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18.05.13 / Über politischen Mord und klammheimliche Freude

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-13 vom 18. Mai 2013

Moment mal!
Über politischen Mord und klammheimliche Freude
von Klaus Rainer Röhl

Gibt es einen Unterschied zwischen den Morden der „Rote Armee Fraktion“ (RAF) und denen, die der Thüringer Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zur Last gelegt werden? Kann man die beiden Gruppen überhaupt vergleichen? Darf man das offen aussprechen? Ich bin so frei.

Die Gruppe, die sich selber NSU nannte, brachte mutmaßlich zehn Menschen um, durch das Splitterbombenattentat in Köln wurden viele weitere verletzt. 34 Menschen wurden Opfer der RAF. Getötet wurde in beiden Fällen angeblich aus politischen Gründen. Mit erkennbar absurden Begründungen. Bei der NSU, um Einwanderer abzuschrecken und zu verunsichern, bei der RAF, um die USA an der Fortsetzung des Vietnamkriegs zu hindern. Kein amerikanischer Soldat solle sich auf deutschem Boden sicher fühlen dürfen, solange die USA in Vietnam Krieg führten, sagte Andreas Baader. Später, als der Bandenchef im Gefängnis war, tötete die Gruppe auch den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, den Generalbundesanwalt Siegfried Buback und noch zahlreiche andere.

In der nächsten Woche beginnt der Prozess gegen Beate Zschäpe. Von den Nebenklägern, den Angehörigen der getöteten ausländischen Mitbürger und ihren Fürsprechern bis hin zum türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu und ganz besonders den türkischen Zeitungen werden mehr oder weniger offen deutsche Behörden und ihre Beamten, ja, nach dem Gerangel um die Presseplätze sogar die Münchner Justiz ziemlich unverhohlen beschuldigt. Sie hätten eventuell eine stillschweigende Sympathie für die NSU-Leute gehegt, oder sie sogar unterstützt. Das ist Propaganda und zwar, sagen wir es ganz offen, deutschfeindliche Propaganda, die sich in diesen Wochen über unser Land und seine Kanzlerin ergießt. Wahr ist: Niemand zeigt in Deutschland auch nur die Spur einer Sympathie für diese Morde. Das Erschrecken über die Taten und die Abscheu sind allgemein.

Das war allerdings anders, als von der RAF Menschen in Deutschland ermordet wurden. Als die Kämpfer der Rote Armee Fraktion auf eigene Faust den USA den Krieg erklärten und auch gleich damit anfingen zu schießen, Geld für die Logistik durch ein paar Banküberfälle zu beschaffen und dann die ersten Leute umzubringen. Da gab es eine ziemlich große Sympathie in breiten Kreisen der Intelligenz. Als Siegfried Buback unter bis heute ungeklärten Umständen von bis heute nicht bekannten Tätern ermordet wurde, gab es unter den linken Studenten und Mitgliedern der kommunistischen Splittergruppen sogar Sympathien für die Mörder. Und einer von ihnen, ein Göttinger Student und Mitglied der Splittergruppe „Undogmatischer Frühling“ sprach es auch offen aus. Im Blatt des AStA und unter dem Decknamen „Mescalero“. Er könne die Nachricht vom Tod Bubacks „nicht ohne klammheimliche Freude lesen“. Und, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, fügte er hinzu: „Ehrlich, ich bedauere es ein wenig, dass wir dieses Gesicht nun nicht mehr in das kleine, rotschwarze Verbrecheralbum aufnehmen können, das wir nach der Revolution herausgeben werden, um des meistgesuchten und meist gehassten Verbrechers der alten Welt habhaft zu werden.“ Jürgen Trittin, zeitweise AStA-Mitglied und Präsident des Studentenparlaments von Göttingen, verteidigte in einer Rede vor den Studenten den

„Mescalero“-Aufruf. Es sei eine „trotzige Verteidigung der Diskussionsfreiheit gewesen“, so Trittin später.

