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18.05.13 / Wer hellt uns Blöden den Blick?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-13 vom 18. Mai 2013

Wer hellt uns Blöden den Blick?

Das einzig Störende an Wagner seien die Inszenierungen, heißt es oft nach missglück­ten Premieren von Wagner-Opern. Wenn es nicht gerade ein „Jahrhundert-Ring“ ist – jene legendäre Bayreuther Inszenierung von Patrice Chéreau von 1976 –, dann sind häufig Opernvernichter am Werk wie zuletzt in Düsseldorf, wo eine skandalöse „Tannhäuser“-Inszenierung abgesetzt wurde (siehe Seite 8). Das Publikum dort hat jetzt das Glück, die Oper konzertant zu erleben, ganz ohne von der Musik ablenkende Bilder.

Was die Sache bei Wagner aber noch schwieriger macht, ist die archaische Sprache. Kaum einer versteht, was mit „Wer hellte den Blöden den Blick“ gemeint ist. Man muss schon Linguist sein, um zu wissen, dass „blöd“ früher „blind“ meinte.

Als „bombastisches Alliterationsgewitter“ verspottete der Kritiker Hanslick Wagners Stabreime. Da singen die Rheintöchter: „Weia! Waga! Woge du Welle, walle zur Wiege! Wagalaweia! Walla weiala weia!“ „Au weia“, möchte man hinzufügen. Es gehörte zu Wagners Selbstverständnis als Herrscher über seine Kunst, dass er nicht wie andere Komponisten mit Textdichtern kooperierte, sondern die Libretti selbst verfasste. Seine Texte, befand denn auch Thomas Mann, seien „als sprachliche Gebilde nicht haltbar“.

Aber was fasziniert uns dann an Wagner? Doch nicht die fern jeder Realität sich abspielende Handlung in einer germanischen Fantasy-Welt. Sein Zeitgenosse Verdi brachte da mit Liebe, Lust und Leidenschaft viel spannungsgeladenere Dramatik auf die Bühne. Es scheint, als ob die rauschhafte Musik Wagners den Zuhörern den Blick trübt auf das, was sich auf der Bühne vollzieht. Dank dieser Wirkung überstehen die Wagner-Opern jede schlechte Inszenierung. Tws

 

Zeitzeugen

Richard Wagner – Am 22. Mai 1813 in Leipzig geboren, hat er mit seinen 13 vollendeten Musikdramen die Opernwelt durchgerüttelt. Daneben verfasste er musiktheoretische und philosophische Schriften. In Königsberg, wo er als Kapellmeister tätig war, heiratete er 1836 die Schauspielerin Minna Planer. Nach der Trennung spannte er dem Dirigenten Hans von Bülow dessen Frau Cosima aus, die eine Tochter des Komponisten Franz Liszt war, heiratete sie 1870 und siedelte mit ihr in die „Villa Wahnfried“ nach Bayreuth über. Nach Wagners Tod in Venedig am 13. Februar 1883 war Cosima die „Gralshüterin“ über die Bayreuther Festspiele.

Winifred Wagner – Als Herrin von „Villa Wahnfried“ arrangierte Cosima Wagner 1915 die Ehe ihres Sohnes Siegfried mit der Britin Winifred Williams. Nach Siegfrieds Tod im Jahr 1930 übernahm sie die Leitung der Festspiele und streute als fanatische Nationalsozialistin Hitler, den sie schon 1923 kennengelernt hatte, Blumen aus, der die Festspiele als Propaganda-Bühne nutzte.

Houston Stewart Chamberlain – Der aus wohlhabendem englischen Adel stammende Chamberlain begann, sich auf einer Europareise für Deutschland zu begeistern. In Bayreuth stieß er bis zum inneren Wagner-Zirkel vor und heiratete die Wagner-Tochter Eva. Sein antisemitisches Buch „Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts“ von 1899 hatte immensen Einfluss auf die Rassentheorien der Nationalsozialisten.

Katharina Wagner – Nach familieninternen Kämpfen setzte sich die 35-jährige Urenkelin Wagners als Nachfolgerin ihres Vaters Wolfgang Wagner in der Festspielleitung durch. Seit 2008 amtiert sie zusammen mit ihrer fast doppelt so alten Halbschwester Eva Wagner-Pasquier. Als Regisseurin versucht sie, mit modernen Inszenierungen die Festspiele politikfrei und salonfähig zu halten.


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