20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
29.06.13 / Tödliche Geißel der Monarchen / Die Wassersucht raffte sechs Hohenzollernherrscher hinweg — Wahrscheinlich war es eine Erbkrankheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-13 vom 29. Juni 2013

Tödliche Geißel der Monarchen
Die Wassersucht raffte sechs Hohenzollernherrscher hinweg — Wahrscheinlich war es eine Erbkrankheit

Die „Wassersucht“ galt als die „Schicksalskrankheit“ der brandenburgischen Linie der Hohenzollern, denn ihr fielen mindestens sechs Kurfürsten beziehungsweise Könige von Preußen zum Opfer. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde die Veranlagung hierfür vererbt, allerdings tat die damalige Lebensweise ein Übriges. Zudem besaß die Medizin seinerzeit keinerlei Kenntnisse hinsichtlich einer angemessenen Prävention und Behandlung.

Am 9. Januar 1499 starb der vierte Kurfürst von Brandenburg, Johann Cicero, auf der altmärkischen Arneburg im Alter von nur 43 Jahren an der sogenannten „Brustwassersucht“. Damit fand zum ersten Male eine Diagnose beziehungsweise Todesursache Erwähnung, welche sich dann insbesondere im 18. Jahrhundert wie ein roter Faden durch die Familiengeschichte der brandenburgischen Linie der Hohenzollern ziehen sollte. Zuvor wurden freilich auch noch die Kurfürsten Georg Wilhelm und Friedrich Wilhelm von der Wassersucht hinweggerafft; der erstere segnete 1640 das Zeitliche, während der „Große Kurfürst“ der Krankheit 1688 erlag.

Als nächstes traf es seinen Enkel, den „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. von Preußen. Der litt schon mindestens fünf Jahre vor seinem Tod unter Erstickungsanfällen und den typischen Wasseransammlungen im Körper, die ihn – wie er selbst mehrmals bezeugte – aufs äußerste beeinträchtigten. Zum Schluss konnte sich der Herrscher wegen seiner Wassersucht ausschließlich im Rollstuhl fortbewegen und im Sitzen schlafen und verstarb schließlich 1740 an einer hinzukommenden Lungenentzündung, allerdings nicht ohne zuvor noch seinem erlöschenden Puls zu befehlen: „Er soll nicht stillstehen!“

Ebenso betroffen war Friedrich der Große. Der erreichte zwar aufgrund seines eisernen Willens trotz vielfältiger körperlicher Beeinträchtigungen ein Alter von 74 Jahren – immer getreu dem Motto: „Mein Organismus muss, koste es was wolle, funktionieren. Ich behandle ihn wie eine alte Schindmähre und gebe ihm die Sporen.“ Dennoch verbrachte er dann die letzten Lebenstage genau wie sein Vater in einem Sessel sitzend, weil es ihm unmöglich geworden war, liegenderweise zu atmen. Der Leibarzt des Monarchen notierte hierzu später: „Der König hatte die Brustwassersucht, die Bauchwassersucht und eine erhebliche Ergießung von Wasser in seinen Schenkeln und Beinen.“ Deshalb war es nötig, dem Leichnam noch am 17. August 1786 mehrere Liter Wasser abzuzapfen, damit er mit der Uniform des ersten Gardebataillons bekleidet werden konnte.

Genauso qualvoll endete der nächste preußische König, Friedrich Wilhelm II., im Jahre 1797. Der im Volksmund „dicker Willem“ Genannte war erst 53 Jahre alt, als er nach drei Jahren schweren Leidens einsam im Sessel sitzend verstarb, wobei er in seinem langen Todeskampf das Leder von der Lehne riss.

Gegen die Wassersucht der Hohenzollernherrscher versuchten die Ärzte, aber auch allerlei Quack­salber, mit unzähligen skurrilen Mitteln anzukämpfen. So schlug ein Laborant aus Magdeburg vor, Friedrich Wilhelm II. auf Polsterkissen zu lagern, welche die Ausdünstungen ungeborener Kälber von sich geben. Und der extra aus Paris herbeigerufene „Magnetiseur“ de Beaunnoir verordnete dem König gar: „Täglich zwei elektrische Bäder, ein jedes von einer Stunde.“ Dazu kam die Anweisung, im Nebenzimmer „eine sanfte und süße Musik von Blasinstrumenten“ zu spielen und zwei „heitere“ Kinder zwischen acht und zehn Jahren links und rechts von Friedrich schlafen zu lassen – wegen ihrer „gesunden und reinen Ausdünstungen“. Außerdem verordnete der französische Scharlatan noch den Anblick junger Katzen, Reis mit Honig, spanischen Wein und eine russische Pelzmütze.

Es versteht sich von selbst, dass derlei Unfug auf den Widerstand der Erkrankten stieß. Insbesondere Friedrich der Große meinte, „die Docters seindt große Idioten“, weshalb er sich gegen alle Diäten wehrte und nach Berichten von Augenzeugen stattdessen lieber „Rindfleisch, das mit einem halben Quart Branntwein gedämpft war“, ein Gemisch aus türkischem Weizen, Parmesan, Knoblauchsaft und Butter, Aalpastete und jede Menge von „blähenden Früchten“ verspeiste. Dies veranlasste General Görtz zu der absolut zutreffenden Äußerung: „Die Köche waren seine gefährlichsten Feinde.“ Und davon hatte Friedrich gleich zwölf an der Zahl: Franzosen, Deutsche, Italiener, Russen und Engländer, deren jährlicher Etat 12000 Taler betrug.

„Wassersucht“ oder auch „Brust- und Bauchwassersucht“ sind natürlich Diagnosen der damaligen Zeit. Heute spricht man von einem Serothorax beziehungsweise einer Aszites. Als Ursache dieser Flüssigkeitsansammlungen und somit der „Schicksalskrankheit des Hauses Hohenzollern“ kann nach der Beschreibung des Krankheitsverlaufes und der Symptomatik unter anderem eine chronische Rechtsherzinsuffizienz angenommen werden. Bei einer solchen ist die rechte Herzhälfte nicht mehr in der Lage, die notwendige Pumpleistung zu erbringen, woraufhin es zu negativen Veränderungen der Druckverhältnisse in den Gefäßen kommt, aus denen dann wiederum die Ödeme im Brust- und Bauchraum sowie an den Beinen resultieren.

Diese Herzschwäche rührte im Falle der brandenburgischen Hohenzollern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem deutlich zu hohen Blutdruck her. Die ständigen „Blutwallungen“ der Herrscher, welche man problemlos als hypertonische Krisen interpretieren kann, sind legendär, und die vielen Schlaganfälle innerhalb der Dynastie bezeugen ein Übriges. Ebenso freilich dürfte zudem auch noch eine vererbliche Ausscheidungsstörung der Nieren für Harnsäure eine maßgebliche Rolle bei der Entstehung der „Wassersucht“ gespielt haben. Diese nämlich führt im Falle von Ernährungsexzessen und gesteigerter Alkoholaufnahme — und beide Verhaltensweisen gehörten zur Tagesordnung — zu einer Gicht, die ja tatsächlich bei sämtlichen Betroffenen in schwerer Form vorlag. Und diese Gicht wiederum kann im Falle von massiven Diätverstößen ohne Weiteres in einer Niereninsuffizienz enden, also in einer schweren Nierenfunktionsstörung, bei der es ebenfalls zu krankhaften Wassereinlagerungen im Körper kommt. Man muss also im Falle der brandenburgischen Hohenzollern von einer teilweisen Vererbung der Veranlagung zur „Wassersucht“ ausgehen. Andererseits war das gehäuft auftretende Leiden aber auch die Folge einer Lebensweise, welche den Organismus massiv überlastete und Verhaltensweisen einschloss, die bei der ungünstigen genetischen Disposition besser hätten unterbleiben sollen. Wolfgang Kaufmann


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren