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29.06.13 / Der »Narr vom Bodensee« / Vor 175 Jahren wurde der Luftschiffkonstrukteur Graf Ferdinand von Zeppelin geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-13 vom 29. Juni 2013

Der »Narr vom Bodensee«
Vor 175 Jahren wurde der Luftschiffkonstrukteur Graf Ferdinand von Zeppelin geboren

Was soll man an diesem Mann mehr bewundern – seine technische Vision oder sein dickköpfiges Beharrungsvermögen? Beides war notwendig, um das von Ferdinand von Zeppelin entwickelte starre Luftschiff fliegen zu lassen. Es ist die Geschichte harter Rückschläge, die viele entmutigt hätten, und grandioser Erfolge, die den Namen des Grafen zum Synonym für die fliegenden Zigarren machte: den Zeppelin.

Am 8. Juli 1838, also vor 175 Jahren, wurde Graf Ferdinand von Zeppelin in Konstanz geboren. Sein Interesse für Technik war früh erkennbar und daran orientierte sich auch seine Ausbildung. Er besuchte nach der Realschule das Polytechnikum in Stuttgart, kam mit 17 Jahren als Kadett zur Kriegsschule Ludwigsburg und studierte drei Jahre später in Tübingen Staatswissenschaften, Maschinenbau und Chemie. Es war nicht der viel zitierte schöne Traum vom Fliegen, die Sehnsucht nach der endlosen Weite der Lüfte, die ihn antrieb, ein Luftschiff zu entwickeln. Einmal mehr erwies sich der Krieg als Vater aller Dinge. Als Beobachter nahm Zeppelin 1863 am Amerikanischen Bürgerkrieg teil. Auf der Seite der Nordstaaten erlebte er zum ersten Mal den Einsatz von Ballons im Kampf. Sie wurden als Feldluftschiffe zur Aufklärung und zur Lenkung des Artilleriefeuers genutzt. Aber die Ballons blieben ein recht unzuverlässiges Hilfsmittel. Ihr Einsatz bestimmte der Wind, ihren Kurs die Windrichtung. Zur präzisen Planung taugten sie nicht. Zeppelin erkannte diese Schwäche rasch. Spätestens, seit er am 30. April 1863 an einer Ballonfahrt hatte teilnehmen können, ließ ihn dieses Thema nicht mehr los. Es wurde bestimmend für sein Leben.

Ein Jahr später, zurück von dem Ausflug nach Amerika, rückte er wieder in sein Regiment ein. Im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 erlebte er noch einmal den eher zweifelhaften Versuch der Franzosen, Aufklärungsballons einzusetzen. Aber erst drei Jahre später, am 25. April 1874, taucht in seinem Tagebuch vorsichtig die Idee eines lenkbaren Luftschiffes auf. Wahrscheinlich hatte ihn dazu ein Vortrag des Reichspostministers Heinrich von Stephan angeregt, der am Tag zuvor weit in die Zukunft geblickt und über Weltpost und Luftschifffahrt referiert hatte.

Zeppelin machte militärisch Karriere, wurde württembergischer Militärbevollmächtigter in Berlin und schließlich 1887 zum Gesandten. Auf schrullige Ambitionen lässt das nicht schließen. Nun aber wagte er sich mit seiner Idee erstmals an eine – wenn auch begrenzte – Öffentlichkeit. Er verfasste für seinen König eine Denkschrift mit dem Titel „Notwendigkeit der Lenkballone“. Darin kam er zu dem Schluss, nur lenkbare Luftschiffe seien militärisch brauchbar. Die militärisch-diplomatische Karriere Zeppelins endete ziemlich abrupt, als er beim Kaiser in Ungnade fiel. Er hatte – das Ende seiner Amtszeit in Berlin in Sicht – in einer „persönlichen Denkschrift“ 1891 Kritik geübt am preußischen Oberkommando über württembergische Truppenteile. Das kam nicht gut an. Nach dem alljährlichen Herbstmanöver beurteilte ihn der preußische General von Kleist so negativ, dass Zeppelin seinen Abschied nahm.

Nun war er frei und hatte die Zeit, sich vollständig seiner eigentlichen Aufgabe zu widmen – der Konstruktion eines lenkbaren Luftschiffes. Von Anbeginn kämpfte er gegen Ungläubigkeit und massiven Widerstand. Eine von Kaiser Wilhelm II. einberufene Kommission, der etliche namhafte Professoren angehörten, benötigte nur zwei Sitzungen, um den Daumen zu senken: keine Förderung. Damit war Zeppelin unten durch. Er wurde zum Gespött der Straße und als „Narr vom Bodensee“ verlacht. Sein Versuch, das Startkapital in Höhe von einer Million Mark aufzutreiben, scheiterte. Der Kaiser zeigte sich spendabel und bewilligte einen Zuschuss von 6000 Mark. Immerhin 100000 Mark konnte Zeppelin bei Freunden und dem württembergischen Königshaus locker machen. Mehr Verständnis und Hilfe fand er beim Verein Deutscher Ingenieure. Die Techniker erkannten die Chancen des Projektes. Der Verband warb für die Idee und so konnte 1898 die Aktiengesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt gegründet werden. Daran beteiligten sich zwar etliche Industrielle, aber die Hälfte des Stammkapitals von 800000 Mark musste Zeppelin selbst aus seinem Privatvermögen aufbringen. Noch im selben Jahr wurde ihm das Reichspatent 98580 zugesprochen. Der Bau des Luftschiffes konnte beginnen.

Kernelemente der Konstruktion waren ein festes Gerippe aus Aluminium, zusammengesetzt aus Ringen und Längsträgern, Aufteilung des Gasraumes in mehrere Zellen und eine Luftschraube. Auf welches Wagnis sich der Graf vom Bodensee mit Baubeginn 1899 einließ, zeigen Zitate aus jener Zeit. Außer den Ingenieuren hatte er wenige Freunde. Was er vorhatte, galt als schlicht nicht möglich. Kaiser Wilhelm II. nannte ihn den „Dümmsten aller Süddeutschen“. Und Zeppelin selbst klagte trotzig: „Für mich steht naturgemäß niemand ein, weil keiner den Sprung ins Dunkel wagen will. Aber mein Ziel ist klar und meine Berechnungen sind richtig.“ Seine Berechnungen erwiesen sich in der Tat als richtig. Mit der Jahrhundertwende kam es zu den drei ersten Aufstiegen über dem Bodensee. Zum ersten Mal war der große Augenblick der Wahrheit am 2. Juli 1900 gekommen. Es war gegen 20 Uhr, als das Luftschiff auf einem Floß aus einer schwimmenden Halle auf dem Bodensee gezogen wurde. Und es stieg empor! Das hatte die Welt noch nicht gesehen. Nach 18 Minuten war es mit dieser Weltsensation bereits vorbei. Zeppelin hatte früher als erwartet landen müssen, weil es technische Probleme gegeben hatte. Aber das waren Kleinigkeiten, von denen das Publikum nichts wusste. Dreimal stieg der Zeppelin vom Bodensee auf, jedes Mal wurden die Ergebnisse besser. Kaiser Wilhelm II. änderte seine Meinung, er verlieh dem „Dümmsten aller Süddeutschen“ den Roten Adlerorden I. Klasse.

Denken – fliegen – lenken, das hatte noch niemand fertiggebracht. Ein neuer Typ des Zeppelins, wie er nun allgemein hieß, sollte gebaut werden. Das würde wieder teuer werden. Eine Lotterie sollte das Geld bringen. Das war schon bei den Typen Z 2 und Z 3 so gewesen. Mit Z 4 sollte der Durchbruch geschafft werden. Z 4 sollte an das Militär verkauft werden. Die Militärs aber verlangten, der Zeppelin 4 solle nachweisen, dass er für eine Fahrt über 24 Stunden geeignet sei. Die Demonstrationsfahrt wurde zu einer Unglücksfahrt. Um 6.22 Uhr startete man in Friedrichshafen Richtung Mainz, um 17.24 Uhr musste man wegen eines Motorschadens bei Trebur-Geinsheim notlanden. Um 22 Uhr war der Schaden behoben, Z 4 startete wieder. Zwei Stunden später die nächste Notlandung. Am nächsten Tag riss ein Sturm das Luftschiff von seiner Verankerung und schleuderte es gegen einen Obstbaum. Es fing Feuer und brannte restlos aus. Ausgerechnet diese Chaosfahrt brachte für Zeppelin die wirtschaftliche Wende. Beeindruckt von dem Unfall, hielt ein Unbekannter am Unglücksort eine zündende Rede, in der er zu Spenden für den Zeppelin aufrief. Er muss sehr überzeugend gewirkt haben, denn die Zuschauer spendeten spontan, später wurde daraus die „Zeppelinspende des deutschen Volkes“. Mehr als sechs Millionen Mark kamen dabei zusammen. Mit diesem Geld konnte Zeppelin die „Luftschiffbau Zeppelin“ und die Zeppelin-Stiftung gründen. Beide bestehen heute noch. Zeppelin selbst bezeichnete später den 5. August 1908 als „die Geburtsstunde der nationalen Luftschifffahrt in Deutschland“.

Die Militärverwaltung kaufte dann doch noch im gleichen Jahr ein Luftschiff von Zeppelin. Ab 1909 flog der Zeppelin auch zivil, machte bis 1914 über 1500 Fahrten mit 35000 Gästen. Es ging aufwärts. In Potsdam-Pirschheide kaufte Zeppelin 1910 ein Gelände von 25 Hektar, auf dem er bis 1912 eine Luftschiffhalle errichtete, die er zum Luftfahrtzentrum Europas machen wollte. Diese Pläne konnte er allerdings nicht mehr vollenden. Zeppelin starb am 8. März 1917. Im gleichen Jahr wurde auch die Produktion in Potsdam eingestellt. Der Vertrag von Versailles bedeutete für den Zeppelin vorerst das Aus, bevor die Zeit der Luftschiffe nach dem Brand der „Hindenburg“ in Lakehurst im Mai 1937 endgültig beendet war. Klaus J. Groth


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