Hat sich Trittin geändert, seit er den Artikel des „Mescalero“ gelesen hat? Klammheimliche Freude über Bubacks Ermordung, heute noch nachvollziehbar? Und „Verbrecheralbum am Tage der Revolution“? Schließlich war Trittin Mitglied im „Kommunistischen Bund Westdeutschlands“, dessen Mitglieder, wenn ich mich recht erinnere, die KPD und die SED zu wenig aktiv fanden. Eher sympathisierte man mit Mao, der nicht gerade zimperlich im Umgang mit Gegnern war. In diesen Kreisen sah man das Töten von Menschen nicht als Mord an, sondern als Teil der Kriegführung, Maos Wort: „Bestrafe einen – erziehe hundert“ meint den politischen Mord.

Einmal Kommunist – immer Kommunist?

Ich war ja auch mal Kommunist. 1964. Das war ein Fehler. Ich habe das nicht nur erkannt, sondern es auch öffentlich bekannt. Durch mein Buch „Fünf Finger sind keine Faust“. Später habe ich noch deutlicher werden wollen und mein Doktor-Examen bei Ernst Nolte abgelegt. Da hat jeder verstanden, wo es langgeht.

Von Trittin dagegen habe ich noch nie eine eindeutige Distanzierung vom „Kommunistischen Bund Westdeutschlands“ gehört. Auch nicht von der klammheimlichen Sympathie. Bis etwas passierte. 2001. Trittin ist bereits Minister im rot-grünen Kabinett. Im Intercity nach Hamburg trifft er zufällig Michael Buback, den Sohn eines der RAF-Opfer. Und dieser fragt ihn höflich, ob er sich nun von dem Mes-calero-Aufruf distanziere. Trittin eiskalt: „Warum sollte ich?“ Doch Buback ist gerade unterwegs zu Sabine Christiansens Talkshow und erzählt dort noch am gleichen Abend von seinem Erlebnis. Peinlich. Machtpolitiker Trittin handelt prompt. Er bittet den Sohn des Ermordeten telefonisch um Entschuldigung und schickt noch eine schriftliche Erklärung nach, als das nicht genügt: Der Mord an Buback sei eines der schlimmsten Verbrechen des Terrorismus im Deutschland der 70er Jahre. Schnell reagiert – Ministerposten behalten.

Wenn wir uns darüber einigen könnten, dass die Tötung eines Menschen eines der schlimmsten Verbrechen ist, sollten wir auch den Schluss daraus ziehen, dass die „klammheimliche Freude“ über einen Mord der Billigung, ja sogar der Aufforderung zum Weitermachen gleichkommt. Alles vergessen?

Und was ist aus dem Helden der Geschichte, dem mutigen und geheimnisvollen Göttinger „Mes-calero“ geworden? Er hat brav zu Ende studiert, wurde Lehrer für Deutsch als Fremdsprache an der Universität, heißt Klaus Hülbrock, ist seit 2007 (vorzeitig) pensioniert und lebt in Weimar. An seine klammheimliche Freude erinnerte er sich auf Befragen der „Süddeutschen Zeitung“ denn doch und bekannte in einem Brief an Michael Buback, dass ihm jetzt die damals auf den ermordeten Generalstaatsanwalt Buback gemünzten Worte weh täten. Sie lesen richtig: Ihm selbst. Das ist offenbar nicht einmal zynisch, sondern ernst gemeint. Statt über politischen Mord denkt er gegenwärtig über – Gurken nach. Heute betreibt der Ruheständler in Weimar eine literarische Quasselrunde namens „Goethes Gurkentruppe“, weil Goethe angeblich gern Gurken aß. Guten Appetit und ein gutes Gewissen. Mord verjährt nicht, aber klammheimliche Freude kann niemand verbieten.

Die vielen Klammheimlichen von damals leben mitten unter uns. Sie sitzen im Deutschen Bundestag, schreiben in unseren Zeitungen, beschließen Gesetze über unsere Steuern oder unterweisen unsere Enkelkinder im Kampf gegen rechts. Im Kampf gegen links bleiben sie blind.


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