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29.06.13 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Das machen wir schon / Wie wir den »Krieg gegen den Terror« am Leben halten, warum die »Freunde Syriens« eine neue Parole haben, und was man nur blau erträgt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-13 vom 29. Juni 2013

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Das machen wir schon / Wie wir den »Krieg gegen den Terror« am Leben halten, warum die »Freunde Syriens« eine neue Parole haben, und was man nur blau erträgt

Wir sollen uns mal nicht so haben: Unsere britischen Freunde horchen uns also noch frecher aus als unsere amerikanischen. Na und? Bei dem aufgeregten Gekreische über den „Abhörskandal“ wird völlig unterschlagen, dass dies schließlich zu unserer Sicherheit geschieht und nicht zum Spaß. Es geht um Terrorabwehr. Ist nicht gerade erst wieder ein junger Tunesier aufgeflogen, der mit einem Modellflugzeug Anschläge verüben wollte?

Aber das verdrängen unsere Schönwetterheinis von der Datenschutzfront natürlich. Und wenn’s dann knallt, ist das Geschrei groß.

Und wenn es nicht knallt? Wenn die Terrorgefahr sogar ganz gebannt wird, eines Tages? Dann würde es allerdings schwierig, die Abhörerei zu rechtfertigen. Das Schlimme: Damit gingen auch die Nebenprofite des Horchens auf dem Felde der Industriespionage verloren, was für die auftraggebenden Länder sehr schade wäre.

Doch keine Sorge. Obwohl es ohnehin unwahrscheinlich ist, dass wir den „Krieg gegen den Terror“ jemals wegen Mangels an Terroristen einstellen müssen, gehen die Horchstaaten und ihre Verbündeten auf Nummer Sicher und sorgen für Nachschub: Die großen Terrornester entstanden nahezu alle in Regionen und Ländern, in denen die „internationale Gemeinschaft“ zuvor befriedend und demokratisierend eingegriffen hatte, offen oder verdeckt. Und das Geld für die Terroristen stammt von unseren engen Freunden und Verbündeten am Golf: vornehmlich Saudi-Arabien und Katar.

Mit den beiden Ländern haben die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, die Türkei, Ägypten, Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Deutschland die Gruppe der „Freunde Syriens“ gebildet, die erste Erfolge vorweisen kann: Aus dem „Bürgerkriegsland“ sind bereits 20 gewaltbereite Islamisten nach Deutschland zurückgekommen, berichtet der Verfassungsschutz. Die seien da unten so fanatisiert worden, dass die Gefahr bestehe, dass sie hierzulande Anschläge verüben könnten. „Schlimmstenfalls kommen sie mit einem direkten Kampfauftrag zurück“, fürchtet Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen.

Mit einem „Kampfauftrag“ – von wem? Von den syrischen „Rebellen“, von wem sonst? Die werden in Jordanien seit Monaten heimlich von der CIA im Kampf ausgebildet, etwa im Umgang mit panzerbrechenden Waffen und Flugabwehrraketen. Nun haben die „Freunde Syriens“ auf ihrer Konferenz in Katar zudem beschlossen, den „Rebellen“ auch offen militärische Hilfe zukommen zu lassen. Natürlich nur den richtigen, den guten. Um das sicherzustellen, sitzt als „Freund Syriens“ ja auch Saudi-Arabien mit am Tisch, das Land, wo der Salafismus, der radikale Islamismus also, Staatsdoktrin ist.

Laut Maaßen sind noch weitere 40 junge Männer, die zuvor in Deutschland gelebt hatten, zu den syrischen „Rebellen“ gestoßen, um sich dort terroristisch auf Touren bringen zu lassen. Er hält es für möglich, dass auch sie mit „Kampfauftrag“ im Kopf in die Bundesrepublik zurückkehren. Dann können wir sie ja mal fragen, ob sie auch gut waren, die Waffen, die wir ihnen geschickt haben.

Spätestens, wenn eine unserer über die Türkei nach Syrien geschmuggelten Flugabwehrraketen in einer Lufthansa-Maschine gelandet ist, wird es kein Halten mehr geben. Insbesondere unsere amerikanischen Freunde werden uns dann nicht im Stich lassen und ihre Späh-Aktionen im Krieg gegen den Terror deutlich ausbauen als „Antwort auf die Bedrohung“. Mindestens so weit, bis auch die letzte Bauzeichnung von Airbus bei Boeing auf dem Tisch liegt.

In der Syrien-Debatte muss man übrigens sehr flexibel und, wenn’s drauf ankommt, blitzschnell die Argumentation wechseln. Viele, viele Monate lang forderten die „Freunde Syriens“ in Berlin und anderswo vor allem eines: „Ein Ende des Blutvergießens!“

Dummerweise kam ein solches Ende tatsächlich in Reichweite. Assads Regierungstruppen nahmen eine „Rebellen“-Stellung nach der anderen und es sah so aus, als ob sie die Freunde der „Freunde Syriens“ bald besiegen und den despotischen, aber friedlichen Zustand von vor dem Krieg wiederherstellen könnten – Ende des Blutvergießens!

Von dieser Aussicht aufgeschreckt hat sich die Koalition der „Freunde“ in Katar versammelt und eine neue Losung ausgetüftelt. Nun heißt es, man müsse unbedingt das „Kräftegleichgewicht“ wiederherstellen, anders gesagt: dafür sorgen, dass der Krieg auf jeden Fall weitergeht. Daher jetzt die offenen Waffenlieferungen.

Die Lage ist mittlerweile derart verzwickt, dass die „Freunde“ sogar die eine Losung ausgeben, um gleichzeitg das genaue Gegenteil zu sagen oder gar zu tun. So ließ Frankreichs Außenminister Laurent Fabius verlauten: „Wir lehnen die Internationalisierung des (Syrien-)Konflikts kategorisch ab.“ Das sagte er unmittelbar nach jenem Katar-Gipfel, auf dem die „Freunde Syriens“ genau das, nämlich eine „Internationalisierung des Konflikts“ per ausländische Waffenhilfe für die Assad-Gegner, beschlossen hatten. Wenn Heuchelei eine Kunstform ist, gehört diese Pirouette auf die Liste des Unesco-Weltkulturerbes.

Nicht jede „Internationalisierung“ ist nämlich gleich: Die „Freunde“-Koalition will nur nicht, dass ihnen der Iran und Russland dazwischenfunken, nur das lehnen Fabius und seine Verbündeten ab. Schließlich will man freie Hand in Damaskus.

Allerdings dürfte auch in der Reihe jener „Freunde“ nicht jeder das Gleiche wollen. Der Türke Erdogan träumt von einem neuen Osmanischen Reich und sieht es daher gern, wenn die ehemaligen Kolonien auf der Arabischen Halbinsel in Fetzen gehen. Da kann man sich dann nach Belieben was rausschneiden. Die Saudis wollen den Alawiten und ganz und gar weltlichen Präsidenten Assad weghaben, um einen weiteren Gottesstaat errichten zu können, der im „Heiligen Krieg“ die christliche Minderheit Syriens austilgt. Die USA, England und Frankreich haben sich offenbar darauf spezialisiert, alle halbwegs stabilen arabischen Regime in Nordafrika und dem Nahen Osten zu Klump zu hauen. Vielleicht, weil ihre Ölgesellschaften mit den darauf folgenden wackligen Staatsruinen, die wir heute in Tunesien, Libyen oder Ägypten bestaunen dürfen, leichteres Spiel haben? Man weiß es nicht.

Aber was, zum Teufel, hat eigentlich Deutschland mit all diesen schrägen Projekten am Hut? Wir wollen keine islamistischen Gottesstaaten (hoffe ich doch), kein Osmanisches Reich (hm?) und nennenswerte Ölgesellschaften haben wir auch nicht. Jedenfalls keine, für deren Interessen Berlin Krieg führen möchte.

Also, was wollen wir da? Ach richtig, ich hatte es fast vergessen: Wir sind ja auch „Teil der internationalen Gemeinschaft“ und „stehen zu unseren Verpflichtungen“. Auf Deutsch: Wenn es eine gewisse Riege von Regierungen verlangt, steigen wir in jedes Jauchefass. Das mit den „Verpflichtungen“ wiederholen Merkel und Westerwelle bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Allerdings kommt das beim Außenminister viel eindrucksvoller rüber als bei der Kanzlerin. Merkel fehlt diese Aura des etwas vertrottelten, aber stets eilfertigen Klassenprimus, die Westerwelle umgibt, wenn er von „unseren Verpflichtungen“ salbadert.

In Afghanistan hocken unsere Soldaten nun schon seit über einem Jahrzehnt wegen der „Verpflichtungen“. Wenigstens erfreuen sich die Uniformierten der regen Aufmerksamkeit ihrer Heimatfront. Das heißt, interessieren tun wir uns eigentlich nur dafür, wenn unsere Soldaten angeblich etwas falsch gemacht haben. Dieser Tage erregt sich die Journaille darüber, dass der eine oder andere deutsche Soldat in Masar-i-Scharif ein Glas zu viel getrunken haben könnte. Ach ja? Sie sollen sich doch der Umgebung anpassen! Beim Bewachen von Rauschgiftplantagen ist Nüchternheit doch wohl kaum die angemessene Haltung.


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