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18.05.13 / Als erste Frau schneller als der Schall / Jacqueline Cochran hält die meisten internationalen Geschwindigkeits-, Strecken- und Höhenrekorde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-13 vom 18. Mai 2013

Als erste Frau schneller als der Schall
Jacqueline Cochran hält die meisten internationalen Geschwindigkeits-, Strecken- und Höhenrekorde

Am 19. Mai 1953 steuerte sie eine Canadair „Sabre Mk. 3“, einen kanadischen Lizenzbau der amerikanischen North American F-86 „Sabre“, über einen Messkurs nahe des Erprobungszentrums der US-Luftwaffe und erreichte in einem flachen Sturzflug Mach 1, sprich Schallgeschwindigkeit. Sie wiederholte den Flug, weil beim ersten Mal niemand am Boden einen Überschallknall gehört hatte. Dieses Mal verursachte der Knall eine Panik auf einer nahe gelegenen Hühner­farm. Als sich der Farmer beschwerte, antwortete sie: „Zeigen Sie mir die toten Hühner, und ich bezahle!“ Diese Geste fiel Cochran leicht, denn sie war nicht nur eine bekannte Fliegerin, sondern auch Inhaberin eines florierenden, international tätigen Kosmetikunternehmens.

Jacqueline oder „Jackie“ Cochran kam aus sehr einfachen Verhältnissen. Geboren um 1906 in Florida, wuchs sie als Pflegekind bei einer armen Familie auf. Cochran war nicht ihr richtiger Familienname, sondern einer, den sie sich im Telefonbuch ausgesucht hatte. Als Kind arbeitete sie zunächst in einer Baumwollspinnerei, dann in einem Schönheitssalon, in dem sie als Friseurin ausgebildet wurde.

Etwa 1921 trat sie eine Stelle in einem Schönheitssalon in Montgomery, Alabama an, legte sehr erfolgreich Dauerwellen auf Provisionsbasis und war schließlich Mitinhaberin. Aus dem Waisenkind war eine erfolgreiche Geschäftsfrau geworden. 1929 ging sie nach New York, um dort für einen Salon auf der Fifth Avenue zu arbeiten. 1932 lernte sie den jungen Unternehmer Floyd Odlum kennen, den sie 1936 heiratete. Odlum gehörte damals die Atlas Aircraft Corporation, aus der später der Luftfahrtkonzern Convair hervorgehen sollte. Ihm erzählte sie von ihrem Traum, eine eigene Kosmetikfirma zu gründen.

Zu Zeiten der Großen Depression klang das mehr als nur ein bisschen verrückt. „Um das Gebiet abzudecken, das in diesem wirtschaftlichen Klima nötig ist, um Geld zu verdienen, brauchst du Flügel“, sagte Odlum, „mach’ den Pilotenschein!“ Cochran wettete mit ihm, dass sie ihre Lizenz in drei Wochen schaffen würde, und meldete sich bei einer Flugschule auf Long Island an. Drei Wochen später machte sie ihren ersten Alleinflug. Odlum hatte seine Wette verloren und bezahlte ihren Flugschein.

Damit begann ihre zweite Karriere als Fliegerin. 1934 nahm sie als erste Frau am Mac­Robertson-Luftrennen von London nach Australien teil, ein Jahr später am Bendix Tanscontinental Air Race zwischen Los Angeles und Cleveland. Im selben Jahr verwirklichte sie ihren Traum und gründete „Jaqueline Cochrane Cosmetics“, ein Unternehmen, das sie bis 1964 leiten sollte. Es machte sie reich.

In den 30er Jahren setzte sie nicht nur durch ihre Rennteilnahmen Maßstäbe. Sie testete den ersten Turbolader, der jemals in ein Flugzeugtriebwerk eingebaut wurde, und 1938 erprobte sie das erste Flugzeug mit Tanks in den Tragflächen, eine Seversky P-35, den damals modernsten US-amerikanischen Jäger. Als erster Mensch flog sie mit einer Sauerstoffmaske über 6000 Meter hoch. Und sie war die erste Pilotin, die nur mit Instrumenten landete. 1938 gewann sie das Bendix-Rennen. Zudem erhielt Cochran zahlreiche Auszeichnungen für ihre fliegerischen Leistungen. Die wichtigste war die „Harmon Trophy“, die höchste fliegerische Auszeichnung, die Amerika zu vergeben hatte. Sie sollte noch 13 weitere „Harmon Trophies“ gewinnen.

Im Zweiten Weltkrieg baute sie die „Women Air Service Pilots“ (WASP) auf, die für das US-Militär Flugzeuge erprobte und nach Großbritannien überführte, wo sie dann den Kampfpiloten für ihre Einsätze übergeben wurden. Rund 1000 Frauen flogen rund 60 Millionen Meilen für die US-amerikanischen Luftstreitkräfte und steuerten so ziemlich jeden Typ, der damals gebaut wurde.

Nach dem Krieg nahm Cochran wieder an Luftrennen teil und lernte, die neuen Düsenjäger zu fliegen. Sie hatte Fluglehrer wie den Kampfflieger und Testpiloten Chuck Yeager, der 1947 als erster die Schallmauer durchbrach. Nach dem Krieg erwuchs der US-Amerikanerin jedoch auf dem europäischen Kontinent mit der französische Fliegerin Jacqueline Auriol eine ernsthafte Herausforderung. Die elf Jahre jüngere Europäerin kam im Gegensatz zu ihr aus großbürgerlichen Verhältnissen. Auriols Ehemann Paul Auriol war der Sohn des französischen Nachkriegspräsidenten Vincent Auriol, dessen Sekretärin Jacqueline einige Jahre gewesen war. Allerdings fand sie den Job langweilig. Ihr Mann Paul, ebenfalls Pilot, unterstützte sie dabei, das Fliegen zu lernen. Also lernte Auriol Kunstfliegen und ließ sich zur Testpilotin ausbilden. Zwischen 1948 und 1954 bestand sie Prüfungen für sechs verschiedene Pilotenscheine, einschließlich der Lizenz für Militärpiloten und zum Steuern von Hubschraubern. Aber 1949 stürzte sie in einem Wasserflugzeug ab und überlebte nur mit schweren Verletzungen und Verbrennungen. In über 20 Operationen musste ihr Gesicht wiederhergestellt werden. Bei einem Aufenthalt in den USA lernte sie Jackie Cochran kennen. Die beiden waren zunächst befreundet, aber die Jagd nach dem Geschwindigkeitsrekord und dem Titel „Schnellste Frau der Welt“ machte sie zu Konkurrentinnen.

1951 brach Auriol den bis dahin von Cochran gehaltenen Geschwindigkeitsrekord für Frauen in einer DeHavilland „Vampire“. Dem folgte zwei Jahre später Cochrains Überschallflug vom 19. Mai 1953. Danach wechselte der Titel „Schnellste Frau der Welt“ neunmal zwischen beiden hin und her. Auriol flog zunächst „Mystère“-Jets, dann die legendäre und ebenfalls von Dassault Aviation produzierte „Mirage III“, als es darum ging, Mach 2 zu überschreiten. Jackie Cochran steuerte den damals neuen Überschalltrainer Northrop T-38 „Talon“, schließlich eine Lockheed F-104. Mit dem „Starfighter“ flog sie dann am 11. Mai 1964 rund 2300 Kilometer pro Stunde schnell und stellte damit einen Geschwindigkeitsrekord auf, der bis heute ungebrochen ist. Cochran starb 1980; Auriol überlebte sie um 20 Jahre. Friedrich List


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