19.04.2024

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29.06.13 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-13 vom 29. Juni 2013

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

fast jede Suchfrage, die uns erreicht, beinhaltet ein außergewöhnliches Schicksal, denn es handelt sich um Menschen, die Krieg, Gefangenschaft, Flucht, Vertreibung erlebten, die ihre Familie und oft auch ihre Identität verloren. Nach der sie, in das Korsett einer fremd gesteuerten Lebensbahn gezwängt, jahrelang suchten und für die sich erst in späteren Jahren einige Hinweise ergaben, denen sie nun verstärkt nachgehen. Ein solches Schicksal ist das der Maria Szezerbinska-Kosiel aus Warschau, die erst im Jahr 2008 erfahren hat, dass sie deutscher Abstammung ist: geboren am 27. Juli 1941 als Reintraut Schmeier in Allenstein. Durch mehrere Zufälle, auf die wir noch eingehen werden, konnte sie die Anschrift einer Ostpreußin erfahren, die 1946 als Kind mit Maria zusammen in das polnische Kinderheim bei Warschau kam. Sie wurde 1940 als Anna Preuß in Osterode geboren, heißt heute Hanna Terpilowska, lebt in Münster und konnte sofort auf die in Polnisch vorgetragene Bitte von Frau Maria eingehen, ihr bei der Suche nach ihrer leiblichen Mutter zu helfen. Frau Hanna begann nun nachzuforschen, stieß aber auf viele Schwierigkeiten, und nachdem sie sich an den Verein für Familienforschung in Ost- und Westpreußen gewandt hatte, schrieb sie auf dessen Rat an uns. Sie kannte die PAZ bisher nicht, und damit auch nicht unsere Ostpreußische Familie. Nun erhofft sie sich Klärung oder zumindest einige Hinweise auf ihre Herkunft, und die könnten auch erfolgen, weil gute Daten vorliegen. Was Maria in polnischen und Hanna in deutschen Archiven fanden, erhellt die Vergangenheit der heute in Warschau lebenden Frau doch schon sehr.

Maria weist auf eine Familie Schmeier in Allenstein hin, die aus Wartenburg stammen könnte. Dort wurden Heinz, *28. September 1919, und vermutlich auch seine Schwester Erika, *28. März 1917, als Kinder von Bernhard Schmeier geboren. Als Postinspektor i. R. lebte er dann in Allenstein, Röhrenteichstraße 3. Tochter Erika wurde Säuglingsschwester und ging 1939 nach Königsberg. Sie wohnte also nicht mehr in der Stadt, als Maria als Reintraud Schmeier 1941 in Allenstein geboren wurde. Das Kind wurde schon im Säuglingsalter in Pflege gegeben. Es wurde von Frau Dore Fischer geborene Brückmann, wohnhaft in Heilsberg, Ziethenstraße 3, aufgenommen und blieb dort bis Anfang 1945. Nach dem Einmarsch der Roten Armee wurde Frau Fischer gezwungen – und das mit der Pistole an der Stirn, ihr Pflegekind heraus zu geben. Sie muss die Vierjährige sehr geliebt haben, das bestätigte ihr Sohn, der in Niedersachsen lebt, Frau Terpilowska gegenüber. Dore Fischer hat die kleine Reintraud schon 1947 durch die betreffenden Institutionen suchen lassen, hat sie aber nicht gefunden. Kein Wunder, denn das Kind war nach kurzem Verbleib in einem Kinderheim in Heilsberg in ein Heim in Preußisch Holland gekommen, und von dort am 18. Dezember 1946 zusammen mit 15 anderen deutschen Waisenkindern nach Konstancin bei Warschau gebracht worden. Dort wurde Reintraud unter dem polonisierten Namen Ryazarda Szmejer geführt, bis sie zur Adoption frei gegeben und von dem polnischen Ehepaar Szczerbinski aufgenommen wurde. Als Maria Sz. lebt sie noch heute in Warschau. In dem Transport der Kinder aus dem Waisenheim in Preußisch Holland war auch Anna Preuss, die von dem Ehepaar Terpilowski adoptiert wurde und den Vornamen Hanna erhielt. Sie blieb ebenfalls in Warschau, kam dann 1969 in die Bundesrepublik und lebt seitdem in Münster. Da sie die polnische Sprache beherrscht, bat Maria sie um Vermittlung ihres Suchwunsches und ist sehr froh darüber, dass Frau Hanna sich auch als Ansprechadresse zur Verfügung stellt.

Die Hauptfragen beziehen sich also auf die anscheinend einzige Familie des Namens Schmeier in Allenstein. Wer kannte sie, vor allem die Säuglingsschwester Erika Schmeier und kann von ihrem weiteren Verbleib berichten? Wer kann etwas über die Herkunft der unehelich geborenen Reintraud Schmeier und ihren Verbleib bis zur Übernahme der Pflege durch Frau Fischer in Heilsberg sagen? Für jeden Hinweis, der vielleicht zu ihrer Familie und damit zu ihrer leiblichen Mutter führen könnte, wäre Maria aus Warschau dankbar. Und ebenso die mithelfende Frau Hanna, an die alle Zuschriften zu richten sind. (Hanna Terpilowska, Gigasstraße 7 in 48153 Münster.)

