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01.06.13 / In Klingsors Zaubergarten / In Ravello ließ sich Richard Wagner zur Musik zum »Parsifal« inspirieren – Festival ihm zu Ehren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-13 vom 01. Juni 2013

In Klingsors Zaubergarten
In Ravello ließ sich Richard Wagner zur Musik zum »Parsifal« inspirieren – Festival ihm zu Ehren

Schon der Name des kleinen italienischen Bergnestes über dem Golf von Salerno an der Amalfiküste klingt wie Musik. Dank Richard Wagner findet in Ravello alljährlich Italiens ältestes Musikfestival statt.

„Hoch erhoben liegt Ravello über Klüften, / Seine Sehnsucht zittert um den liebsten Stern. / Ach, Amalfi ist der Berg bis zu den Hüften, / Doch Ravello ragt empor zu Gott dem Herrn“, heißt es in Theodor Däublers Hymne an Italien (1919).

Ravellos Logenplatz auf einem Felssporn zwischen zwei pittores­ken Tälern 350 Meter über dem Mittelmeer verzaubert jeden. Und der Ausblick vom Belvedere der Villa Cimbrone oder vom Garten der Villa Rufolo über Italiens göttliche Amalfiküste und den Golf von Salerno ist einfach nur „bellissimo“. Schon die Römer, die an diesem Teil der Küste Schiffbruch erlitten, hatten in den Hügeln oberhalb Amalfis Zuflucht gesucht und diesen Flecken Erde „res bella“ genannt, der Ursprung des Namens Ravello.

Ihnen sollte bis auf den heutigen Tag manch namhafte Persönlichkeit folgen, darunter auch berühmte Künstler. Denn selbst als das Reisen noch nicht so sicher und bequem war, nahmen Boccaccio, Lawrence, Gide oder auch Richard Wagner die schwierige und mühselige Reise in Kauf, angelockt von Ravellos Schönheit und seinem angenehmen Klima. Heute führen selbstverständlich Straßen in den Ort. Richard Wagner stand als Aufstiegshilfe nur ein Maultier zur Verfügung. Auf dessen Rücken erklomm der Komponist 1880 – im fortgeschrittenen Alter von 67 Jahren – den Weg durch die schroff abfallenden Berghänge.

So klein der 2000-Seelen-Ort auch ist, so bedeutend war und ist sein Ruf. Denn wie schreibt Guido Piovene in seiner „Reise nach Italien“: „Die beiden Gärten von Ravello, VillaRufolo und Villa Cimbrone, s ind die außergewöhnlichsten der Welt. Die geografische Lage kommt in diesen beiden Gärten, vor allem aber dem der Villa Rufolo, voll zu ihrer Geltung, zwischen dem Grün und dem Blau, zwischen Marmor und Gold, zwischen Lauben und Krypten, Brunnen und Fontänen, dem Panorama draußen und dem Anblick, der sich dem Besucher in den Villen bietet, zwischen den wertvollen Gemälden und der Musik, die man auch dann zu hören vermeint, wenn gerade niemand musiziert.“

Die bemerkenswertere der beiden Villen ließ Nicola Rufolo zur Zeit Karls I. von Anjou, also zwischen 1266 und 1289, erbauen. Weniger als ein Jahrhundert später bezauberte sie bereits Giovanni Boccaccio, der ihr eine Novelle in seinem „Decamerone“ widmete. Nach dem Aussterben der Familie Rufolo gab es mehrere Besitzerwechsel. Mitte des

19. Jahrhunderts erwarb der Schweizer Francis Neville Reid die Villa und ließ sie 1851 von Michele Ruggiero, der damals die Ausgrabungen in Pompeji leitete, restaurieren. Als die Villa später an den Fremdenverkehrsverein von Salerno fiel, nutzte dieser die Chance und begann 1953 damit, hier Wagnerkonzerte zu veranstalten. Denn die Villa Rufolo und Wagner sind untrennbar miteinander verbunden.

Schon 1876 war Wagner nach Italien gereist, wo er im September Nietzsche in Sorrent besuchte. Es sollte ihre letzte Begegnung werden. Zurück in Bayreuth, widmete er sich in den folgenden Jahren ganz der Arbeit am Parsifal, bevor er Ende 1879 erneut nach Italien aufbrach. In Begleitung des Malers Jonkousky, dem er den Auftrag für die Bühnenbilder der im Entstehen begriffenen Oper gegeben hatte, war ein unabdingbares Ziel Ravello. Abgestiegen im Hotel Palumbo, begab er sich von dort eines Morgens zur Villa Rufolo. In das Gästebuch schrieb er: „Der Zaubergarten des Klingsor ist gefunden!“ und setzte neben die Unterschrift auch das Datum: 26. Mai 1880.

Als am 26. Juli 1882 in Bayreuth endlich der „Parsifal“ uraufgeführt wurde, drang die Nachricht von dessen Erfolg, wie auch der Name des Gartens von Klingsor, bis nach Ravello. Jemand blätterte das Gästebuch der Villa Rufolo durch, fand den Satz von Wagners Hand und verbreitete das Ge-rücht, dass genau hier in der Villa Rufolo der Meister die Musik des „Parsifal“ komponiert habe. War die Musik auch andernorts entstanden und in Palermo auf Sizilien vollendet, hatte sich Wagner in Ravello doch in Klingsors Zaubergarten versetzt gefühlt, der im zweiten Akt des „Parsifal“ angesiedelt ist. Später ließen sich viele Bühnenbildner des „Parsifal“ von der Architektur der Villa Rufolo inspirieren.

Inspiration für seine Meisterwerke suchte und fand in Ravello ebenso der 2012 gestorbene US-amerikanische Schriftsteller Gore Vidal in seiner Hollywood-Villa Schwalbenhorst. Oder der Kabarettist Dieter Hildebrandt, der das charmante Hotel Giordano zu seinem Lieblingsort erkor.

Ravellos Anziehungskraft ist legendär. Vittorio Emanuele III., der letzte König Italiens, dankte in Ravello ab, wo er mit seinem Gefolge die letzten Tage seiner Regierungszeit verbrachte. Auch die Familie John F. Kennedys hat sich einen Monat in Ravello aufgehalten und nur der Tod hinderte den US-Präsidenten daran, im Jahr darauf wie geplant wieder dorthin zurückzukehren. Und auch der polnische Dirigent Leopold Stokowski sowie die Schauspielerin Greta Garbo haben es sich als Gäste von Lord Grim­thorpe in der Villa Cimbrone einen Monat gut gehen lassen.

Das Festival „Musicale de Ravello“ von Ende Juni bis Anfang September, das als reines Wagner-Konzertfestival begann, hat sich im Laufe der Jahre zu einem vielseitigen Musikfestival entwickelt. Auch seine Spielstätten verteilen sich inzwischen weit über den Garten der Villa Rufolo hinaus. Doch dessen Bühne ist und bleibt wegen ihrer spektakulären Lage nach wie vor die schönste. Helga Schnehagen

Programm und Informationen unter www.ravellofestival.com.


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