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18.05.13 / Wenn Schwarzarbeit amtlich wird / Staaten schönen ihre Wirtschaftsbilanz und drücken so scheinbar ihren Schuldenstand

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-13 vom 18. Mai 2013

Wenn Schwarzarbeit amtlich wird
Staaten schönen ihre Wirtschaftsbilanz und drücken so scheinbar ihren Schuldenstand

In der Euro-Zone greifen Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft immer mehr um sich. Trotz massiver Steuerausfälle können einige Regierungen mit einem Trick davon sogar noch profitieren.

Angesichts immer neuer Krisenmeldungen über den wirtschaftlichen Niedergang Europas ist es ein erstaunlicher Befund, mit dem das „Tax Research Institute“ aufwartet. Mehr als ein Fünftel aller wirtschaftlichen Aktivität in Europa – rund 3,55 Billionen Dollar – läuft am Fiskus vorbei. Das errechnete Volumen der Schattenwirtschaft in Europa entspricht damit etwa der deutschen Wirtschaftskraft. Kaum überraschend ist, welche Länder „Tax Research“ als Hochburgen von Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft ausgemacht hat: Bulgarien und Rumänien, in denen rund ein Drittel aller Wirtschaftsaktivitäten an der Steuer vorbei läuft, und die Euro-Krisenländer in Südeuropa. Allein in Spanien werden jährlich durch Schwarzarbeit Arbeitskosten in Höhe von über 200 Milliarden Euro am Finanzamt vorbeigeschmuggelt. In keinem anderen Industrieland ist Schwarzarbeit allerdings so weit verbreitet wie in Griechenland. Fast jede vierte Arbeit wird unter der Hand vergeben, der Gegenwert der Schwarzarbeit wird auf rund 60 Milliarden Euro geschätzt. Italien ist wiederum das EU-Land, das insgesamt den größten Steuerausfall durch die Schattenwirtschaft davonträgt: Geschätzte 180 Milliarden Euro an Steuern entgehen dem italienischen Staat jährlich.

In derartigen Zahlen steckt weitaus mehr Brisanz, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. In 16 EU-Ländern überschreiten die jährlichen Steuerausfälle durch den Schattensektor die Defizite im Staatshaushalt. Mit Blick auf die Krisenstaaten, die bereits Euro-Rettungspakete erhalten haben, wird damit vollends fragwürdig, warum Steuerzahler anderer Länder zur Kasse gebeten werden. De facto werden die Steuereinnahmen, die durch Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft auf nationaler Ebene fehlen, durch die Steuereinnahmen anderer Länder ersetzt, in denen die Bürger mehr Steuerehrlichkeit aufbringen.

Die wirtschaftlichen Aktivitäten jenseits von Steuern und Behörden haben durch die gemeinsame Währungsunion allerdings noch ganz andere Auswirkungen. Nicht einheitlich geregelt und damit völlig intransparent ist etwa, wie die illegalen Wirtschaftsaktivitäten bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) berücksichtigt werden sollen. Dem Jonglieren mit Zahlen – etwa um die staatliche Neuverschuldung in Richtung Maastricht-Kriterien zu trimmen – steht damit nichts im Wege. Schon im Vorfeld der Euro-Einführung gab es den Verdacht, dass einige südeuropäische Länder statistisch auf die Schattenwirtschaft zurückgegriffen haben, um sich wirtschaftlich in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Speziell im Fall von Italien ist der Vorwurf laut geworden, dass mit der Einbeziehung des illegalen Wirtschaftssektors in die Statistik das BIP auf clevere Weise vergrößert wurde. Der Trick geht wie folgt: Durch die rechnerisch gesteigerte Wirtschaftsleistung verringerte sich relativ gesehen der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP. Wenn es in den kommenden Jahren darum geht, Brüssel und Berlin zu beweisen, dass neu aufgenommene Staatsschulden halbwegs im Einklang mit den Maastricht-Kriterien stehen, dürfte diese Praxis neue Triumphe feiern. Dass der erhöhten Wirtschaftskraft keine entsprechend höheren Steuereinnahmen gegenüberstehen, dürfte dem Treiben zunächst einmal keinen Abbruch tun. Ohnehin hat Italien bis heute daran festgehalten, die Schattenwirtschaft massiv mit in die Wirtschaftsstatistik einzubeziehen. Im Jahr 2012 stammten rund 16 Prozent des offiziell ausgewiesenen BIP nicht aus der „offenen“ Wirtschaft, sondern gemäß Schätzungen italienischer Statistiker aus der Untergrundwirtschaft. Hochrechnungen etwa der Industrieländerorganisation OECD gehen allerdings regelmäßig davon aus, dass Italiens Schattenwirtschaft mindestens ein Viertel der offiziellen Wirtschaftsleistung umfasst – andere Schätzungen halten sogar 40 Prozent für realistisch. Damit wäre der erwirtschaftete Wohlstand in Italien sogar um einiges höher, als es die offiziellen Zahlen wiedergeben.

Einen spektakulären Niederschlag dürfte dieses Wirtschaften außerhalb der Statistik in der unlängst veröffentlichten Untersuchung der EZB über die Haushaltsvermögen in der Euro-Zone gefunden haben. Im Schnitt war in den privaten Haushalten in den Euro-Krisenländern deutlich mehr Vermögen vorhanden, als im „reichen“ Deutschland. Daraus resultierende Bemühungen, die hohen Anteile der Schatten-ökonomie an der nationalen Wirtschaftskraft einiger Länder in Brüssel zum Thema zu machen – etwa wenn es darum geht, wer in der EU welche Lasten schultern soll –, sind bisher aber nicht erkennbar. Solange dies so bleibt, sind die Bürger derjenigen EU-Länder die Dummen, die eine hohe Steuermoral haben.

Kaum verwunderlich ist es so, dass inzwischen auch in Deutschland die Schattenwirtschaft immer stärker wächst. Betrug sie im Jahr 1975 nur 5,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, so gehen die aktuellen Schätzungen bereits in Richtung auf 17 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Norman Hanert


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