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08.06.13 / Abrechnung mit Brüssel / EU-Kommissar Oettinger greift falsche Weichenstellungen an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-13 vom 08. Juni 2013

Abrechnung mit Brüssel
EU-Kommissar Oettinger greift falsche Weichenstellungen an

Günther Oettinger (CDU), seit 2010 EU-Kommissar für Energie, zuvor CDU-Landesvorsitzender in Baden-Württemberg und Ministerpräsident des Landes (2005–2010), ist als Politiker streitbarer denn je. In der Frage möglicher EU-Strafzölle gegen China warnt der 59-Jährige vor einem Handelskrieg. Vorbei die Zeiten, als er vor allem durch eigenwilliges Englisch Zeichen setzte oder dem Deutschen den Rang einer Freizeitsprache vorhersagte.

„Europa muss besser werden!“ Unter dieser Aufforderung gab Oettinger rund 100 Gästen der Deutsch-Belgisch-Luxemburgischen Handelskammer die schonungsloseste je aus den eigenen Reihen skizzierte Beschreibung der EU ab. „Meine Sorge ist, dass zu viele glauben, alles wird gut“, so Oettinger, doch „Europa ist ein Sanierungsfall, der sich nicht als Besserwisser aufspielen darf.“ Es gebe keine Euro-Krise, sondern eine Krise der „europäischen Institutionen“, unterstützt jetzt Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) den Kritiker. Grünen-Fraktionsvorsitzender Jürgen Trittin hielt Oettinger hingegen vor, „Oberlobbyist“ zu sein. Europaparlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sagte, Oettinger sei „wohl der Gaul durchgegangen“.

Dass Europa „weniger Idealismus und mehr Vernunft und Struktur“ braucht, so Oettinger mit Blick auf die Energieversorgung, nimmt Brüssel zähneknirschend zur Kenntnis. Energie sei künftig „Game changer“ schlechthin, die Frage also, die über das wirtschaftliche Potenzial von Staaten entscheide, so Oettinger. Doch statt die Schuldenkrise zu bekämpfen, verharre die EU im „Gutmenschentum“ und habe „die wahre schlechte Lage noch immer nicht genügend erkannt“.

Den Zustand einzelner Mitgliedsstaaten bilanzierte der Kommissar ebenfalls ungewohnt harsch. Frankreich sei schlicht „null vorbereitet“ auf die Fragen der Zeit. Eine Reform sei dort gefragt, „mit Rentenreform, was in Wahrheit Rentenkürzung heißt, längere Lebensarbeitszeit, Staatsquote runter“. Der Brite David Cameron müsse hingegen daheim mit einer „unsäglichen Hinterbank, seiner englischen Tea-Party“ fertig werden. „Mir machen Länder Sorgen, die im Grunde genommen kaum regierbar sind: Bulgarien, Rumänien, Italien“, zählte Oettinger laut „Bild“-Zeitung weitere Krisenstaaten auf und erntete von dort umgehend empörte Kritik. Rumäniens Außenminister Titus Corlatean forderte eine überzeugende Erklärung, Bulgariens Außenminister Kristian Wigenin nannte die Kritik „Missverständnis“.

Oettinger griff auch Deutschland an, das „auf dem Höhepunkt seiner ökonomischen Leistungskraft“ angelangt nicht mehr stärker werde. Schuld sei die „falsche Tagesordnung“ in Berlin „mit Betreuungsgeld, Frauenquote, Mindestlohn“. Das gehe auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit, die mit der Agenda 2010 gerade verbessert worden sei. Oettinger, der sich in Brüssel bisher der Kritik ausgesetzt sah, deutsche Interessen zu sehr im Blick zu behalten, warf den Deutschen Scheinheiligkeit in Energie- und Umweltfragen vor. So kümmere es nicht, wenn russisches Gas importiert werde, im eigenen Land hingegen solle die Schiefergasförderung verhindert werden. SV


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