28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
08.06.13 / Gegen jede ökonomische Vernunft / Japaner folgen der Kamikaze-Politik von Premier Shinzo Abe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-13 vom 08. Juni 2013

Gegen jede ökonomische Vernunft
Japaner folgen der Kamikaze-Politik von Premier Shinzo Abe

Japans Premier Shinzo Abe von der konservativen LDP sonnt sich im Licht von Zustimmungsraten um die 70 Prozent. Das ist mehr als ungewöhnlich.

Normalerweise stürzen Premiers in der Gunst des japanischen Publikums nach Amtsantritt im Zuge von Skandalen, internen Querelen und gebrochenen Wahlversprechen sehr schnell ab und verschwinden, meist nach einem Jahr bereits, wieder von der Bildfläche. Abe hat dies selbst bei seiner ersten Amtszeit vor sieben Jahren erleben müssen. Er hatte sich damals nur um seine patriotischen Lieblingsthemen – eine nationalbewusstere Erziehung, ein stärkeres Militär und die Revision der von den Amerikanern 1946 geschriebenen Verfassung – und nicht um die Wirtschaft gekümmert. Nach verlorenen Oberhauswahlen gab er mit Magengeschwüren auf. Bei seinem zweiten Versuch sind er und seine in drei schmerzlichen Oppositionsjahren geläuterte Partei besser vorbereitet, alles anders und besser zu machen.

Die Unterhauswahlen im letzten Dezember gewann die LDP an Sitzen – nicht aber an Stimmen – haushoch, weil die politischen Gegner zur Rechten und zur Linken zersplittert waren und die Mitte-Links-Partei der Demokraten nach dem Bruch so gut wie aller ihrer vollmundigen Wahlversprechen abgewirtschaftet hatte. Bei den im Juli bevorstehenden Oberhauswahlen sieht sie einer ähnlichen Niederlage entgegen, und Abe wiederum einem leicht errungenen Sieg, da die meisten Japaner die Haushaltskonsolidierungsversuche und Sparprogramme samt Steuererhöhungen der Vorgängerregierungen satt haben.

Um die stagnierende Wirtschaft, die über einen überbewerteten Yen jammerte, zu beflügeln, ließ Abe einen neuen Rekord-Schuldenhaushalt auflegen – mit Neuverschuldungen in Höhe von elf Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), die die öffentlichen Gesamtschulden Japans auf schwindelerregende 245 Prozent des BIP hochtreiben. Das ist das doppelte Niveau Griechenlands und entspricht der Wirtschaftsleistung von zweieinhalb Jahren, die die Japaner umsonst arbeiten müssten, wollte der Staat alles auf Heller und Pfennig (doch ohne Zinsen!) zurückzahlen. Trotzdem erfreut sich Abe großer Beliebtheit. Wie ein Alkoholiker, der nach einer langen Entzugskur nur mit Möhren- und Grapefruitsaft endlich wieder in seine Stammkneipe einkehrt und lustig Lokalrunden schmeißt, folgt die Masse der Japaner Abes Politik.

Sachlich gesehen spricht nichts dafür, dass das von ihm aufgelegte Konjunkturpaket, das das 16. in nur 20 Jahren ist, besser funktioniert als die vorherigen. Auch deshalb, weil die Bevölkerung altert, die engen Wohnungen bereits vollgestopft sind mit Möbeln, Elektrogeräten und Gebrauchsgütern aller Art, die Realeinkommen sinken, es kaum junge Familien gibt und die Einwohnerzahl mittlerweile um jährlich 300000 Menschen abnimmt, einer mittleren Großstadt entsprechend. Die Frage, wo das auf schuldenfinanziertem Konsum geplante Wachstum herkommen soll, bleibt Abes Geheimnis.

Weiter ließ er die Zentralbank den Geldumlauf verdoppeln und von ihr 70 Prozent aller neuen Staatsanleihen aufkaufen. Die Betätigung der Gelddruckmaschine soll die Deflation besiegen, bei der die japanischen Verbraucher in Erwartung weiter fallender Preise bislang ihre großen Einkäufe aufschoben, und eine Inflationsrate von zwei Prozent durchsetzen.

Nach diesem Gewaltakt fiel der Yen gegenüber dem Dollar und Euro binnen fünf Monaten um 30 Prozent. Die nunmehr verbilligten Exporte zogen um vier Prozent an. Gleichzeitig strömte das Geld in den Aktienmarkt, dessen Nikkei-Index um 75 Prozent auf 15000 Punkte in die Höhe schoss. Von jener guten Börsenlaune ließen sich die Verbraucher allerdings bislang kaum anstecken. Ihr Konsum stieg nur knapp um ein Prozent und beschränkte sic, auf Luxusgüter. Die für einen Konjunkturaufschwung entscheidenden Industrieinvestitionen blieben weiter überschaubar. Auch Löhne und Gehälter steigen nicht. Im Gegenteil, durch vermehrte unterbezahlte Teilzeitjobs, die gut ein Drittel der Arbeitsverhältnisse ausmachen, und nicht verzinste Bankguthaben sinkt das Volkseinkommen eher.

Noch wollen die Japaner nach dem Motto „Hoffnung gegen Erfahrung“ den simplen Rezepten von Abe Glauben schenken, die einen Ausweg aus dem scheinbar unabweisbaren Niedergang ihrer Volkswirtschaft gegenüber dem übermächtigen Rivalen China zu weisen scheinen. Doch die meisten Ökonomen sind auch in Tokio sicher, dass sie, wenn das schuldenfinanzierte Strohfeuer bald erloschen ist, in zwei bis drei Jahren bitter enttäuscht werden. Nachhaltiges Wachstum könnte nur durch mehr Wettbewerb in den geschützten, kaum wettbewerbsfähigen Sektoren der japanischen Wirtschaft kommen: der Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie, dem Gesundheitswesen, der Bau- und Transportbranche, dem Groß- und Einzelhandel. Doch genau hier sind die Stammwähler der LDP auf dem Land und in den Kleinstädten involviert, die die Partei nicht durch schmerzhafte Reformen vergraulen will.

So steuert Japan weiter auf eine Schuldenpleite zu – denn Gelddrucken geht nicht ewig. Aber: Japan ist als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt – im Gegensatz zu Griechenland, Zypern, Irland und Portugal – viel zu groß, um vom Internationalen Währungsfonds (IWF) oder sonst wem gerettet zu werden. Der Sturz Japans könnte Deutschland und Europa wirtschaftlich dann noch teurer zu stehen kommen als die bisherige Euro-Krise.

Albrecht Rothacher


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren