Scheideweg. Für eine Wiedervereinigung mit Rumänien spricht der rumänische Pass, der Reisefreiheit innerhalb der EU, einen erleichterten Zugang zu westlichen Arbeitsmärkten, aber auch zu den Sozialsystemen bietet. Andererseits bringt der Beitritt zur Zollunion mit Russland ebenfalls Vorteile, zumal zwei Drittel der im Ausland arbeitenden Moldauer ihr Geld in Russland verdienen. Umfragen belegen die Verunsicherung: 54,7 Prozent der Befragten sind für einen EU-Beitritt, 55,8 Prozent befürworten aber auch einen Beitritt zur Zollunion mit Russland.

Für die EU ist Moldau ein wichtiger Partner für eine erfolgreiche Osteuropapolitik. Filat und EU-Kommissarin Catherine Ashton untermauerten dies mit einem Abkommen zur Teilnahme an militärischen EU-Operationen in Krisenregionen. Chisinau sagte die Teilnahme seiner Soldaten bei Operationen in Somalia und Mali zu, was zu scharfen Protesten („... unsere Soldaten als Kanonenfutter für Geld aus Brüssel“) seitens der Kommunisten führte. Manuela Rosenthal-Kappi


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