Auf den Suchwunsch von Herrn Udo Thierfelder aus Chemnitz, den wir in Folge 42/2012 veröffentlichten, hat es anscheinend weder eine Zuschrift noch einen Anruf ergeben, denn er wendet sich nun erneut an uns mit der leisen Hoffnung, dass wir etwas in Erfahrung bringen konnten. Aber wir sind kein Suchdienst, und auch diese Organisationen haben bereits bei der Frage kapituliert, denn es fehlen fast alle Angaben, die zu einer erfolgreichen Suche führen könnten. Aber wir werden es trotzdem noch einmal versuchen, denn oft hat ja erst die Nachfassung zum Erfolg geführt. Herrn Thierfelders Suchwunsch betrifft seine Familie mütterlicherseits. Seine Mutter Thelse wurde im Jahr 1946 als Kleinkind adoptiert. Das geschah im Erzgebirge, denn das Kind befand sich damals in einem Kinderheim in Reitzenhain (Sachsen). Dorthin soll das Kind im Alter zwischen ein und zwei Jahren etwa 1943/44 mit einem Transport aus Königsberg gekommen sein. Wahrscheinlich dürfte es sich um einen Zug nach den Bombenangriffen auf Königsberg 1944 handeln, der Evakuierte aus der zerstörten Stadt nach Mitteldeutschland brachte. Da es sich um einen Kindertransport handelte, muss die Mutter nicht dabei gewesen sein. Vielleicht ist sie bei den Bombenangriffen verletzt worden oder umgekommen. Die Mutter von Herrn Thierfelder mit dem seltenen Vornamen war die Tochter einer Ärztin und eines Offiziers, von denen aber weder die Namen noch der Wohn- oder Wirkungsort bekannt sind. Es müsste also mehr als Zufall sein, wenn sich ältere Königsberger an eine Ärztin erinnern, deren Tochter Thelse hieß. Vielleicht hätte diese Frage einige Jahre nach dem Krieg noch Aussicht auf Erfolg gehabt, aber jetzt fehlen leider schon viele Zeitzeugen. Hinzu kommt, dass der Zug nach Herrn Thierfelders Aussagen aus der „Königsberger Gegend“ gekommen sei, da gibt es viel Spielraum. Meiner Meinung nach wäre es aussichtsreicher, in Reitzenhain nachzuforschen, ob und gegebenenfalls wo die Listen der evakuierten Kinder noch vorhanden sind, aus denen man Namen und Herkunftsorte entnehmen kann. Vor einigen Jahren hatten wir Kontakt mit einem Archivar, der sich mit der Dokumentation der damaligen Kinderheime in Sachsen befasste. Falls er diese Zeilen liest, könnte er vielleicht einige Tipps geben. Mehr kann ich im Augenblick für Sie, lieber Herr Thierfelder, nicht tun. Aber vielleicht unsere Leserinnen und Leser. (Udo Thierfelder, Am Bahrehang 124 in 09114 Chemnitz, Telefon 0371/33222900, E-Mail: thierfeldertrio@googlemail.com)

Wir freuen uns immer, wenn sich Leserinnen oder Leser an uns wenden, die sich seit Jahrzehnten mit unserer Zeitung verbunden fühlen. Ja, sogar bis zu ihren Anfängen, denn die Mail von Frau Dr. med. Christel Syburra führt bis in das Jahr 1951 zurück. Das Ostpreußenblatt war gerade mal ein Jahr jung, da erschien in der Folge 17 vom 5. September, ein Bericht über die damals 13-jährige Schülerin. Mit einem Foto der Preisgekrönten, denn Christel hatte eine Prämie der Fullbrightstiftung in Höhe von 200 Deutschen Mark für einen Schüleraufsatz bekommen. Die heute 75-Jährige übersandte uns diesen bis heute bewahrten Beleg und schrieb dazu: „Vielleicht interessiert es Sie, was aus mir geworden ist.“ Nicht nur uns, sondern mit Sicherheit auch unsere Leser, denn was die Schülerin mit ihrer Leistung zu versprechen schien, hat die Erwachsene gehalten. Frau Dr. Syburra skizziert ihren Lebenslauf so: „Ich habe in München Medizin studiert und promoviert mit Doktorarbeit in experimenteller Chirurgie. 1968 wurde mir von der bayrischen Ärztekammer die Bestallung als Arzt erteilt und 1985 von der Landesärztekammer Freiburg die Zusatzbezeichnung in Sportmedizin. Seit 1989 wohne und arbeite ich in Italien und bin seitdem Mitglied der römischen Ärztekammer. Zeitweilig habe ich in Rom wissenschaftlich gearbeitet. An der katholischen Universität ‚Sacre Cuore‘ in Rom habe ich 2004 die Zusatzbezeichnung in Gefängnismedizin erhalten und 2010 den Master in Psychotraumatologie von der Universität LUMSA (Libera Universita Maria Santissima) in Rom.“ So hat eine Ostpreußin, die 1937 auf dem Gut Drygallen, das bis Kriegsende im Besitz ihrer Eltern Paul und Herta Syburra war, geboren wurde, sich selber ihren beruflichen Weg geschaffen, und wie man sieht, sogar im Seniorenalter noch neue Marksteine gesetzt. Und hat dabei die Heimat nie vergessen. Das beweist nicht nur ihr Schreiben an unsere Ostpreußische Familie, sondern auch ein Foto, das Frau Dr. Syburra vor ihrem Geburtshaus zeigt, dass sie im vergangenen Jahr besuchte. Herzliche und heimatliche Grüße gehen nach Bozen, wo Frau Dr. Christel Syburra heute lebt.

Eure Ruth Geede


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