20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
25.05.13 / Jerusalem verändert sein Gesicht / Die Stadt, die gleich drei Religionen für sich vereinnahmen, wird fundamentalistischer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-13 vom 25. Mai 2013

Jerusalem verändert sein Gesicht
Die Stadt, die gleich drei Religionen für sich vereinnahmen, wird fundamentalistischer

Säkulare Juden und Muslime wehren sich gegen den zunehmenden Einfluss der Ultra-Orthodoxen in Jerusalem, doch der Anteil der ultra-orthodoxen Juden an der Bevölkerung der Heiligen Stadt steigt.

Der Yom Yerushalayim (Jerusalemtag) ist der Tag, an dem Israel im Juni 1967 den Sechs-Tage-Krieg gewann und die Jerusalemer Altstadt unter israelische Oberhohheit fiel, nachdem fast 20 Jahre lang die Stadt zuvor zwischen Jordanien und Israel geteilt gewesen war. An diesem Tag hatten die Juden wieder freien Zugang zur Altstadt und somit auch zur Klagemauer, der Westmauer des jüdischen Tempels. Die nachfolgende Annexion des Ostteils der Stadt durch Israel wurde völkerrechtlich nie anerkannt. Am 12. Mai 1968 legte die Regierung Israels fest, den Jerusalemtag auf den 28. Ijjar zu legen, Feiertag ist der Tag allerdings erst seit 1998, als die Knesset via „Jerusalemtag-Gesetz“ beschloss, den Jerusalemtag als nationalen Feiertag einzuführen. Für die arabische Bevölkerung Jerusalems stellt der Jerusalemtag eine Provokation dar.

Zum diesjährigen Jerusalemtag, der auf den 7. Mai fiel, veröffentlichte das israelische Statistikamt die neuesten Bevölkerungsdaten für Jerusalem. Von den 800000 Einwohnern der Stadt Davids stellten die Juden 2011 mit 500000 etwa 62 Prozent, an zweiter Stelle kamen die Muslime mit 280000, das heißt 34 Prozent. Weit abgeschlagen kamen die Christen mit 15000, also knapp zwei Prozent. Vor 100 Jahren, unter der türkischen Herrschaft, stellten die Christen noch ein Drittel der Bevölkerung. Auch in der heiligen Stadt Jerusalem gibt es Atheisten, sie bilden allerdings mit 9000 eine sehr kleine Gruppe.

Von den 500000 Juden Jerusalems gehört ein Drittel zu der Gruppe der Ultra-Orthodoxen. Wegen des großen Kinderreichtums dieser Gruppe wächst der jüdische Bevölkerungsanteil Jerusalems ständig auch gegenüber den Muslimen, obwohl die Juden insgesamt eine negative Wanderungsbilanz für Jerusalem aufweisen.

Der Jerusalemtag ist vor allem ein Feiertag für ultra-orthodoxe Juden geworden. Diesen ist jedoch nicht die Wiedervereinigung der Stadt wichtig, sondern ihnen geht es eher um den Wiederaufbau des Tempels. Anfang der 1980er Jahre scheiterte der Versuch einer „jüdischen Untergrundbewegung“, den moslemischen Felsendom auf dem Tempelberg zu sprengen und den Tempel wiederaufzubauen. Ihre Pläne von damals haben sie nicht aufgegeben, aber heute geht es den Ultra-Orthodoxen eher darum, innerhalb der Altstadt zu siedeln und dort die Bevölkerungsmehrheit zu erreichen. Mehr als 30 Häuser hat die Talmud-Schule „Atheret Hacohanim“, die die Eroberung der Altstadt anstrebt, im moslemischen und christlichen Viertel bereits bezogen. Weit mehr soll sie von Palästinensern gekauft haben, meist über Strohmänner. Die demografische Zeitbombe, die auch ein Politikum ist, tickt zugunsten der ultra-orthodoxen Juden.

Vor 100 Jahren stellten die Muslime bereits ein Drittel der Bevölkerung Jerusalems, denselben Anteil stellen sie auch heute noch. Damals allerdings, im Osmanischen Reich, bildeten sie die gesellschaftliche Elite, allen voran die Familien Husseini und Nashashibi. Acht von zehn Palästinensern in Ostjerusalem leben heute nach Angaben von Menschenrechtlern unterhalb der Armutsgrenze. Dies sei „die schlimmste Armutsrate aller Zeiten“, kritisierte der Verein für Bürgerrechte in Israel (ACRI) in einem Sozialreport. Die Nichtregierungsorganisation veröffentlichte die Studie am Vortag des Jerusalemtages. Der ACRI-Report kritisiert insbesondere die Folgen des Mauerbaus seit zehn Jahren, der Jerusalem, das Israel zu seinem Staatsgebiet zählt, vom palästinensischen Westjordanland abtrennt. Etwa 90000 Palästinenser müssten täglich diese Mauer an den Kontrollpunkten passieren, vor allem jedoch die Infrastruktur in Ostjerusalem leide stark unter dieser Trennung. Dort fehlten 50 Kilometer Abwasserkanäle, weshalb viele Wohngebiete auf Sickergruben angewiesen seien, wo Überflutungen immer wieder Gesundheitsrisiken heraufbeschwörten, so der Report. Seit 1967 habe die israelische Regierung ein Drittel des palästinensischen Landbesitzes in Jerusalem enteignet, um dort Wohnungen für die wachsende ultra-orthodoxe jüdische Bevölkerung der Stadt zu errichten, beklagt die Bürgerrechtsorganisation.

Palästinenser hatten am diesjährigen Jerusalemtag eine Gruppe jüdischer Besucher auf dem Tempelberg mit Stühlen beworfen. Die israelische Polizei hat daraufhin Muhammad Ahmad Hussein, den Mufti von Jerusalem, festgenommen und verhört. Das Amt des Obersten Muftis von Jerusalem stammt noch aus der osmanischen Zeit, die Briten hatten es nicht gewagt, dieses anzutasten. Nach 1948 wurde der Mufti vom jordanischen König ernannt, seit der Errichtung einer palästinensischen Autonomiebehörde in den 1990er Jahren wird er von dieser ernannt. In der Vergangenheit hatte Mufti Hussein bereits mehrfach einen Hadith-Vers zitiert, wonach es Muslimen erlaubt sein soll, Juden zu töten. Schon direkt nach seinem Amtsantritt 2006 hatte Hussein verkündet, dass Selbstmord-Attentate nach der Scharia erlaubt seien.

Jerusalem erlebt also derzeit gleich von zwei Glaubensrichtungen her eine Radikalisierung. Bis jetzt gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Politik eine Idee hat, wie sie die auf Konfrontationen hinauslaufende Entwicklung stoppen kann. Bodo Bost


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren