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25.05.13 / Wiege der Zivilisation / »Uruk – 5000 Jahre Megacity«: Berlin widmet der größten Stadt des Alten Orients eine spannende Schau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-13 vom 25. Mai 2013

Wiege der Zivilisation
»Uruk – 5000 Jahre Megacity«: Berlin widmet der größten Stadt des Alten Orients eine spannende Schau

Gegen Ende des 4. Jahrtausends vor Christus wuchs Uruk zur Großstadt und war für rund 2000 Jahre mit geschätzten 40000 Einwohnern die bevölkerungsreichste Metropole des Alten Orients. Uruk war etwa 4500 Jahre besiedelt und wurde im beginnenden 4. Jahrhundert nach Christus aufgegeben. Seit 100 Jahren werden mit maßgeblicher deutscher Beteiligung die im Süden des heutigen Irak gelegenen Überreste Uruks archäologisch untersucht. Das Jubiläum ist Anlass zur ersten Sonderausstellung über die Stadt.

Erster Auftraggeber und Financier der Ausgrabungen in Uruk war die Deutsche Orient-Gesellschaft. Sie stand unter dem Protektorat von Kaiser Wilhelm II., der die Gesellschaft mit beträchtlichen Zuwendungen aus seinem Dispositionsfonds unterstützte. Unter Leitung von Julius Jordan wurden die Grabungen im Winter 1912/13 aufgenommen und ab 1928 fortgesetzt. „Sehr kaisertreu eingestellt, war er Mitglied der Doorner Arbeitsgemeinschaft Kaiser Wilhelms II.“, wie Margarete van Ess berichtet. Sie ist wissenschaftliche Direktorin der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts, unter dessen Federführung die Grabungen seit 1954 stehen. Van Ess: „Seit 1980, mit dem Ausbruch des Iran-Irak-Krieges, konnte nur noch sporadisch in Uruk geforscht werden. Der bis 1990 andauernde Krieg, die Zeit des Wirtschaftsembargos zwischen 1991 und 2003 sowie die Wirren nach dem Krieg 2003 ließen längere Aufenthalte vor Ort nicht zu.“ Bislang sind trotz 40 Grabungskampagnen erst fünf Prozent des 5,5 Quadratkilometer großen Stadtgebietes archäologisch erforscht. Der deutsche Anteil an den in Uruk gemachten Funden befindet sich im Vorderasiatischen Museum von Berlin und in der Uruk-Warka-Sammlung der Universität Heidelberg. „Warka“ ist der arabische Name Uruks. Neben Heidelberg gehören der Pariser Louvre und das Londoner Britische Museum zu den Hauptleihgebern der Sonderschau. Sie ist integriert in die ständige Uruk-Ausstellung des Vorderasiatischen Museums, die mit der Rekonstruktion von über 5000 Jahre alten Fassadenmosaiken aus farbigen Tonstiften aufwartet.

Alter Überlieferung zufolge ließ König Gilgamesch die 11,5 Kilometer lange Stadtmauer der am Ufer des Euphrat gelegenen Metropole erbauen. Gilgamesch, von dem nicht nachgewiesen ist, dass er je gelebt hat, ist Held des ältesten schriftlich überlieferten Epos der Menschheit. Die frühesten erhaltenen Reste dieser Dichtung stammen aus dem 21. Jahrhundert vor Christus. Vor allem von zwei Szenen des Epos gibt es bildliche Darstellungen, wie die Schau zeigt. Auf dem Fragment eines Elfenbeinreliefs (9./8. Jahrhundert v. Chr.) ist der Kampf von Gilgamesch und seinem Freund Enkidu gegen den Riesen Humbaba dargestellt. Ein Terrakottarelief (18./17. Jahrhundert v. Chr.) zeigt Gilgamesch und Enkidu im Kampf gegen den Himmelsstier. Den hatte die Kriegs- und Liebesgöttin Inanna gegen Gilgamesch ausgesandt, weil der ihre Liebesavancen verschmäht hatte.

Inanna war die Schutzgöttin Uruks. Ausgestellt ist ein Abguss der berühmten, über einen Meter hohen „Kultvase von Uruk“ (zirka 3500–3000 v. Chr.). Sie bietet eine der frühesten Darstellungen des Menschen als Gegenüber einer höheren Macht. Der Herrscher und zwei Begleiter überbringen Inanna Früchte und ein Tuch, „vielleicht ein Betttuch für das Ritual der Heiligen Hochzeit zwischen Göttin und Herrscher“, wie Annette Zgoll im Ausstellungskatalog berichtet. Die Liebesgöttin wird als überaus fruchtbar geschildert. Im sumerischen Mythos „Inanna und Enki“ heißt es, unter den göttlichen Gaben, die sie der Stadt bescherte, waren Geschlechtsverkehr, Küsse und Prostitution.

Uwe Finkbeiner schreibt im Katalog, dass es nur wenige kurze Perioden gab, in denen Uruk zumindest eine wichtige regionalpolitische Bedeutung zukam. Herausragende Zentren politischer Macht waren andere Städte, etwa Kisch, Akkad und schließlich Babylon. Überregionale Bedeutung hatte Uruk vor allem wegen des im Zentrum der Stadt aufragenden Heiligtums der Inanna. Den „Eanna“ genannten Heiligen Bezirk beherrschte eine aus Lehmziegeln erbaute Zikkurrat, ein gestufter Tempelturm also. Die im 21. Jahrhundert vor Christus erbaute und bis ins zweite vorchristliche Jahrhundert immer wieder erneuerte Zikkurrat wird in einer Drei-D-Animation präsentiert. Andere digitale Re-konstruktionen stellen den Palast des Königs Sin-kaschid (Anfang 2. Jahrhundert v. Chr.) und das dem Himmelsgott An geweihte Resch-Heiligtum (3./2. Jh. v. Chr.) vor.

Nicola Crüsemann, Kuratorin der Schau, berichtet: „Uruk ist zwar räumlich und zeitlich weit entfernt, dennoch sind viele der damaligen Errungenschaften bis heute relevant.“ Sie meint damit vor allem die Entstehung der Bürokratie. Es gibt Funde, die auf eine komplexe Organisation und Verwaltung hinweisen, auf ein Gesellschaftssystem mit spezialisierten Berufsgruppen und Arbeitsteilung. Ein Stempelsiegel in Form eines Löwen (3300–3000 v. Chr.) und ein zum Abrollen verwendetes Siegel mit der Darstellung des Königs bei einer kultischen Bootsfahrt (3300–3000 v. Chr.) sind neben Zählmarken Beispiele für die ältesten Werkzeuge zur Kennzeichnung von Eigentum und Speicherung von Mengenangaben. Siegel und Zählmarken gelten als Vorläufer der (Keil-)Schrift. Sie wurde als Organisationshilfe der Verwaltung erfunden. Hans J. Nissen urteilt im Katalog: Es ist „nicht abwegig anzunehmen, dass die Schrift in Uruk, wo die ältesten Schriftzeugnisse gefunden wurden, tatsächlich auch erfunden wurde“. Die ältesten bislang gefundenen beschriebenen Tontafeln stammen aus dem ausgehenden 4. Jahrtausend vor Christus. Aus ersten Wort- und Zahlzeichen entwickelte sich die Keilschrift. Sie kam in der Verwaltung und im Rechtswesen, in Kult, Wissenschaft und Dichtung zum Einsatz, wie die ausgestellten Tafeln aus gebranntem Ton zeigen. Veit-Mario Thiede

Noch bis zum 8. September ist die Ausstellung im Vorderasiatischen Museums im Südflügel des Pergamonmuseums auf der Museumsinsel Berlin zu besichtigen. Täglich 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr, www.uruk-megacity.de. Der Katalog aus dem Imhof Verlag kostet 29,95 Euro. Weitere Station: Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim, 20. Oktober bis 21. April 2014.


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