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01.06.13 / Verkannte Verharmlosung / Debatte um Stasi-Mitarbeiter spielt Gregor Gysi in die Karten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-13 vom 01. Juni 2013

Verkannte Verharmlosung
Debatte um Stasi-Mitarbeiter spielt Gregor Gysi in die Karten

Die Linke“ will ein neues Bild des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (Stasi) etablieren und erhält ausgerechnet Argumente aus dem Umfeld der Stasi-Unterlagenbehörde. Die Bundesregierung hält hingegen im aktuellen Streit um die Zahl der Stasi-IM an den überlieferten Zahlen fest – noch.

Der einstige DDR-Geheimdienst bleibt ein brisantes Thema mit viel Aufklärungsbedarf: Sorgten unlängst von der Stasi dokumentierte heimliche Medikamenten-tests westlicher Pharmakonzerne an DDR-Bürgern für Aufsehen, so ist nun ein Streit um die offizielle Zahl der Stasi-Täter entbrannt. Ausgelöst hat ihn Ilko-Sascha Kowalczuk, Fachkoordinator der Abteilung Bildung und Forschung der Stasi-Unterlagenbehörde (BStU). In seinem 427-seitigen Buch „Stasi Konkret“ fordert er eine „Generalinventur“. „Über den Verdacht, die DDR zu beschönigen, ist Ilko-Sascha Kowalczuk, 45, erhaben“, schrieb „Spiegel Online“ bei Erscheinen des Werks vor wenigen Wochen. Seit 2001 arbeitet der Wissenschaftler mit Leitungsfunktion bei der BStU und hat viel beachtete Veröffentlichungen zum Thema herausgebracht. Sein neustes Werk ist indes keine offizielle Publikation der Behörde. Kowalczuk zweifelt darin die Gesamtzahl von 189000 Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) an. Manche Mitarbeiter seien seinerzeit doppelt erfasst worden, andere haben ausschließlich ihre Wohnung zur Verfügung gestellt.

Unbestritten ist in der Forschung, dass die Stasi ein dichtes Netz getarnter Wohnungen für konspirative Treffen unterhielt. Allein in Cottbus haben Forscher rund 780 solcher Treffpunkte gezählt. Mehr als 200 davon wurden 1989 gleichzeitig genutzt. Die Stasi stellte dort nicht nur Quittungen für Hausschuhe und andere heimelige Gegenstände zwecks Tarnung aus, hier besprachen sich Führungsoffiziere, hier plauderten IM Vertrauliches über Nachbarn und Arbeitskollegen aus, die dafür ins Gefängnis gingen. Kowalczuks Arbeit droht somit falsche Akzente zu setzen, denn der Stasi eine Wohnung zu überlassen, war keine freundliche Geste. Rund 30000 solcher IM zur „Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens“ zählte die Stasi in der Endphase ihres Daseins insgesamt. Kowalczuks Buch durchkreuzt entsprechend die offiziellen Forschungen der BStU. So zieht er auch die Zurechenbarkeit der gesellschaftlichen Stasi-Mitarbeiter (GMS) in Zweifel, die als Kader- oder Betriebsleiter per amtlicher Funktion der Stasi berichteten. Brisant ist eine solche Abstufung der Täter, weil sie auch die Taten zu relativieren droht, vor allem aber wegen aktueller rechtlicher Auseinandersetzungen um die Stasi-Mitarbeit von Politikern der Partei „Die Linke“. Kowal-czuks angesehener BStU-Kollege Helmut Müller-Enbergs sagte bereits, Gregor Gysi, „der möglicherweise in den Akten als GMS ,Gregor’ genannt“ werde, werde sich vielleicht „herzlich bedanken“. Die Bundestagsfraktion der „Linken“ griff die Arbeit jedenfalls auf, um die Bundesregierung mit einer kleinen Anfrage zur Zahl der Stasi-Mitarbeiter zu beschäftigen. Die Antwort der Regierung verwies vor allem auf den privaten Cha-rakter des Kowalczuk-Buches und stellte zudem klar, es sei „nicht entscheidend“, in welcher „formalen oder statistischen Kategorie das MfS die Person geführt hat“. Die Zahl 189000 IM entspreche zudem dem „bisherigen Forschungsstand“. Auch rechtlich ist die Lage demnach klar – wer sich verpflichtete, zählt. SV


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