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18.05.13 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-13 vom 18. Mai 2013

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

„Zwischen Braunsberg und Trakehnen, wo die Wiesen am weitesten sind, da wehen der Rosse Mähnen im scharfen Ostseewind. Kaum ruhen die Schlittenkufen vom Winter aus im Haus, jagt alles auf raschen Hufen in des Frühlings Freiheit hinaus.“ So beginnt eines der schönsten Gedichte der Dichterin Erminia von Olfers-Batocki, „Trakehner Blut“, und es leitet so gut unsere heutige Kolumne ein. Denn jetzt genießen auch wir des Frühlings Freiheit nach einem langen Winter, es ist Pfingsten, und die Griesgrämigkeit der grauen Vorfrühlingstage ist vergessen. Der Hauptgrund aber, dass ich diesen Vers aus dem Trakehner-Gedicht ausgesucht habe, liegt in unserer ersten Frage, die Frau Iris Gugath aus Dortmund stellt. In einem Urlaub auf der Insel Usedom sah sie in einem Antiquitätengeschäft ein Pferdebild, das der geborenen Ostpreußin so gefiel, dass sie es sofort erstand. Es soll aus dem 19. Jahrhundert stammen, aber nähere Angaben waren nicht vorhanden, auch nicht über den Maler. Die Signatur ist zwar gut leserlich, doch niemand konnte den Namen einwandfrei erklären. Der erste Buchstabe des Nachnamens dürfte ein A sein. Auf der Rückseite des Bildes befindet sich ein Stempel mit den Initialen G. z. H., der vielleicht auf eine Kunsthandlung hinweist. Bei dem Künstler handelt es sich wahrscheinlich um einen passionierten Pferdemaler. Deshalb ist es möglich, dass sich weitere Bilder von ihm in Privatbesitz oder in Museen befinden. Vielleicht erinnert sich auch jemand an ein ähnliches Gemälde, das in einem ostpreußischen Gutshaus hing. Auch Frau Gugaths Mutter Ruth Sprockhoff geborene Kahle stammte von einem ostpreußischen Landbesitz – von Gut Zöpel, Kreis Mohrungen. In ihrem Nachlass fand die Tochter ein Trakehnerbuch, mit dem sie sich intensiv beschäftigte – vielleicht trug es mit dazu bei, dass sie das Pferdebild erwarb. Jeder Hinweis auf den Maler wäre Frau Gugath willkommen. Auch ein anderes Bild, das ihre Heimatstadt Königsberg im Winter zeigt, beschäftigt unsere Leserin. Es befand sich im Besitz einer guten Bekannten von ihr aus Memel. Nun ist Pfingsten nicht gerade die richtige Zeit für die Veröffentlichung eines Bildes, das den Holzhafen am Pregel mit einem im Eis festliegenden Dreimaster zeigt – also muss es noch ein bisschen warten. Aber fragen können wir schon mal, ob jemand weiß, welcher Königsberger Maler vor etwa 100 Jahren seine Bilder mit H. S. signierte? (Iris Gugath, Westricher Straße 53 a in 44388 Dortmund, Telefon 0231/601512.)

Und weil wir diese Pfingstausgabe auch nicht mit schweren Schicksalsfragen belasten wollen, kann ich hier nicht näher auf die umfangreiche Sendung von Dr. med. Ekkehard Schaffner aus Leon/Mexico eingehen, für die ich ihm herzlich danke. Herr Dr. Schaffner nimmt immer regen Anteil an unserer Ostpreußischen Familie, hat auch schon viel zur Klärung mancher Frage beigetragen – so vor einigen Jahren, als es um ein Foto ging, das angeblich einen „Flüchtlingstreck im Februar 1945“ zeigte, sich dann aber als Aufnahme von der Umsiedlung der Volksdeutschen aus der Ukraine in den damaligen Warthegau im Winter 1939/40 herausstellte. Zum Beweis legte er eine 30 Seiten lange Information bei – die umfangreichste Leserzuschrift, die wir je erhalten haben. Auch seine neue Sendung befasst sich wieder mit Vertriebenenfragen, obgleich sich Dr. Schaffner als „Nichtbetroffener“ bezeichnet, der aber „Betroffenheit, Mitgefühl und Mitleid gegenüber diesen geschundenen Menschen bewahrt hat“. Sie beinhaltet ein Gedicht „Königsberger Karfreitag“ über das grausame Geschehen bei der russischen Okkupation, das wir für eine spätere Veröffentlichung zurücklegen. Ebenso die Schilderung eines Frauenschicksals, die er als Reaktion auf dieses Gedicht von einem international angesehenen Herzchirurgen erhielt, der den von Krieg, Flucht und Gefangenschaft gebrandmarkten Lebensweg seiner Mutter aufgezeichnet hat. Wir werden diesen Beitrag, in dem auch dokumentiert wird, dass auf die dänische Insel Bornholm geflüchtete Deutsche im Mai 1945 von den Russen gefangen genommen und in ein Lager bei Kolberg gebracht wurden, ebenfalls zu einem späteren Zeitpunkt bringen. Vielen Dank, lieber Herr Dr. Schaffner, für Ihre so wertvollen Beiträge und die anerkennenden Worte für unsere Arbeit: „Ich hoffe, es bestärkt Sie in all Ihren Bemühungen um die Wahrheit und in Ihrer Hochachtung vor diesen braven Menschen, deren Schick­sal eigentlich die menschliche Vorstellungskraft übersteigt“.

Kaum war in Folge 16 die Frage von Herrn Reinhard Penner nach dem alten Königsberger Friedhof „Nasser Garten“ erschienen, da meldete sich Herr Dr. Klein aus Schwörstadt bei uns und teilte mit, dass er sich mit Herrn Penner in Verbindung setzen wolle, da er aufgrund seiner dokumentarischen Tätigkeit wesentlich zur Klärung der Frage beitragen könne. Herr Dr. Klein hat nämlich im letzten Jahr eine Arbeit über die Lage der Friedhöfe im Königsberger Raum geschrieben und dabei alle Kirchengemeinden – beginnend mit den ersten bekannten Begräbnisplätzen bis 1938 – erfasst. Es ist eine 144 Seiten starke Dokumentation geworden, die inzwischen einige Bibliotheken und das Königsberger Museum in Duisburg als DVD oder Original erhalten haben. Herr Dr. Klein schreibt dazu: „Es ist möglich, dass ich den von Herrn Penner gesuchten Friedhof der Haberberger Kirche am Rande des Nassen Gartens gefunden habe. Dieser kleine Kirchhof wird auf den späteren Karten von 1905 an nicht mehr verzeichnet. Er lag an der Ponarther Straße als Abzweigung der Berliner Straße. Auch fand ich ein Kreuz auf dem Messtischblatt von 1937 oberhalb des alten Haberberger Kirchhofes im Nassen Garten oberhalb der Berliner Straße.“ Ob dies tatsächlich eine Grabstätte kennzeichnet, ist allerdings fraglich, es könnte auch ein Druckfehler sein, wie Herr Dr. Klein meint, denn „auch gute Karten geben nicht immer eine gute Auskunft!“ Davon können wir ja auch ein Lied singen, denn schon oft haben wir trotz akribischer Arbeit Korrekturen aus dem Leserkreis hinnehmen müssen, wenn die Angaben in den Karten oder Plänen, auf die wir uns stützten, zu Irrtümern führten. Das Gespräch mit Herrn Penner hat inzwischen stattgefunden, und wir werden hören, ob es zur beiderseitigen Zufriedenheit verlaufen ist. Übrigens hat Herr Dr. Klein eine neue Königsberg-Dokumentation abgeschlossen, die unter dem Titel „Erinnerungen an den alten Tiergarten in Königsberg Pr.“ die große Bedeutung bezeugt, die dieser herrliche Tierpark, der auch ein breit gefächertes Unterhaltungsprogramm bot, für die Bevölkerung und Besucher der ostpreußischen Metropole hatte.

Noch sind ja Erinnerungen abrufbar, und sie holen einen immer wieder ein, auch wenn man sie nicht erwartet hat. So erhielt ich auf die Schilderung meiner Konfirmation in der Altroßgärter Kirche in Königsberg mehrere Zuschriften, von denen ich zwei schon erwähnt habe, aber auf eine muss ich doch noch eingehen, weil sie mich persönlich berührt. Herr Armin Jedosch aus Göttingen hat nämlich zu diesem Gotteshaus eine besondere Beziehung. Als Kind des Roßgartenviertels hat der 1930 Geborene in dem zum Park umgestalteten alten Friedhof, auf dem schon längst keine Beerdigungen mehr stattfanden, ungestört spielen dürfen, zumal seine Großeltern im Sichtbereich der Kirche wohnten. Ich erinnere mich noch an diesen Park mit seinem alten Baumbestand, eine grüne Oase in diesem urbanen Wohnviertel. Nun fand Herr Jedosch im Nachlass seines 1978 verstorbenen Vaters dessen Konfirmationsurkunde aus dem Jahr 1912. Sie zeigt drei Aufnahmen von der Kirche, darunter zwei vom Innenraum mit dem Altarbild, unter dem ich damals gekniet habe. So bekommt die Vergangenheit wieder Konturen, die noch verstärkt werden durch die Unterschrift des Pfarrers, der Walter Jedosch am 17. März 1912 eingesegnet hat: Ankermann. Dieser Pfarrer hat mich 1916 getauft, ich hatte seinen Namen vergessen, und nun hat er wieder seinen Platz in meiner Biografie.

Und damit nicht genug: Auch in den Erinnerungen von Frau Irmgard Nordt aus Pforzheim tauchen Namen auf, die ich in meine Memoiren einfügen kann. „Ihr Beitrag hat mein Herz sehr berührt“, schreibt die Königsbergerin, die wie ich in dem „Roßgartenviertel“ geboren wurde, wenn auch 13 Jahre später. Trotzdem haben wir gemeinsame Erinnerungen an Pfarrer Pensky und an Pfarrer Leidreiter, der Irmgard eingesegnet hat. Ihr Schicksal ist das eines Flüchtlingskindes, das auf der Schwelle zum Erwachsenensein Heim und Heimat verlor, das Ende einer „goldenen Kinderzeit“ mit unvergessenen Sommertagen in Cranz und Rauschen. Ihre Schwester hat über den Schick­sals­weg dieser Familie ein Buch geschrieben, das den Titel „Rück­spiegel“ trägt. Und wie ein Rück­spiegel reflektieren ihre Erinnerungen Menschen, die auch ich gut gekannt hatte, mit denen ich sogar eng befreundet war. Es ist die Familie Andreas aus der Augustastraße, in der ich aufwuchs. Sie nennt die Namen der Töchter Erna und Ruth – und da ergab sich so viel Gesprächsstoff, dass ich zum Telefon greifen musste, denn Erna Andreas war Nachbarskind und Klassenkameradin, auch nach der Flucht haben wir uns getroffen und standen bis zu ihrem Tod in Verbindung.

Und auch die Geschichte der Altroßgärter Kirche erweist sich als eine ergiebige, denn Herr Werner Ney aus Potsdam sucht für sein Werk „Gottes Häuser in Königsberg“ noch weitere Angaben über die Pfarrer Wilhelm Krüger, Lic. Leidreiter, Lackner und Ankermann sowie über den Organisten Studienrat Fischer und Küster Reinh. Schliffka. Eine interessante Zuschrift konnten wir ihm bereits übersenden.

Und so recht zum fröhlichen Frühlingsfest passt die kleine Geschichte, die uns Herr Alfred Görlitz aus Hamburg liefert. Unser Landsmann ist immer für besondere Beiträge gut. Diesmal hat es ihm besonders die ostpreußische Deutung der Vogelstimmen in Folge 17 angetan, zu der ihm noch eine andere Version einfiel. Wenn die Kiebitzfrau mit dem Eierlegen beschäftigt war, flog das Männchen immer über das Nest, um aufzupassen, dass keine Räuber in der Nähe waren. Dabei rief der Kiebitz: „Kiewitt, kiewitt, sen se witt, sen se witt?“ Und die Kiebitzfrau antwortete: „Noch immer nich witt, noch immer nich witt!“ Der Sage nach waren die Kiebitze ein verwunschenes Paar, das seine menschliche Gestalt wieder erhielt, wenn die Eier weiß waren. Aber die Kiebitzeier sind immer noch olivgrün, gesprenkelt mit schwarzen Punkten. Das ist die Kiebitzsage von Herrn Görlitz, wie er sie aus seiner Kindheit kennt. Auch andere Erinnerungen sind beim Lesen unserer Familienseite in ihm wach geworden, so bei der Geschichte vom „Klompenmachen“. „Da gab es noch eine andere Art von Schlorren, nämlich die mit Hackleder. Das bezweckte, dass man sie nicht so schnell verlor und dass von hinten kein Dreck in die Klumpen gelangte. Nur meine Mutter hat immer geschimpft, wenn die Strümpfe an den Hacken immer so schnell Löcher hatten“.

Eure Ruth Geede


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