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15.06.13 / Stotternder Magus / Vor 225 Jahren gestorben: Königsberger Philosoph J. G. Hamann

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-13 vom 15. Juni 2013

Stotternder Magus
Vor 225 Jahren gestorben: Königsberger Philosoph J. G. Hamann

Königsberg war im 18. Jahrhundert deutsche Hauptstadt der Philosophie. Nicht nur Kant lebte und wirkte hier, sondern auch sein Antipode Johann Georg Hamann. Während der Aufklärer Kant die reine Vernunft lehrte, verurteilte Hamann diese Lehre als gewalttätig und despotisch und predigte stattdessen die Reinheit des Herzens.

Gab es da etwa Anzeichen von Revierkämpfen? Wohl kaum. Kö­nigsberg war groß genug, um beide Denker zu verkraften, und Hamann ein zu kleines Licht, um Kant Konkurrenz zu bieten. Im Gegenteil, Kant verhalf dem mittelosen Kollegen 1767 zu einer Stelle im preußischen Staatsdienst bei der Königsberger Provinzal-Akzise und Zolldirektion. Was wie eine Strafversetzung erscheint, war für Hamann ein Glück, denn weil der am

27. August 1730 als Sohn eines Königsberger Baders und Wundarztes Geborene die Universität ohne jeden Abschluss verließ, hatte er nie – wie Kant – einen Anspruch auf einen Lehrstuhl. Im Gegensatz zu Kant war er Hobbyphilosoph, der aber dennoch von seinen Zeitgenossen wahrgenommen wurde. Goethe, der während seiner Studienzeit in Straßburg von Herder auf Hamann aufmerksam gemacht wurde, bekannte, dass ihm dessen geistige Gegenwart „immer nahe gewesen“ sei.

Für diese Anerkennung musste Hamann hart kämpfen. Nach seinem – vergeblichen – Studium der Theologie und Jurisprudenz schlug er sich als Hauslehrer im baltischen Raum durch, machte danach einige journalistische Versuche, ehe er auf Geheiß einer befreundeten Kaufmannsfamilie mit einem handelspolitischen Auftrag nach London reiste. Hier hatte der Lutheraner sein religiöses Erweckungserlebnis, indem er intensiv die Bibel studierte. Es war ein „Schlüssel zu meinem Herzen“, schrieb er.

Zurück in Königsberg blieb Hamann ein „Liebhaber der langen Weile“, von der er im Zollamt offenbar ausgiebig Gebrauch machte. Während der Dienststunden bewältigte er ein Lektürepensum, das ihn zu einem der letzten universal belesenen Polyhistoren reifen ließ. Seine Reflexionen über das Gelesene legte er in Gelegenheitsschriften und Briefen nieder, deren dunkler Redesinn oft schwer nachvollziehbar ist. Im Zentrum seines Denkens steht dabei das Verhältnis von Vernunft und Sprache. Da die menschliche Sprache mit Makeln behaftet sei, könne man mit ihrer Hilfe niemals zur höchsten Vernunft kommen. Das sokratische Nichtwissen blieb Hamanns letztes Wort.

Wer sich hier als Sprachphilosoph betätigte, hatte selbst einen Sprechfehler: Hamann stotterte sein Leben lang. So glaubte er einzig an das göttliche Wort, den Logos der Natur, in dem sich Gott offenbare. Den Stürmern und Drängern um Goethe kamen solche Gedanken gerade recht, wollten sie doch den Genie-Begriff der Aufklärer vom Sockel stoßen. Da sich Hamann bei seiner bibelfesten Argumentation wie die drei Magi aus dem Morgenland auf der Suche nach Christus begab, verlieh ihm der Darmstädter Geheimrat von Moser den ironischen Titel „Magus im Norden“.

Tatsächlich war Hamann nicht nur Wegweiser für den Sturm und Drang, sondern später auch für Philosophen wie Schelling und Kierkegaard oder Autoren wie Ernst Jünger. Einer seiner Bewunderer war auch der westfälische Landedelmann Franz Kaspar von Buchholtz, der Hamann, seine uneheliche Frau – eine Magd – und seine vier Kindern mit 4000 Reichstalern aus dem Fron beim Zollamt erlöste und ihn 1787 ins katholische Münster lotste. Nur ein Jahr später starb Hamann dort am 21. Juni 1788 – nur kurz vor einer geplanten Rückreise nach Königsberg. Harald Tews


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