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27.04.13 / Berechtigtes Misstrauen, gefährliche Starrköpfigkeit / Polnischer Geschichtsprofessor über »Polen zwischen Hitler und Stalin«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-13 vom 27. April 2013

Berechtigtes Misstrauen, gefährliche Starrköpfigkeit
Polnischer Geschichtsprofessor über »Polen zwischen Hitler und Stalin«

„Polen zwischen Hitler und Stalin. Studien zur polnischen Außenpolitik in der Zwischenkriegszeit“ ist ein Sachbuch, wie es Professoren oft vorlegen, gesammelte Aufsätze zu einem Thema, aber nur selten so attraktiv schreiben: faktenreich ohne Verzettelung, gelehrt und leserfreundlich. Autor Marek Kornat, Jahrgang 1971, Geschichtsprofessor in Warschau, verfolgt, wie Polen „nach 123 Jahren der Staatenlosigkeit“ als Staat auferstand, „der zu schwach ist, um eine Großmacht zu sein, aber stark genug, um Aspirationen zu haben, die den Status eines kleinen Staates überschreiten“. Konnte es seine Unabhängigkeit zwischen Sowjetrussland und Deutschland durch Anlehnung, Konzessionen oder Neutralität bewahren? Würde das „Versailler System“ ihm seine multiethnische Gestalt von 1772 wiedergeben, also Weißrussen, Litauer, Ukrainer einverleiben? War sein europäischer Wert so groß, dass „Allianzen“ mit Frankreich und England seine Existenz garantierten, oder war es nur Teil des osteuropäischen „Vakuums“, das der Niedergang der „Teilungsmächte“ (Österreich, Russland, Deutschland) hinterlassen hatte?

Polen kollidierte stets mit der Unvereinbarkeit des Nötigen mit dem Möglichen. Nötig war die Verständigung mit Nachbarn, aber wie war die möglich, wenn Deutsche Gebietsabtretungen und Russen Unterwerfung verlangten? Dazu Territorialprobleme mit kleineren Nachbarn, die Polen den Ruf als „Quelle unerwünschter Konflikte“ eintrugen.

Polens außenpolitische Leitlinien waren Souveränität, Neutralität zwischen Deutschland und Russland, europäische Kooperation („nichts über uns ohne uns“) und was noch „aus seiner Geografie resultierte“ und von ihm in

misstrauischer Kontinuität verfolgt wurde. In London und Paris habe man das als arrogante Starrköpfigkeit empfunden, in Moskau und Berlin hätte man es als Anlass genommen, um Warschau unter Druck zu setzen. Polen habe seine missliche Lage gesehen und sie im „Intermarium“ beheben wollen, einem Block mitteleuropäischer Staaten von der Ostsee bis zur Adria unter Polens Führung. Die Zerschlagung der Tschechoslowakei 1938/39 ließ diese Pläne platzen, Polen betrieb eine „Umkehr der Allianzen“ und beteiligte sich mit Ungarn an der Beraubung der „Erbmasse“ der Ex-CSR, was beiden eine gemeinsame Grenze eintrug.

Zudem: Rumänien misstraute Polen, Italien wies Polens Idee einer „horizontalen Achse Warschau–Rom“ zurück, Jugoslawien war längst auf prodeutschem Kurs. Wäre das für Polen auch eine Option gewesen? Kornat neigt dieser Auffassung zu. Zwar billigt er die Auffassung Polens, dass „der Zugang zum Meer die Garantie der Unabhängigkeit“ sei, aber er sieht auch die potenzielle Sprengkraft, dass „Ostpreußen vom restlichen Deutschland abgetrennt wurde“. Anfänglich sei Hitler bereit gewesen, Probleme mit einem „Korridore im Korridor“ zu mildern, aber Polen habe alle Offerten abgelehnt. Das freute laut dem Autor nur

Moskau, das seine Niederlage gegen Polen 1920 nicht vergessen hatte und nun keinen „gemeinsamen polnisch-deutschen Angriff“ mehr fürchten musste. Nach dem Anschluss Österreichs und der Besetzung des Sudetenlands sah Hitler die deutsche Hegemo-nialposition in Europa greifbar nahe und einigte sich im August 1939 mit Stalin auf eine Aufteilung Osteuropas. Polens schlechte Meinung von Deutschen und Sowjets sei zwar bestätigt worden, aber das sei ein schwacher Trost gewesen. Und so sei Polen das erste Opfer des Zweiten Weltkrieges geworden, denn Frankreich und England kamen ihren Bündnisverpflichtungen Warschau gegenüber nicht nach, was Kornat als Fortsetzung früherer „Appeasement-Politik“ empfindet. Wolf Oschlies

Marek Kornat: „Polen zwischen Hitler und Stalin. Studien zur polnischen Außenpolitik in der Zwischenkriegszeit“, be.bra, Berlin 2012, geb., 303 Seiten, 19,95 Euro


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