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08.06.13 / Mehdorns Flughafen-Attrappe / Flughafen-Chef plant Teileröffnung – Doch was bringt die eigentlich?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-13 vom 08. Juni 2013

Mehdorns Flughafen-Attrappe
Flughafen-Chef plant Teileröffnung – Doch was bringt die eigentlich?

Mehr als einmal werden es Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) inzwischen bereut haben, dass sie dem neuen Flughafenchef Hartmut Mehdorn in aller Öffentlichkeit einen Freibrief erteilt haben. „Ohne Denkverbote“ sollte Mehdorn prüfen, was zu einer zügigen Eröffnung des Pleiteprojekts Hauptstadtflughafen zu tun sei und genau das hat er jetzt auf seine eigenwillige Art getan.

Mehdorn, der eigentlich bis Spätsommer ein schlüssiges Gesamtkonzept vorlegen soll, macht von der eingeräumten Freiheit inzwischen reichlich Gebrauch. Er präsentiert Vorschläge, die Platzeck und Wowereit regelmäßig auf dem falschen Fuß erwischen. Erst einmal abgebügelt scheint Mehdorns Forderung, Berlins alten Flughafen Tegel länger offenzuhalten als vereinbart. Mehdorns neuester Clou: Eine Teileröffnung von BER schon in diesem Jahr. Die Billig-Fluglinie „Easy Jet“ soll den Vorreiter machen und bereits ab dem Herbst den Flughafen nutzen.

Was auf den ersten Blick wie ein Befreiungsschlag wirkt, ist bei näherem Hinsehen allerdings reichlich unausgegoren. Am Kernproblem, dem nicht funktionierenden Hauptterminal, wird Mehdorns Schnellschuss nichts ändern. Bei den Einnahmen bleibt es ein Null-summenspiel: „Easy Jet“ – ohnehin nur mit Sonderkonditionen nach Berlin gelockt – zieht lediglich von einem Flughafen der Gesellschaft auf einen anderen um. Stattdessen drohen weitere Kosten: Das Nordterminal, das „Easy Jet“ nutzen soll, ist nur ein Anhängsel des immer noch unfertigen Hauptgebäudes. Es sind somit weder Abfertigungsschalter noch Gepäckbänder vorhanden.

Bleibt die Frage, was Mehdorn zu dem Vorstoß bewegt haben könnte. Schaut man auf seinen Werdegang in der Wirtschaft, dann ist ein Hang zu Schnellschüssen mit kostspieligen Folgen nicht zu übersehen. Die Deutsche Bahn machte Mehdorn für den Börsengang so fit, dass viele Gleisanlagen schon nach wenigen Jahren Sanierungsfälle waren. Bei seinem Zwischenspiel bei „Air Berlin“ bemerkte er die Schieflage der

Fluglinie lange Zeit nicht: Ehe er endlich auf Sanierung umschaltete, wollte er sogar noch Flieger dazu kaufen. Im Fall des Berliner Großflughafens könnte Mehdorn inzwischen allerdings eine Ahnung davon haben, welche Gefahr dem Projekt droht: Die Flughafen-Attrappe, deren Eröffnung mittlerweile zum vierten Mal verschoben wurde, ist mit den verfügbaren Finanzen kaum noch fertigzustellen. Schon jetzt haben sich die Kosten auf 4,3 Milliarden Euro verdoppelt. „Selbst im besten Fall durchbricht das Projekt die Fünf-Milliarden-Mauer“, so die Prognose eines Gesellschafter-Vertreters. Damit dürfte das Ende der Fahnenstange noch nicht einmal erreicht sein. Für ein Projekt, das vor einem Jahr kurz vor der Eröffnung gestanden hat, ist die Liste der noch anstehenden Kosten erstaunlich lang. Das jüngste Urteil zum Schallschutz wird ein Loch von mindestens 300 Millionen Euro in die Kasse reißen. Zu stemmen ist ebenso die Sanierung der baufälligen Nordbahn des BER, die noch aus DDR-Zeiten stammt. Geschätzte Kosten: 150 Millionen Euro. Noch völlig offen ist die Höhe der Schadenersatzforderungen von Unternehmen wie „Air Berlin“ oder Deutsche Bahn wegen der Eröffnungsverschiebung. Schon jetzt sind jeden Monat 20 Millionen Euro für den Unterhalt fällig, weitere 15 Millionen Euro entgehen jeden Monat an Einnahmen. Macht insgesamt 240 Millionen Euro für jedes Jahr, in dem BER nicht in Betrieb geht. Wenig beachtet, verbirgt sich in der Bilanz der Flughafengesellschaft noch ein besonderes Schmankerl. Ein Zinsswap-Geschäft zur Absicherung aufgenommener Kredite. Inzwischen nahezu wertlos, wird der Posten immer noch zum Anschaffungspreis von rund 250 Millionen Euro bilanziert.

Über allem schwebt als unbekannte Größe die Kostenfrage für das Flughafen-Terminal. Muss wirklich nur beim Brandschutz nachgebessert werden oder handelt es sich beim Terminal um einen totalen Sanierungsfall, da es zu klein konzipiert und abweichend von der Baugenehmigung hochgezogen wurde?

Angesichts dieser Aussichten könnte Mehdorns Teileröffnungsplan nichts anderes als der Versuch sein, vollendete Tatsachen zu schaffen. Sein Kalkül könnte wie folgt lauten: Noch bevor im Herbst die Gesamtkosten auf dem Tisch liegen, muss der Betrieb auf dem Flughafen angelaufen sein. Selbst wenn dann über horrende Mehrkosten diskutiert werden muss, wird die Macht des Faktischen verhindern, dass das Projekt insgesamt zur Debatte gestellt wird. Dass bei den drei Gesellschaftern – Berlin, Brandenburg und der Bund – in Bezug auf die Kosten irgendwann die Schmerzgrenze erreicht sein könnte, ist nur eine der drohenden Gefahren. Auch die EU müsste den Nachschuss weiterer öffentlicher Gelder erneut abnicken.

Tatsächlich dürfte es sogar Brüssel sein, wo die eigentliche Entscheidung über die Zukunft des Flughafens fällt. Als Ende 2012 die letzte Zahlung der Gesellschafter über 1,2 Milliarden Euro von der EU-Kommission abgesegnet wurde, war aus Brüssel zu hören, dass letztmalig nur noch einmal ein Zuschuss von 800 Millionen Euro genehmigungsfähig sei. Die Gefahr ist groß, dass zur Fertigstellung von BER dieser Finanzrahmen nicht mehr ausreichen wird. Das Projekt würde dann vor dem endgültigen Aus oder aber vor der Privatisierung stehen. Spätestens dann könnte Mehdorn mit einem neuen Tabubruch aufwarten: Schon als Chef von „Air-Berlin“ war er für eine Überraschung gut, als er die arabische Fluglinie Ethihad als Investor für den Sanierungsfall „Air Berlin“ aus dem Hut zauberte. Norman Hanert


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