17.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.05.13 / Glänzend aufpolierter Barock / Nach aufwendiger Sanierung steht ein Rokoko-Juwel jetzt dem Publikum offen: Die prunkvolle Schlossanlage bei Brühl

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-13 vom 04. Mai 2013

Glänzend aufpolierter Barock
Nach aufwendiger Sanierung steht ein Rokoko-Juwel jetzt dem Publikum offen: Die prunkvolle Schlossanlage bei Brühl

Die Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl bei Köln gelten mit ihren Gärten und Parkanlagen als Aushängeschild des deutschen Rokoko. 1984 wurde die Anlage im Rheinland in die Unesco-Liste des Welterbes aufgenommen. Nachdem die Schlösser früher als Repräsentationsort der Bonner Regierungen genutzt wurden, kann sie nach umfang­reichen Sanierungsarbeiten jetzt im Frühling auch die Öffentlichkeit bestaunen.

Wer sich in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurückversetzen lassen möchte, ist mit dem Besuch der Brühler Schlösser sowie der blühenden Garten- und Parklandschaft bestens bedient. Während der Führungen werden Meilensteine aus der Geschichte des gesamten Komplexes, insbesondere jedoch des Schlosses Augustusburg vermittelt. So erfahren die Besucher unter anderem, dass die Lieblingsresidenz des Kölner Kurfürsten und Erzbischofs Clemens August von Wittelsbach (1700– 1761) im Jahre 1725 von dem westfälischen Architekten Johann Conrad Schlaun begonnen und von 1728 bis 1768 unter der Leitung des kurbayerischen Hofbaumeisters François de Cuvilliés ausgestaltet wurde.

Das Schloss Augustusburg war als Jagd- und Sommerschloss konzipiert und wurde als solches nur vier bis sechs Wochen im Jahr vom Kurfürsten bewohnt. Im Zweiten Weltkrieg wurden beide Schlösser in Brühl schwer beschädigt und bis 1949 umfangreich restauriert. Bis 1996 diente die Anlage als Repräsentationsschloss des Bundespräsidenten und der Bundesregierung, in dem hochrangige Staatsgäste empfangen wurden. Diesbezüglich gab es im Jahre 2008 eine interessante Ausstellung unter dem Motto „Eine Republik rollt den Teppich aus – Staatsempfänge auf Schloss Augustusburg 1949–1996“, die in den Führungen gebührende Erwähnung findet.

Einer der Höhepunkte ist sicherlich für die meisten Besucher das von Balthasar Neumann entworfene Prunktreppenhaus im Schloss Augustusburg. Wer die Treppe hochsteigt, kommt dem farben- und motivreichen Deckenbild von Carlo Carlone immer näher.

Der 1687 in Eger/Böhmen geborene und 1753 in Würzburg verstorbene Balthasar Neumann war ein berühmter Baumeister des Barock und des Rokoko. Für Kenner und Experten ist das elegant und dynamisch gestaltete Brühler „Bravourstück“ des Baumeisters eines seiner herausragenden Architektur-Schöpfungen.

Der Kunstwissenschaftler Wilfried Hansmann ordnete Neumanns Werk wie folgt ein: „Mit Neumanns Namen ist die Gestaltung der grandiosesten Treppenhäuser des 18. Jahrhunderts in Deutschland verbunden – insbesondere in der Würzburger Residenz, in Schloss Bruchsal und in Schloss Augustusburg zu Brühl.“

Neumann verkörperte den Typus eines technisch versierten Architekten, der stets Lösungen bei komplizierten Bausituationen fand. Sein Ruf verbreitete sich über das Frankenland hinaus und wurde auch vom Kurfürsten Clemens August vernommen, der sich mit Neumann zwischen 1740 und 1745 mehrfach in Bonn und Brühl in Bauangelegenheiten beriet und der ihn schließlich mit Bauplanungen beauftragte. Für die Schlosskirche in Brühl entwarf Neumann den Ziborienaltar und für die Wallfahrtskirche auf dem Bonner Kreuzberg eine „Heilige Stiege“.

Im Rahmen von Führungen werden in Brühl sowohl die offiziellen Paradezimmer des Großen Neuen Appartements besichtigt wie auch die mit bemalten holländischen Fliesen dekorierten Sommerappartements. Der Speise- und Musiksaal, das Badekabinett oder der Gardensaal bieten Einblicke in das facettenreiche fürstliche Leben.

