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15.06.13 / Hoffnungsträger der Nationalbewegung / Heute wird Friedrich III. kritischer gesehen als von seinen (liberalen) Zeitgenossen, aber nicht jede Kritik weiß zu überzeugen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-13 vom 15. Juni 2013

Hoffnungsträger der Nationalbewegung
Heute wird Friedrich III. kritischer gesehen als von seinen (liberalen) Zeitgenossen, aber nicht jede Kritik weiß zu überzeugen

Kein anderer Deutscher Kaiser war der liberalen Nationalbewegung in Deutschland derart verbunden wie Friedrich III. Die Kürze seiner Regierungszeit wurde insbesondere von vielen liberalen Zeitgenossen als nationale Tragödie empfunden. Mittlerweile sieht man Friedrichs Persönlichkeit und Bedeutung kritischer, aber nicht alle Argumente seiner Kritiker überzeugen.

Gerne wird versucht, mit dem Hinweis auf seine in der Tat häufigen Bezugnahmen auf das mittelalterliche Heilige Römische Reich eine Rückständigkeit Friedrichs III. zu suggerieren. Dabei ist es ganz normal, dass eine Nationalbewegung oder ein junger Nationalstaat nach historischen Vorbildern sucht, auf die Suche geht nach der Phase in der Geschichte der Nation, in der das Ideal des Nationalstaates noch am ehesten verwirklicht war. Für die Deutschen des sogenannten zweiten Kaiserreiches war da in der Neuzeit nicht viel zu finden. Der Deutsche Bund von 1815 war zu locker und das Heilige Römische Reich in der Neuzeit nur noch ein Schatten seiner selbst. Von daher bot sich eine Bezugnahme auf das mittelalterliche Reich, dessen Kern Deutschland bildete, förmlich an. Mittlerweile wissen wir, dass im fortschrittlichsten Land zu Zeiten Fried­richs III., dem Vereinigten Königreich, sogar Traditionen zwecks Legitimation und Identitätsbildung erfunden wurden. Da überzeugt es wenig, einem Deutschen jener Zeit es als Rückständigkeit auszulegen, wenn er ungleich eleganter versucht, an tatsächlich bereits vorhandene Traditionen anzuknüpfen.

Rückständig waren da schon eher jene Preußen, die noch im partikularistischen Denken verhaftet waren und im Deutschen Reich ein Art Großpreußen sahen. Ganz in ihrem Sinne war es, dass der Reichsadler den Preußenschild auf der Brust trug und dass Friedrich auch als Deutscher Kaiser den Titel „Friedrich III.“ führte, obwohl er nur als König von Preußen der dritte Friedrich war. Ihnen war das Anknüpfen an die Tradition des Alten Reiches alleine schon deshalb ein Greuel, weil es in seiner letzten Phase von Österreich dominiert gewesen war, dem langjährigen Konkurrenten Preußens um die Vorherrschaft in Deutschland.

Über derart partikularistisches Denken war Friedrich III. erhaben. Während sein Vater primär König von Preußen und erst in zweiter Linie Deutscher Kaiser war, war es bei Friedrich III. umgekehrt. Er sah in den Österreichern weniger Preußens ewigen Konkurrenten als deutsche Landsleute. So war es denn auch nicht nur Friedensliebe, sondern auch das patriotische Leiden an der deutschen Selbstzerfleischung, das ihn den deutschen Bruderkrieg von 1866 ablehnen ließ. Andererseits unterstützte er tatkräftig Otto von Bismarck, als dieser seinen Vater nach der Schlacht von Königgrätz zum Vorfrieden von Nikolsburg mit Österreich und nach der Reichsgründung zum Zweibund mit Österreich drängte. Er hatte denn auch keine Probleme, sich trotz Österreichs zeitweiliger Dominanz in die Tradition des sogenannten Alten Reiches zu stellen. So hätte er sich gerne „Friedrich IV.“ genannt in Fortsetzung der Zählung der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Auch schlug er in Fortsetzung der Tradition des Heiligen Reiches einen Reichsadler ohne Preußenschild vor. Das mag man rück­wärtsgewandt nennen, doch war der preußenschildlose Adler nicht nur das Wappen des gewesenen Alten Reiches, sondern auch des späteren demokratischen Deutschland in Form der Weimarer Republik und der Bundesrepublik. Überhaupt sollte man erwägen, die Bezugnahmen des geschichtsbe­wuss­ten Preußen mit Sinn für politische Symbolik auf das Alte Reich weniger als Ausdruck von Rück­ständigkeit zu kritisieren denn als Bekenntnis zur Gleichberechtigung der Deutschen aller Teile des Reiches zu würdigen.

