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15.06.13 / Bewahrer der Republik / Türkisches Militär sieht sich als Hüterin der laizistischen Staatsdoktrin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-13 vom 15. Juni 2013

Bewahrer der Republik
Türkisches Militär sieht sich als Hüterin der laizistischen Staatsdoktrin

Wie erhaben ist es, zu sagen: Ich bin ein Türke!“ Dieser Ausspruch Mustafa Kemal Atatürks, des Staatsgründers der türkischen Republik, steht noch heute über dem Land. Atatürk brach rigoros mit der osmanischen Vergangenheit und rief einen radikalen Nationalismus ins Leben. Grundlage des neuen Staatswesens war die strikte Trennung von Politik und Religion und die Erhebung des Türkentums zum wichtigsten Integrationsfaktor der Republik. Auch wenn Atatürk bis heute verehrt wird, gab es immer wieder Bestrebungen, den von ihm geschaffenen laizistischen Verfassungsstaat zu beseitigen. Dass es nicht dazu kam, verdanken die Türken vor allem dem Militär.

Nach Atatürks Tod im Jahre 1938 setzten seine Nachfolger seinen Modernisierungskurs zunächst fort. Doch 1950 gewann die Demokratische Partei (DP) die Parlamentswahl mit absoluter Mehrheit. Entscheidend dafür war unter anderem ihr Versprechen, dem Islam wieder eine größere Rolle im öffentlichen Leben zukommen zu lassen. Als es in den Folgejahren zu schweren, von der Regierung inszenierten Pogromen an orthodoxen Christen kam und die Regierung ihre Position durch eine Art Ermächtigungsgesetz sichern wollte, putschte 1960 das Militär. Es führte eine neue Verfassung ein und übergab Ende 1961 die Macht an eine Zivilregierung unter Atatürks altem Weggefährten Ismet Inönü.

Doch 1965 gewann die Nachfolgepartei der verbotenen DP die absolute Mehrheit. Gegen Ende des Jahrzehnts verschlechterte sich die Wirtschaftslage und das Land wurde von Terroranschlägen von links und rechts erschüttert. Im März 1971 forderte die Armee Reformen und die Bekämpfung des Terrors, andernfalls werde sie putschen. Die Regierung trat zurück und das Land wurde für zwei Jahre von einer überparteilichen Technokratenregierung geführt. Im Oktober 1971 gelangte mit der MSP unter Necmettin Erbakan erstmals eine islamistische Partei in Regierungsverantwortung. Als es zu politischer Instabilität mit bürgerkriegsähnlichen Auswirkungen kam, putschte sich das Militär im September 1980 erneut an die Macht. Die von ihm vorgelegte Verfassung wurde Ende 1982 in einem Volksentscheid angenommen und die Macht ging wieder in zivile Hände über.

Die folgenden Jahre waren durch wechselnde politische Mehrheiten gekennzeichnet, bis 1995 Erbakans neue Partei, die islamistische Wohlfahrtspartei, stärkste politische Kraft wurde. Seine Politik stand in krassem Widerspruch zu der von Atatürk begründeten laizistischen Staatsdoktrin, als deren Hüter sich die Militärs nach wie vor sahen. Im Juni 1997 erzwangen sie Erbakans Rücktritt und ein Verbot seiner Partei. Dessen Nachfolger begannen mit Reformen und stärkten die Menschen- und Freiheitsrechte. Bei den Wahlen 2002 wurde die Partei von Erbakans politischem Ziehsohn Recep Tayyip Erdogan stärkste Kraft. Regierungschef wurde dieser allerdings nicht, da er wegen islamistischer Propaganda inhaftiert gewesen war. Erst nachdem das entsprechende Gesetz geändert und Neuwahlen durchgeführt waren, wurde Erdogan Ministerpräsident. Jan Heitmann


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