Ein Kleinod für sich ist das nahe gelegene Lust- und Jagdschloss Falkenlust, das von 1729 bis 1740 für die damals besonders beliebte Falkenjagd erbaut wurde. Dieses Schloss wird übrigens als eine der kostbarsten Schöpfungen des deutschen Rokoko bezeichnet. Den Räumen haben die Baumeister im Gegensatz zu jenen mit repräsentativem Anspruch im Schloss Augustusburg eher den Charakter des Privaten und Wohnlichen verliehen. So findet man in den Kabinetten beispielsweise kostbare japanische Lack­platten und Setzschirme.

Ein Spaziergang durch das im 19. Jahrhundert von Peter Joseph Lenné zu einem englischen Landschaftsgarten umgestaltete Areal lohnt sich allemal. Ab 1842 gestaltete Lenné für Friedrich Wilhelm IV. von Preußen den Brühler Park als englischen Landschaftsgarten, dessen Elemente heute noch den Waldbereich bestimmen. Baumpartien und Wiesenflächen wechseln sich ab, so dass sie die Grundstimmung weitgehend prägen. Lenné bezog auch die Eisenbahnstrecke der 1844 eröffneten Linie Köln–Bonn als technische Sensation in sein Gartenbauprojekt mit ein.

Peter Joseph Lenné – geboren 1789 in Bonn und verstorben 1866 in Potsdam – war ein berühmter preußischer Gartenkünstler und Landschaftsarchitekt des deutschen Klassizismus. Charakteristische Merkmale seiner Landschaftsgestaltung sind die vielfältigen Sichtachsen, mit denen er einzelne Parkanlagen optisch miteinander verband. Der Park stellt ein Denkmal der Gartenkunst von international anerkanntem Rang dar. Mittelpunkt ist das große zweiteilige „Broderieparterre“ („Stickerei“: vom französischen „broderie“) mit runden und vierpassförmigen Fontänenbecken. Die Anlagen rund um die Schlösser wurden wegen ihrer historischen Bedeutung als Teil der „Straße der Gartenkunst an Rhein und Maas“ klassifiziert.

Nach der Winterpause stehen die meisten Räumlichkeiten des Schloss-Ensembles in Brühl neugierigen Gästen seit Frühlingsanfang erneut zur Verfügung, auch wenn die begonnenen umfangreichen Baumaßnahmen teilweise noch anhalten. So etwa wird fleißig an der Schlossterrasse gearbeitet. Das Hauptproblem dieses Bauwerkes war die im Laufe der Zeit eingedrungene Feuchtigkeit. Ursprünglich sollte ein Revisionsgang im Unterbau der Terrasse entlang der Außenwände angelegt werden. Hierdurch wäre die Kontrolle der Entwässerungsleitungen und die der historischen Bausubstanz auf Schädigungen ermöglicht worden.

Im Rahmen der Bauarbeiten stellte sich jedoch heraus, dass die Verdichtungsarbeiten zu starken Schwingungen des Schlossgebäudes geführt hätten. Um die wertvolle, aus Fliesen und Stuckaturen bestehende Innenausstattung nicht zu gefährden, wurde eine konzeptionelle Überarbeitung erforderlich. Diese beinhaltet die Schaffung eines Hohlraumes unter der kompletten Terrassenanlage. In diesen Hohlraum konnten auch die archäologischen Funde, die bei den Ausschachtungsarbeiten freigelegt wurden, integriert werden. Es handelt sich um die Unterkonstruktion des vom Architekten Johann Conrad Schlaun ab 1725 begonnenen ersten Schlossbaus.

Zusätzlich zur konzeptionellen Änderung waren umfangreiche statische Sicherungsmaßnahmen erforderlich. Die Umplanung und die statischen Sicherungsmaßnahmen haben dazu geführt, dass die Fertigstellung der Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten voraussichtlich Ende 2013 erfolgt. Damit ist gewährleistet, dass dieses Unesco-Erbe auch auf lange Sicht als Publikumsmagnet viel Geld in die Eintritskassen spült. Dieter Göllner


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren