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04.05.13 / Gegen Karlsruhes Willen / Bundestag erhielt bei Zypern-Hilfe zu wenig Zeit für eigene Analyse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-13 vom 04. Mai 2013

Gegen Karlsruhes Willen
Bundestag erhielt bei Zypern-Hilfe zu wenig Zeit für eigene Analyse

Bereits Ende März beschlossen die Euro-Finanzminister über eine Finanzhilfe für Zypern, so dass der Gouverneursrat des Rettungsschirms ESM am 24. April der Auszahlung nur formal zustimmen musste. Mit der erst nachträglichen Abstimmung im Bundestag am 18. April zu dem Ministerbeschluss wurden indes die Kontrollfunktionen verletzt, die das Bundesverfassungsgericht dem Parlament ausdrücklich zubilligte.

Der in die Krise geratende Inselstaat erhält zehn Milliarden Euro, von denen neun Milliarden Euro der ESM und eine Milliarde Euro der Internationale Währungsfonds stellt. Zwar ist Zypern mit einem Bruttoinlandsprodukt von weniger als 18 Milliarden Euro eine kleine Volkswirtschaft, dennoch sah die EU weitgehende Gefahren. So könnte eine ungeordnete Entwick-lung in Zypern wichtige Fortschritte untergraben, die 2012 bei der Stabilisierung des Euro-Währungsgebiets erzielt worden seien. Die „negative Signalwirkung“ durch eventuelle massive Abhebungen, zahlungsunfähige Banken, Staatsbankrott und die Gefahr von Verwaltungskontrollen untermauerte die Kommission aber nicht durch Zahlen, sondern verwies vielmehr auf psychologische Aspekte. EU-Kommissar Olli Rehn vertrat zudem von vornherein die Ansicht, dass auch Zypern systemrelevant sei, obwohl es von vergleichsweise geringer wirtschaftlicher Bedeutung ist und der ESM-Vertrag auch eine Ablehnung des Hilfeersuchens ermöglicht hätte. Denn die „Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität“ darf nur als letztes Mittel gewählt werden, wenn es „zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar“ ist. Die bloße Zahlungsunfähigkeit rechtfertigt keine finanzielle Unterstützung.

Dass Papier geduldig ist, zeigte sich auch in der Verletzung des vorgeschriebenen mehrstufigen Entscheidungsverfahrens, bei dem der deutsche Vertreter, in diesem Fall Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, im ESM-Gouverneursrat nur mit parlamentarischem Auftrag entscheiden darf. Der Gouverneursrat soll den Grundsatzbeschluss über die Stabilitätshilfe gewähren, sodann die Kommission die mit der Finanzhilfe verbundenen Auflagen aushandeln und in einem Memorandum of Understanding festhalten.

Bei der Zypern-Hilfe wurde hiervon abgewichen. Dass die Mehrzahl der Bundestagsabgeordneten diesen Affront bei der Abstimmung am 18. April kritiklos hinnahm und in nur einer Sitzung der Gewährung einer Stabilitätshilfe an Zypern und dem längst geschriebenen Memorandum of Understanding zustimmte, weckt Zweifel an der unabhängigen Mandatsaus-übung. Im Grunde hätte das Parlament auf einer eigenen Bewertung bestehen müssen, um dem Ersuchen gegebenenfalls zu widersprechen. Dieses Recht gründet auf dem ESM-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. September 2012, damit der Deutsche Bundestag nicht in die Rolle des bloßen Nachvollzugs kommt und ihm aufgrund seiner haushaltspolitischen Verantwortung entsprechend Zeit für eine Beurteilung und Diskussion zusteht. Faktisch stand das Plenum unter Druck, die vom Kontrollgremium aus EZB, IWF und EU-Kommission ausgehandelten Ergebnisse lediglich gutzuheißen. Ulrich Blode


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