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27.04.13 / Baumeister der Staatsnation / Was wir heute mit Preußen verbinden, geht zu großen Teilen auf den Großen Kurfürsten zurück

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-13 vom 27. April 2013

Baumeister der Staatsnation
Was wir heute mit Preußen verbinden, geht zu großen Teilen auf den Großen Kurfürsten zurück

Der Große Kurfürst machte nicht nur Preußen souverän, sondern legte auch das Fundament für das, was Preußen auszeichnet: der starke Staat mit einer effizienten, straffen Verwaltung und Wirtschaftspolitik sowie einem starken Heer mit einer nicht weniger starken Stellung in der Gesellschaft, die Toleranz (in Glaubensfragen) sowie schließlich die Formung der Untertanen unterschiedlichster Stämme zu einer Staatsnation.

Es war ein ungemütlicher Ort in einer wirren Zeit. In dem heute zu Berlin gehörenden Cölln an der Spree kam der Hohenzollernprinz Friedrich Wilhelm am 16. Februar 1620 zur Welt. Rund um Brandenburg, dem kleinen Fürstentum seines Vaters Georg Wilhelm, tobte der Dreißigjährige Krieg. Der Kurfürst hatte versucht, sein Land aus dem Kampfgeschehen herauszuhalten, doch es befand sich zwischen den Feuern der österreichischen und schwedischen Truppen. Mal zogen die Soldaten des Schwedenkönigs Gustav Adolf, mal die von Kaiser Ferdinand II. marodierend durch das Land.

Der Prinz verbrachte seine Kindheit, meist ohne die Eltern, in der Festung Küstrin, bis die Bemühungen Georg Wilhelms um Neutralität endgültig scheiterten. Gustav Adolf besetzte Brandenburg und nutzte es als Operationsbasis gegen die Habsburger. Der Kurfürst und seine Gemahlin Elisabeth Charlotte sahen sich dringend veranlasst, den 14-jährigen Thronfolger Friedrich Wilhelm in Sicherheit zu bringen. Sie schickten ihn nach Leiden in Holland.

Die Niederlande waren nicht nur sicher, sie waren auch ein Land, in dem der Wohlstand blühte. Die damals bedeutendste Schifffahrts- und Handelsmacht Europas hatte sich in ihren Kolonien große Reichtümer erworben. Die Bürger erlebten goldene Zeiten, das Staatswesen war hoch entwickelt, ganz anders als im rückständigen Brandenburg. An der Universität Leiden studierte Fried­rich Wilhelm Staatskunde, Mathematik, Fremdsprachen und Militärkunde. Vor allem aber interessierte ihn das unternehmerische Geschick der Holländer, immer neue Geldquellen zu erschließen, Vergabe von Lizenzen zur Seeräuberei und zum Sklavenhandel inbegriffen.

Der vierjährige Aufenthalt in Holland beeinflusste Friedrich Wilhelm nachhaltig. Das dort Gesehene und Erlernte war ihm Maxime für seine Politik. So heißt es in einem kurfürstlichen Edikt: „Seefahrt und Handlung sind die fürnehmsten Säulen eines Estats, wodurch die Unterthanen beides zu Wasser, als auch durch die Manufakturen zu Lande ihre Nahrung und Unterhalt erlangen.“

1638 kehrte Friedrich Wilhelm nach Berlin zurück, zwei Jahre später trat er das Erbe seines Vaters an. Was für ein Erbe! Brandenburg war verwüstet und nach wie vor fest in schwedischer Hand. Eine Armee, mit deren Hilfe der junge Kurfürst sich aus der schwedischen Umklammerung hätte befreien können, gab es nicht. Die Bevölkerung war stark dezimiert und der Staatssäckel leer. Die Regentschaft lag faktisch in der Hand seines Intimfeinds, des Grafen Adam von Schwarzenberg. Fried­rich Wilhelm handelte schnell. Er ließ den Grafen verhaften, der kurz darauf starb. Der Bevormundung ledig, schloss Friedrich Wilhelm einen Friedensvertrag mit Schweden und erreichte, dass der polnische König Wladislaw IV. Wasa ihn mit dem Herzogtum Preußen belehnte. Die Heirat mit Luise Henriette von Nassau-Oranien spülte Geld in die Kasse. Die Mitgift der Braut belief sich auf 180000 Reichstaler, eine damals sehr stattliche Summe.

