19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
29.06.13 / Probleme liegen tiefer / Brasilianer lassen sich dieses Mal nicht abspeisen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-13 vom 29. Juni 2013

Probleme liegen tiefer
Brasilianer lassen sich dieses Mal nicht abspeisen

Bislang glaubte man, Karneval und Fußball seien die größten Massenmagneten in Brasilien und die Politik hätte dort eher eine untergeordnete Bedeutung. Im früher konfliktscheuen Brasilien vollzieht sich jetzt ein historischer Wandel. Traditionell galt Brasilien als Land, in dem politische Konflikte nicht auf die Straße getragen wurden. Die Brasilianer wurden als eher apolitisch und harmoniebedürftig eingeschätzt.

Inspiriert von den Frühlings- und Occupy-Bewegungen, die in den vergangenen Jahren rund um den Globus entstanden sind, meldet sich auch in Brasilien eine Protestbewegung zu Wort, die über das Internet und die sozialen Netzwerke mobilisiert wurde. Die Ähnlichkeiten sind offensichtlich: Auch die Demonstranten in Brasilien haben keine Anführer oder Organisationen, die die Demonstranten repräsentieren. Wie in anderen Ländern haben auch die Demonstranten in Brasilien nicht nur eine Forderung, sondern Tausende: Sie reichen von einer besseren Verteilung des Wohlstands über eine gerechtere Indianerpolitik bis hin zur schärferen Bekämpfung der Korruption, als dem Hauptübel.

Entzündet hatten sich die Proteste an der Fahrpreiserhöhung für öffentliche Verkehrsmittel. Busfahrten sollten um bis zu 20 Centavos (etwa acht Euro-Cent) teurer werden. Die Lebenshaltungskosten und Abgaben, die die Brasilianer zahlen, sind enorm hoch und angesichts der Qualität der Gegenleistungen eine Unverschämtheit. Dass der Staat gleichzeitig für die Vorbereitung der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 Milliarden Euros bereitstellt, empfinden viele als Affront.

Ähnlich wie in der Türkei gehen im größten Land Lateinamerikas vor allem junge Menschen und Mitglieder der neuen Mittelschicht auf die Straßen. Die Protestwelle zeigt, dass Brasiliens rasanter Aufstieg in den jüngsten Jahren nicht alle Menschen des Landes erfasst hat. Dabei trifft der Protest die Präsidentin Dilma Rousseff vergleichsweise unberechtigt, denn im Vergleich zu ihren Amtsvorgängern bekämpft sie ernsthaft die Korruption im Land.

Rousseff befahl der brasilianischen Militärpolizei, Konfrontationen unter allen Umständen zu vermeiden, und versprach eine neue Sozialpolitik, auch wurde die Fahrpreiserhöhung rückgängig gemacht, aber die Proteste gehen weiter.

Brasilien hat in den vergangenen Jahren eine beeindruckende Entwicklung hingelegt und sich zur sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt entwickelt, doch mehrere Millionen Einwohner leben trotz des Aufschwungs weiter in Armut. Wie die Türkei ist auch Brasilien am Ende eines langen wirtschaftlichen Aufschwungs, da wächst die Unzufriedenheit mit der Regierung. Viele Brasilianer sind besorgt, weil die Wirtschaft nicht mehr so stark wächst wie gewohnt und die Preise trotzdem spürbar steigen. Brasiliens Wirtschaftswachstum lag im ersten Quartal 2013 nur noch bei 0,6 Prozent. Die Inflationsrate stieg hingegen bis Mai auf 6,5 Prozent, die Lebensmittelpreise stiegen sogar um 13 Prozent. B.B.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren