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25.05.13 / Der vergessene Partner / Brasilien feiert das Deutschland-Jahr: Kreative Ansätze, um Wirtschaftsbeziehungen zu beleben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-13 vom 25. Mai 2013

Der vergessene Partner
Brasilien feiert das Deutschland-Jahr: Kreative Ansätze, um Wirtschaftsbeziehungen zu beleben

„Berlin vergisst Brasilien“ titelte die „Wirtschaftswoche“ am 13. Mai und beklagte, dass die Bundesregierung dem für die deutsche Wirtschaft wichtigen Land kaum Aufmerksamkeit schenke. Zwar versuchte Bundespräsident Joachim Gauck bei seinem Brasilienbesuch dieser Tage, die Wogen zu glätten, doch eine Schwalbe macht noch keinen Frühling. Dafür werfen sich die Brasilianer für Deutschland ins Zeug, wie die Veranstaltungen zum Deutschland-Jahr zeigen.

Eigentlich hatte das Deutschland-Jahr in Brasilien bereits mit der phantasievoll gestalteten Sambaschule „Unidos da Tijuca“ beim Karneval von Rio begonnen, als etliche Wagen und Tänzerinnen in Schwarz-Rot-Gold gewandet durch Rios Sambódromo zogen. Fast 4000 Mitglieder der Samba-Schule defilierten unter dem Motto „Bezauberndes Deutschland“. Mit sechs riesigen Motivwagen und mehr als 30 Kostümabteilungen bot Tijuca einen Querschnitt der Kultur, Geschichte und der kulinarischen Landschaft Deutschlands. Leider konnte die Sambaschule „Unidos da Tijuca“ ihren Titel als bester Wagendekorateur aus dem Jahr 2012 mit dem Deutschland-Motto nicht verteidigen.

Bereits zum Tag der deutschen Einheit im vergangenen Jahr strahlte auch Rios Wahrzeichen, der segnende Christus auf dem Berg Corcovado, hoch über der Stadt in den Farben Schwarz-Rot-Gold. Jetzt zum offiziellen Startschuss des Deutschland-Jahres durch Bundespräsident Joachim Gauck und die brasilianische Präsidenten Dilma Roussef strahlte der Corcovado wieder in den deutschen Farben. Mit mehreren hundert Veranstaltungen soll im Deutschland-Jahr der Zusammenarbeit der beiden Länder „neuer Schwung“ verliehen werden, wie es der deutsche Botschafter in Brasilia formuliert. Ein Jahr lang sollen sich Brasilien und Deutschland besser kennenlernen. Deutschland und Brasilien feiern ab Mai ein Festival der Ideen, um die Zukunft gemeinsam zu gestalten.

Der Veranstaltungskalender des Deutschland-Jahres ist groß. Er umfasst die Bereiche Kultur und Bildung, Wirtschaft, Sport und Gesellschaft, Wissenschaft und Hochschulwesen sowie Zusam-menarbeit für Nachhaltige Entwicklung. So geht es sowohl um Grundlegendes wie die Frage, warum die Deutschen ihre Freizeit gerne in Vereinen organisieren, als auch um Hochspezielles wie um die Frage, wo genau die Loreley sitzt. Beides sind Themen der Ausstellung „Deutschland für Anfänger“, die durch acht brasilianische Städte auf Tournee geht. Die zum Teil humorvollen Exponate hat das Goethe-Institut ausgewählt.

Auf wirtschaftlichem Gebiet sind die Verbindungen zwischen Deutschland und Brasilien ohnehin schon sehr eng. Beide Länder sind die wichtigsten Handelspartner des anderen auf dem jeweiligen Kontinent. Seit die ersten Auswanderer zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Südatlantik überquerten, haben sich mehr als 1300 deutsche Unternehmen in São Paulo angesiedelt, nicht mitgezählt die in Brasilien durch deutsche Auswanderer gegründeten Firmen. São Paulo wird gerne anekdotisch als „größte deutsche Industriestadt der Welt“ bezeichnet – 250000 Beschäftigte verdienen ihren Lohn bei Betrieben aus „Alemanha“. Von Deutschen in Brasilien gegründete Firmen wie die Brauerei BAHMA (Brauhaus Maschke), einer der größten Sponsoren des Karnevals von Rio, der Baugigant Odebrecht oder die von Eike Batista, einem Deutsch-Brasilianer, gegründete Holding EBX Group gehören heute zu den Weltführern in ihren Bereichen. In kaum einer anderen Weltregion ist die deutsche Wirtschaft so präsent wie in Brasilien. An rund zwölf Prozent der industriellen Gesamtleistung Brasiliens sind deutsche Firmen beteiligt.

Das Jahr „Deutschland + Brasilien 2013 bis 2014“ dient der Vertiefung und Ausweitung der deutsch-brasilianischen Beziehungen. Zugleich will das Jahr die Zusammenarbeit sichtbar machen und Anstöße für neue Kooperationen geben. Deutschland präsentiert sich als ein Land voller Ideen und als kreativer Partner Brasiliens. Allerdings ist die Geschichte der Auswanderung von Deutschland nach Brasilien und die Situation der heute etwa acht Millionen Deutschstämmigen im Deutschland-Jahr leider etwas zu kurz gekommen. Nur der im Vorprogramm der Berlinale gescheiterte Film „Walachei“ der deutsch-brasilianischen Autorin Rejane Zilles über eine abgelegene Gemeinde im Hinterland Rio Grande do Suls, in der das Hunsrückische der Auswanderergeneration bis heute als Alltagssprache und die Handwerke der Auswanderer überlebt haben, hat es ins Programm des Deutschland-Jahres geschafft. Dabei müsste gerade die Papstwahl im März in Rom gezeigt haben, wo der Deutschbrasilianer Kardinal Odilo Scherer lange Zeit als Favorit auf den Stuhl Petris galt, dass es nicht ihre Rückständigkeit war, die die deutschen Einwanderer in Brasilien ausgezeichnet hat.

Zum Programm des Besuchs von Bundespräsident Gauck in Rio de Janeiro gehörte auch der Besuch einer der Armensiedlungen, die immer noch die Stadtränder aller brasilianischen Großstädte umgeben. Während die Einwanderung von wenigen Hunderttausenden von Menschen aus Europa eine Erfolgsgeschichte war, führte die zwangsweise Versklavung von Millionen von Schwarzafrikanern bis 1888 in Brasilien zu Ungerechtigkeiten, die bis heute fortdauern. Gerade diese verheerenden gesellschaftlichen Unterschiede haben Brasilien auch in seiner Geschichte seit 1822 mehrmals Militärdiktaturen beschert. Die letzte dauerte von 1964 bis 1985. In dieser Zeit war mit Ernesto Geisel von 1974 bis 1978 erstmals auch ein Deutschstämmiger Präsident Brasiliens. Mit Mitgliedern der Nationalen Wahrheitskommission hat der deutsche Bundespräsident Gauck während seines Besuches auch über die Zeit der Diktatur in Brasilien gesprochen.

Das DeutschlandJahr fällt in eine günstige Zeit. In diesem Jahr richtet Rio de Janeiro die katholischen Weltjugendtage aus, wo bis zu drei Millionen Jugendliche, viele davon auch aus Deutschland, in Brasilien erwartet werden. In drei Jahren empfängt Rio die Olympischen Spiele. Und nächstes Jahr richtet Brasilien die Fußball-Weltmeisterschaft aus. Nach dem Endspiel gibt es vielleicht wieder Grund für eine Illuminierung des Corcovado in Schwarz-Rot-Gold. Bodo Bost


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