29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
08.06.13 / Erdogans Damoklesschwert / Türkei: Bei Eskalation kommt alles auf die Haltung des Militärs an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-13 vom 08. Juni 2013

Erdogans Damoklesschwert
Türkei: Bei Eskalation kommt alles auf die Haltung des Militärs an

Immer dann, wenn der säkulare Verfassungsstaat in der Türkei in Gefahr war, von der Regierung ausgehöhlt oder beseitigt zu werden, hat das Militär die Macht übernommen und sie nach einiger Zeit wieder in die Hände des Volkes gelegt. Vor diesem historischen Hintergrund kommt der Unterstützung der Demonstranten in Istanbul durch Militärangehörige eine besondere Bedeutung zu. Die Militärs hassen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, nachdem er hunderte von Offizieren wegen angeblichen Hochverrats in dubiosen Schauprozessen hat aburteilen lassen. Damit hat er die Armee zwar weitgehend entmachtet, doch ist es ihm nicht gelungen, sie mit islamistischen Gefolgsleuten zu unterwandern.

Mit seiner Ankündigung, seine Anhänger gegen die Demonstranten aufmarschieren zu lassen, hat Erdogan einen Bürgerkrieg beschworen. Ein solcher gilt bei Experten als der einzig realistische Fall für eine Militärintervention. Denn solange Erdogans Position nicht ernsthaft durch das Volk ins Wanken gebracht worden ist, dürfte die Generalität nicht an einen Militärputsch denken. Sie fühlt sich traditionell der Verfassung verpflichtet und weiß, dass das Volk die Demokratie will. Inwieweit allerdings Militärkreise insgeheim daran arbeiten, die Unruhen zu schüren, um diese Situation herbeizuführen und den umstrittenen Regierungschef schließlich stürzen zu können, ist unklar. Eines aber weiß nicht nur Erdogan: Sollte die Situation eskalieren, wird er sich nicht auf die Streitkräfte verlassen und sie gegen das eigene Volk einsetzen können. Vielmehr dürfte das Militär die Regierungsgewalt übernehmen und das Land wieder in geordnete Verhältnisse überführen. Es wäre bereits das fünfte Mal in der Geschichte der türkischen Republik. Jan Heitmann


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren