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29.06.13 / Die eigene Karriere fest im Blick / Da ein SPD-Wahlsieg unwahrscheinlich ist, arbeitet SPD-Chef Sigmar Gabriel bereits an seiner Zukunft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-13 vom 29. Juni 2013

Die eigene Karriere fest im Blick
Da ein SPD-Wahlsieg unwahrscheinlich ist, arbeitet SPD-Chef Sigmar Gabriel bereits an seiner Zukunft

Innerhalb der SPD gilt Parteichef Sigmar Gabriel mittlerweile als Problemfall, der den ohnehin missglückten Wahlkampf von Peer Steinbrück zusätzlich erschwert. Tatsächlich könnte der vermeintliche Querulant Gabriel aber ein gewiefter Taktiker sein.

Ein Vierteljahr vor der Bundestagswahl wird von der SPD ein seltsames Schauspiel geboten. Recht krampfhaft versuchen SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück und Parteichef Gabriel, mit einem gemeinsamen Interview ein harmonisches Bild abzugeben. Vorangegangen war ein regelrechter Kleinkrieg, der bereits seit Monaten zwischen beiden Spitzengenossen tobt. Der vorläufiger Höhepunkt: Eine heftige Attacke Steinbrücks auf Gabriel mit dem Vorwurf, er würde ihm zu wenig Unterstützung im Wahlkampf geben, Gabriel sei sogar illoyal.

Zwar ist Steinbrück im Wahlkampf auch ohne fremdes Zutun in zahlreiche Fettnäpfchen getappt, daran, dass bei Steinbrück nun die Nerven blank liegen, hat Gabriel aber trotzdem seinen Anteil. Während einer Fraktionssitzung hatte Gabriel etwa unlängst eine Debatte über die Wahlkampfführung angezettelt, was wenige Wochen vor dem Wahltermin am 22. September nicht nur aus Sicht des SPD-Spitzenkandidaten Steinbrück einem Tritt vor das Schienbein gleichkommt. Noch weitaus mehr dürfte aber ein anderer Vorstoß von Gabriel die Nerven strapaziert haben. In einem Interview hatte Gabriel dafür plädiert, auf Deutschlands Autobahnen ein Tempolimit von 120 einzuführen. Der Vorschlag verstörte nicht nur einen Teil der SPD-Stammwählerschaft, sondern vermasselte Steinbrück nebenbei die Präsentation seines Investitionsprogramms für Verkehrswege. Während Gabriels Tempovorstoß für Schlagzeilen sorgte, verschwand Steinbrücks in Aussicht gestelltes Zwei-Milliarden-Euro-Wahlgeschenk in der medialen Versenkung. Der Vorgang hat einen gehörigen Anteil daran, dass Gabriel in Teilen der SPD inzwischen als Problemfall gilt. Auch dürfte der Umstand, dass Gabriel sich Himmelfahrt mit Merkel zu einem vertraulichen Gespräch getroffen haben soll, für Irritationen in der SPD gesorgt haben.

Die Motivation für Gabriels destruktiven „Nebenwahlkampf“ dürfte Spitzenkandidat Steinbrück mit einem taktischen Fehler selbst gelegt haben. Als Juniorpartner einer großen Koalition stehe er nicht zur Verfügung, so die klare Ansage Steinbrücks. Egal welche Umfrage man heranzieht, zu mehr als zum Juniorpartner der CDU wird es für die SPD nach dem 22. September aber kaum reichen. Die aktuellen Zustimmungswerte schwanken zwischen 22 Prozent und 27 Prozent, was für Rot-Grün zu wenig ist, aber für eine Partnerschaft mit der CDU allemal ausreicht. So dürfte der Wahlabend des 22. September das Ende der politischen Karriere Steinbrücks einleiten. Im Gegenzug könnte aber für Gabriel – der in Steinbrücks „Kompetenzteam“ nicht vorkommt – der Weg für eine steile Karriere frei werden: als Vize-Kanzler unter Angela Merkel, samt Ministerposten als Bonus.

Auf den ersten Blick mag Gabriels Vorgehen erstaunlich erscheinen: Immerhin war er es, der Peer Steinbrück den Vortritt zur Kanzlerkandidatur gelassen hat. Tatsächlich hat Gabriel aber mit dem Schritt Realitätssinn bewiesen. Zum damaligen Zeitpunkt lag er bei den Wählern in der Beliebtheit hinter seinen Konkurrenten Frank-Walter Steinmeier und Steinbrück deutlich zurück. Wenige Monate Wahlkampf haben ausgereicht, den einstigen SPD-Hoffnungsträger Steinbrück zu entzaubern. Steinmeier galt innerhalb der „Troika“ ohnehin nur als Zählkandidat im eigentlichen Duell zwischen Gabriel und Steinbrück. Zu angeschlagen galt Steinmeier durch sein 23-Prozent-Debakel bei der Bundestagswahl 2009.

Kommt es im Herbst zu einer Neuauflage einer großen Koalition, dann eröffnen sich nicht nur für Gabriel neue Perspektiven. Auch für die derzeitige Amtsinhaberin Angela Merkel hätten die „Genossen“ als Juniorpartner im Vergleich zur FDP einigen Charme. Inzwischen ohne eigene Mehrheit im Bundesrat, bleibt Merkel nach den Wahlen auf eine Kooperation mit der SPD angewiesen. Ist die SPD mit im Regierungsboot, dürfte sie im Bundesrat für Merkel kein Problem mehr darstellen.

Ungeachtet aller Wahlkampf-rhetorik dürfte eine Basis für eine große Koalition durchaus vorhanden sein. Die von Merkel in Aussicht gestellten Milliardenwahlgeschenke werden nach dem 22. September auch bei der SPD kaum Gewissensbisse verursachen. Was von der aktuellen Absage der CDU zu Steuererhöhungen zu halten ist, war bereits im Jahr 2005 zu sehen. Trotz vorigem Dementi der CDU im Wahlkampf einigte sich die Koalition damals auf eine happige Erhöhung der Mehrwertsteuer. Genauso wenig dürfte die Europa-Politik ein ernsthaftes Hindernis sein: Während Merkels Absagen an Euro-Bonds allgemein bekannt ist, wurde bisher wenig beachtet, dass die SPD die Forderung nach dieser gemeinsamen Schuldenhaftung in der Euro-Zone nicht in ihr Wahlprogramm aufgenommen hat.

Die böse Überraschung für die Wähler könnte im Falle einer großen Koalition dafür den Namen „Altschuldentilgungsfonds für Europa“ tragen. Statt für zukünftige Schulden würde den Deutschen dann die Haftung für bereits gemachte Schulden anderer EU-Länder aufgehalst. Die SPD befürwortet ganz offen das Modell „Altschuldenfonds“, die CDU schweigt in ihrem Wahlprogramm vielsagend zum Thema. Norman Hanert


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