Ähnliches gilt für die Kritik an Friedrichs III. Streben nach einer Stärkung des Kaisertums. Wenn er dieses primär auf Kosten des Parlamentes hätte tun wollen, könnte man dieses tatsächlich als illiberal deuten, doch Friedrichs III. Attacken richteten sich weniger gegen den Reichstag als gegen die Fürsten der Teilstaaten des Reiches. Der Kaiser, den Friedrich III. gestärkt sehen wollte, war eben nicht nur der Monarch, sondern auch ein Reichsorgan. Und mit seinem Streben nach mehr Einheit, nach einer Stärkung des Reiches auf Kosten seiner Bundesstaaten war Friedrich III. seiner Zeit voraus. Drei Jahrzehnte nach seinem Tod wurde die von ihm gewünschte Zentralisierung mit der Weimarer Verfassung Realität. Überhaupt wurde manches von dem, was Fried­rich III. erstrebte, erst nach dem Kaiserreich Realität. Das gilt für den Reichsadler an der Kopfbedeckung der Armee genauso wie für das eine deutsche Heer als analoges Pendant zur einen deutschen Marine und den Verzicht auf die Kokarde der Teilstaaten an der militärischen Kopfbedeckung.

Friedrichs III. Streben, Kaiser aller Deutschen zu sein, konnte er bereits als Kronprinz im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 im Kleinen in die Praxis umsetzen. Dort kommandierte er nämlich mit der 3. Armee den ersten gesamtdeutschen Heeresverband in der deutschen Geschichte. In dieser Funktion setzte er den Grundstein für seine Beliebtheit als „unser Fritz“ gerade auch unter seinen Landsleuten außerhalb der preußischen Grenzen. Bezeichnend ist die Äußerung aus dem Kreis seiner bayerischen Soldaten, mit ihm an der Spitze hätten sie den vorangegangenen Deutschen Krieg nicht verloren.

Friedrich III. gewann in den Ei­ni­gungskriegen nämlich nicht nur Sympathien, sondern auch Schlachten. Bei Sedan nahm er die Kapitulation von Kaiser Napoleon III. und der Festung entgegen. Bei Königgrätz brachte sein Erscheinen die schlacht- und kriegsentscheidende Wende. Beim ersten Ei­ni­gungs­krieg hatte er kein Kommando, trug vielmehr als Verbindungsmann zwischen preußischen und österreichischen Heerführern das Seinige dazu bei, dass die Waffenbrüderschaft bis zum Sieg über Dänemark hielt.

Mit Helmuth von Moltke hatte Friedrich III. vorher einen optimalen Strategielehrer gehabt. Der vielseitig gebildete „große Schweiger“ war nämlich nicht nur der größte deutsche Stratege seiner Zeit, sondern gilt auch als glänzender Pädagoge. Überhaupt genoss der am 18. Oktober 1831 im Neuen Palais bei Potsdam geborene Preußenprinz eine bemerkenswert gute Ausbildung. Als erster Hohenzoller studierte er und das auch noch in der liberalen Hochburg Bonn. Dort gehörte zu seinen akademischen Lehrern der Wortführer der „Göttinger Sieben“, Friedrich Christoph Dahlmann.

Abgesehen von seinen durch die Bank intellektuell hochkarätigen Lehrern haben zwei liberale, intelligente, gebildete und willensstarke Frauen Einfluss auf den eher weichen, gemütvollen Friedrich III. gehabt. Da ist zum einen seine Mutter Augusta aus Weimar. Und da ist zum anderen seine Ehefrau, die von ihm heiß geliebte älteste Tochter von Königin Victoria und Prinzgemahl Albert. Beide überlebten Fried­rich III.

Ob es eine Tragödie für Deutschland war, darüber herrscht geteilte Ansicht, für ihn war es auf jeden Fall eine: Als der einst stattliche Mann auf der Höhe seiner Schaffenskraft war, sah er sich wegen des langen Lebens seines Vaters sowie seines Gehorsams und seiner Loyalität diesem gegenüber zur Untätigkeit verbannt und als seine Regentschaft endlich begann, war ihr Ende nicht mehr fern. 99 Tage später endete sie mit seinem Leben. Die wenigen Akzente, die der Kaiser in diesen gut drei Monaten setzte, auf eine Regentschaft üblicher Länge hochzurechnen, wäre unseriös, war der Mann, den die Londoner einst „Lohengrin“ riefen, doch bereits beim Regierungsantritt vom nahen Tod gezeichnet und entsprechend gehandicapt. Er starb am 15. Juni 1888 an seinem Geburtsort an Kehlkopfkrebs. Manuel Ruoff


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