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08.06.13 / Lähmende Vergangenheit / Junge Frau verarbeitet ihre Erfahrungen aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-13 vom 08. Juni 2013

Lähmende Vergangenheit
Junge Frau verarbeitet ihre Erfahrungen aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg

In dem Roman „Kirschholz und alte Gefühle“ der Autorin Marica Bodrožic ist der Name Programm. Nicht nur was das Kirschholz angeht, sondern vor allem die „alten Gefühle“ betreffend. Die seit 1983 in Deutschland lebende, 1973 in Kroatien geborene Autorin verzaubert den Leser durch ihre mal befremdlich und sonderbar klingende, doch dann wieder umso schöner und kristallklar anmutende Wortwahl. Die Wahlberlinerin Bodrožic erhielt zahlreiche Preise für ihre Gedichte, Romane, Erzählungen und Essays. Sie begeisterte bereits mit ihrem Erstling „Das Gedächtnis der Libellen“.

Nun erzählt sie die Geschichte der Jugoslawin Arjeta Filipo, die durch den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien ihre Heimat verlassen musste. Die Möglichkeit, in Paris ein Philosophiestudium anzutreten, sorgte für eine scheinbar sichere Zukunft. Doch die Sehnsucht nach ihren Verwandten und ihrer Heimat verwehrten ihr eine unbeschwerte Zeit in der Stadt der Liebe. Doch zum Glück hatte Arjeta in Paris noch ihre Freunde, die Physikerin Nadeshda und den Vogelkundler Mischa Weisband, die ihr nicht nur über eine tragische Liebe, sondern auch ihre seit der Kindheit wiederkehrende geistige Abwesenheit hinweg halfen.

Als Arjeta sich endlich eingesteht, dass ihre Liebe zu Arik völlig selbstzerstörerisch ist, folgt sie ihrer Freundin Nadeshda nach Berlin. Der Versuch, dort ein neues Leben zu beginnen, konfrontiert sie jedoch mit ihrer Vergangenheit. „Meine Mutter besucht mich hin und wieder in Berlin. Vor einem Jahr fing sie plötzlich an, mir Plastiktüten voller Fotos mitzubringen. Ich habe aufgeräumt, sagte sie und überreichte mir ohne weitere Erklärungen das erste Kilogramm Polaroids.“ Lange hatte Arjeta diese nicht angerührt, doch nun liegen die Fotos verstreut auf dem Küchentisch aus Kirschholz, der einst ihrer Großmutter gehört hatte und auf abenteuerlichen Wegen von Istrien nach Paris und von dort aus nach Berlin gelangt war. Die bunten Fotografien, verteilt auf dem Erbstück, zwingen Arjeta, sich zu erinnern, zu verstehen und zu begreifen, dass man erst mit alten Gefühlen abschließen muss, um Raum für neue zu schaffen.

Der Roman „Kirschholz und alte Gefühle“ ist in sieben Kapitel für sieben Tage unterteilt. Sieben Tage lang begleitet der Leser Arjeta auf ihrem Pfad der Erinnerungen, angefangen bei dem Verlust ihrer Zwillingsbrüder, die in ihrer Kindheit beim Spielen Opfer einer Tretmine wurden. Am Ende sieht Arjeta ihr Leben und ihr Handeln mit deutlich klarerem Blick. Doch auch ihre Freundin Nadeshda hütet ein Geheimnis. Ein Geheimnis, das Licht in Arjetas Dunkel bringen wird. Vanessa Ney

Marica Bodrožic: „Kirschholz und alte Gefühle“, Luchterhand, München 2012, geb., 224 Seiten, 19,99 Euro


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