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11.05.13 / Ungeschönte Vergangenheitsaufarbeit / Polnische Nachwuchshistorikerin analysiert die Polonisierung der Deutschen in Posen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-13 vom 11. Mai 2013

Ungeschönte Vergangenheitsaufarbeit
Polnische Nachwuchshistorikerin analysiert die Polonisierung der Deutschen in Posen

Die Stadt Posen [Poznan] war für die Polen das historische Zentrum der Region „Großpolen“ und zugleich ein stiller Konkurrent von Warschau und Krakau. Im Königreich Preußen hingegen war die zu etwa 60 Prozent von Polen bewohnte Stadt nur eine Großstadt neben vielen anderen und hatte Bedeutung als Hauptstadt und Verwaltungszentrum der gleichnamigen Provinz. Durch den bewaffneten „Großpolnischen Aufstand“ Ende 1918 gingen Stadt und Provinz in polnische Hand über und wurden in den Folgejahren radikal „entdeutscht“ beziehungsweise „polonisiert“. Ein analoger Vorgang fand 1945 statt, als die 1939 im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges dem Deutschen Reich eingegliederte und teilweise regermanisierte Stadt wieder in polnische Verwaltung überging. Anna Moskal, eine polnische Doktorandin der Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, untersucht und vergleicht in ihrer lesenswerten Dissertation diese beiden Polonisierungsprozesse am konkreten Beispiel der „Posener Messe“, der Posener Oper und am Posener katholischen, evangelischen und jüdischen Friedhofswesen.

Obwohl die Verfasserin leise Töne bevorzugt, gibt sie in ihren Schilderungen stets der Wahrheit die Ehre, auch wenn diese für Polen zumeist nicht besonders ehrenvoll ausfällt. Letzterer Umstand ist bemerkenswert, denn Moskal benutzte nur polnische archivalische Quellen, keine deutschen. Auch die verwendete Memoirenliteratur ist rein polnisch sowie größtenteils auch die wissenschaftliche Sekundärliteratur. Dieser Umstand ist übrigens Doktorvater Philipp Ther entweder gar nicht aufgefallen, was bemerkenswert wäre, oder von ihm für gut befunden worden, was noch seltsamer anmutet. Moskal arbeitet eindeutig heraus, dass im Ergebnis diskriminierender Polonisierungsmaßnahmen ab 1918 der Anteil der deutschen und jüdischen Stadtbevölkerung rasant zurückging und alle Zeichen einstiger preußischer Herrschaft nach Möglichkeit beseitigt oder verdeckt wurden. Posen und seine polnischen Bewohner hätten sich bei diesem Prozess zugleich gegen starke Eingriffe der Zentralmacht in Warschau ins kommunale Leben wehren müssen. Auch galten die „Posener Polen“ im Gegensatz zu den vormals russischen „Kongresspolen“ und den einstmals österreichischen Polen als „angermanisiert“. Posener zeichnen sich übrigens noch heute in ihrer Eigenwahrnehmung gegenüber den übrigen Polen durch Fleiß, Ordnungsliebe und Wirtschaftlichkeit aus, wie die Verfasserin eruierte.

Nach 1945 bestand die Hauptaufgabe der Repolonisierung nicht mehr in der Austreibung der (ohnehin bereits verschwundenen) deutschen Wohnbevölkerung, Nunmehr wurde durch die polnischen Kommunisten mit den bürgerlichen Polen abgerechnet, die beispielsweise, wie der einstige Leiter der polnischen Oper in Posen, es gewagt hatten, für die deutsche Volksliste zu optieren. Die zahlreichen Kriegsschäden wurden zum willkommenen Anlass genommen, nunmehr das äußere, städtebauliche Antlitz der Stadt weitestgehend zu entgermanisieren, wie Anna Moskal am Beispiel des „Oberschlesischen Turmes“ auf dem Gelände der Posener Messe darlegt. Posen ist heute eine der „grünsten“ Städte Europa. Dieser schon zu preußischer Zeit durch die Einebnung der einstigen Befestigungsanlagen eingeleitete Prozess fand seinen Fortgang in der Zwischenkriegszeit, als man vorrangig die evangelischen (also deutschen) und jüdischen Friedhöfe der Innenstadt zu Parkanlagen umgestaltete. Relativ überraschend ist die Erkenntnis Moskals, dass man ab 1945 hier eindeutig auf den Spuren des gesetzgeberischen Handelns und städteplanerischen Denkens der verhassten Okkupationszeit von 1939 bis 1945 wandelte.

Anna Moskal ist ihrer Pflicht als Historikerin gerecht geworden, indem sie wahrheitsgetreu und gleichzeitig kritisch die zweifache Polonisierung von Posen beschrieb. Bei Nutzung deutscher Primärquellen, zum Beispiel aus dem Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin, wäre das Bild wohl noch viel kritischer ausgefallen. Jürgen W. Schmidt

Anna Moskal: „Im Spannungsfeld von Region und Nation. Die Polonisierung der Stadt Posen nach 1918 und 1945“, Harassowitz Verlag Wiesbaden 2013, geb., 298 Seiten, 56 Euro


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