Der Holländerin folgten viele ihrer tüchtigen Landsleute nach Berlin, Handwerker, Bauern und Kaufleute. Die „Verholländerung“, so nannten die Einheimischen den Zustrom aus den Niederlanden, brachte Brandenburg wirtschaftlich voran. Brachliegendes Land wurde wieder bearbeitet, der Handel prosperierte durch den Bau von Straßen, Kanälen und den Aufbau eines Postwesens. Ohne ein schlagkräftiges Heer blieb Brandenburg aber weiterhin ein Spielball der Großmächte. Durch die Erhebung verschiedener Steuern – aufs Mahlen von Getreide, Bierbrauen und Schlachten – trug Friedrich Wilhelm das Geld für ein kleines, schlagkräftiges Heer zusammen.

In den zahlreichen Kriegen und Scharmützeln, die er führte, bewies er großes taktisches Geschick. So gelang es ihm im Zweiten Nordischen Krieg (1655–1660) durch das sogenannte brandenburgische Wechselfieber, sprich den Wechsel der Seite im Krieg, dass an dessen Ende die internationale Gemeinschaft im Frieden von Oliva Preußen als souveränen Staat anerkannte.

Im Zweiten Nordischen Krieg, setzte der Herzog aber nicht nur außen-, sondern auch innenpolitisch seine Interessen mit Entschiedenheit durch. Nachdem in Königsberg wegen der Kriegslasten ein Aufstand ausgebrochen war, gelang es ihm, die Vertreter der Stände hinter sich zu bringen, den Rädelsführer des Aufstands ließ er verhaften.

Neben dem Königsberger Aufstand gefährdete auch der Streit zwischen Lutheranern und Reformierten den inneren Frieden. Als die von Friedrich Wilhelm geforderte Aussöhnung zwischen Theologen beider Glaubensrichtungen misslang, erließ er 1664 ein Toleranzedikt, das die Grundlage für die Religionsfreiheit im späteren Königreich Preußen bildete. Die liberale Einstellung des Kurfürsten kam Brandenburg zugute, als er sich entschloss, 15000 der in Frankreich grausam verfolgten Hugenotten aufzunehmen. Dieser kluge Schachzug, besiegelt durch das Potsdamer Edikt vom 29. Ok­tober 1685, bescherte seinem Land einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung. Der Große Kurfürst versprach den gut ausgebildeten, strebsamen Hugenotten nicht nur „mehr facilität“, wie es im Edikt heißt, sondern gewährte ihnen auch Privilegien wie Hilfen beim Hausbau und Steuerbefreiung auf einige Jahre. Vor allem rund um Berlin siedelten sich bald erste Industriebetriebe an.

Eher abenteuerlich erscheint der Versuch des Großen Kurfürsten, Brandenburg-Preußen zur Kolonialmacht zu machen. Als Kompagnon eines holländischen Reeders sandte er Handelsschiffe an die afrikanische Westküste, von denen zumindest eines – es konnte Kaperern entkommen – mit Tropenhölzern und Rohgummi nach Pillau zurückkehrte. Ermutigt durch den finanziellen Erfolg beteiligte er sich Anfang der 1680er Jahre an der Gründung der „Afrikanischen Compagnie“, der bald 30 Schiffe gehörten. Die „Friedrich Wilhelm zu Pferde“, die „Churprinz“ und die „Wappen von Brandenburg“ segelten nach Guinea und Puerto Rico. Die Kommandanten hatten den Auftrag, Kolonien zu gründen und Eingeborene unter „brandenburgischen Schutz“ zu stellen. Das wollten sich die Holländer nicht gefallen lassen. In Guinea empfingen sie die lästige Konkurrenz mit Kanonenschüssen. Dennoch gelang es der Besatzung zu landen und die Festung „Groß Friedrichsburg“ zu errichten. Weil seine einstigen Gastgeber immer wieder versuchten, die kolonialen Pläne des Großen Kurfürsten zu torpedieren, plante er eine militärische Strafaktion. Dazu kam es nicht mehr. Friedrich Wilhelm starb mit 68 Jahren am 9. Mai 1688 in Potsdam. Bald nach seinem Tod ging die „Afrikanische Compagnie“ pleite, und die Festung „Groß Fried­richsburg“ verfiel. 200 Jahre später, als das Deutsche Reich am Golf von Guinea die Kolonie Kamerun gründete, waren Grundmauern der Festung noch vorhanden. Klaus J. Groth


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