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06.07.13 / Letzte Großoffensive im Osten / Vor 70 Jahren versuchte die Wehrmacht, mit dem Unternehmen »Zitadelle« Kräfte für andere Fronten freizusetzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-13 vom 06. Juli 2013

Letzte Großoffensive im Osten
Vor 70 Jahren versuchte die Wehrmacht, mit dem Unternehmen »Zitadelle« Kräfte für andere Fronten freizusetzen

Vor 70 Jahren startete die Wehrmacht an der Ostfront einen massiven Angriff auf den sowjetischen Frontbogen um die russische Stadt Kursk mit dem Ziel, starke sowjetische Verbände in diesem Raum einzukesseln sowie die 2500 Kilometer lange Frontlinie zu verkürzen und dadurch eine größere Zahl an gepanzerten Verbänden freisetzen zu können. Diese sollten die schlagkräftige Einsatzreserve bilden, die angesichts der Invasionsgefahr in Süd- und Westeuropa benötigt wurde. Diese Operation namens „Zitadelle“ gilt als letzte deutsche Großoffensive im Krieg gegen die Sowjetunion.

Unmittelbar im Anschluss an die Rückeroberung von Charkow, mit der die Schlappe von Stalingrad wettgemacht schien, erließ Adolf Hitler am 13. März 1943 den Operationsbefehl Nr. 5 bezüglich der Kampfführung der nächsten Monate. Dieser begann mit den Worten: „Es ist damit zu rechnen, dass der Russe nach Beendigung der Winter- und Schlammperiode und nach einer gewissen Auffrischung und Bevorratung seine Angriffe fortsetzt. Deshalb kommt es für uns darauf an, an einzelnen Frontteilen möglichst noch vor ihm anzugreifen und ihm dadurch – wenigstens an einem Frontabschnitt – das Gesetz des Handelns vorzuschreiben.“ Am 15. April schob Hitler dann den Operationsbefehl Nr. 6 nach, in dem er präzise festlegte, wo genau das zu passieren hatte: „Ich habe mich entschlossen, sobald die Wetterlage es zulässt, als ersten der diesjährigen Angriffsschläge den Angriff ‚Zitadelle‘ zu führen.“ Ziel desselben sollte es sein, „durch scharf zusammengefassten, rücksichtslos und schnell durchgeführten Vorstoß je einer Angriffsarmee aus dem Gebiet Belgorod und südlich Orel die im Gebiet Kursk befindlichen Feindkräfte einzukesseln und durch konzentrischen Angriff zu vernichten“. Welch entscheidende Bedeutung Hitler dem Unternehmen „Zitadelle“ beimaß, geht aus seinen weiteren Worten hervor: Es „muss uns die Initiative für dieses Frühjahr und Sommer in die Hand geben. Die besten Verbände, die besten Waffen, die besten Führer, große Munitionsmengen sind an den Schwerpunkten einzusetzen. Der Sieg von Kursk muss für die Welt wie ein Fanal wirken.“

Voraussetzung für den Erfolg sei dabei strikteste Geheimhaltung: „Es kommt darauf an, das Überraschungsmoment weitgehend zu wahren und den Gegner vor allem über den Zeitpunkt des Angriffs im Unklaren zu lassen. Es muss dieses Mal auf jeden Fall erreicht werden, dass nicht wieder durch Unvorsichtigkeit oder Nachlässigkeit etwas von den Absichten verraten wird.“ Doch genau das passierte! Drei Tage vor Beginn des Unternehmens warnte der sowjetische Generalleutnant Nikita Chruschtschow die in Sorinskoje Dwory versammelten Kommandeure der Woronesch-Front vor dem bevorstehenden Angriff. Allerdings stammten seine Informationen nicht von den drei Spionagenetzen Moskaus in der Schweiz, wie häufig kolportiert wird. Denen nämlich unterliefen zu diesem Zeitpunkt derart massive Fehleinschätzungen, dass der Spitzenagent Sándor Radó später wegen „gefährlicher Irreführung der russischen Kriegführung“ für zehn Jahre ins Straflager wanderte. Vielmehr gab der sowjetische Militärattaché in London, Oberst Iwan Skljarow, den entscheidenden Hinweis – vermutlich nach einer Information durch den britischen Geheimdienst, der entsprechende deutsche Funksprüche entschlüsselt hatte. Abgesehen davon war den sowjetischen Militärs auch schon von allein klargeworden, welch ideales Angriffsziel gerade der weit vorspringende Frontbogen von Kursk darstellte.

Nach dreimaliger Terminverschiebung aufgrund der unklaren strategischen Lage im Mittelmeerraum, Verzögerungen bei der Bereitstellung der neuen „Panther“-Panzer und Behinderungen durch massive Partisanenaktionen startete das Unternehmen „Zitadelle“ schließlich reichlich verspätet am 5. Juli 1943 um 3.30 beziehungsweise 5 Uhr. Den Vorstoß von Süden führten die Armee-Abteilung des Generals der Panzertruppe Werner Kempf und die 4. Panzerarmee des Generalobersten Hermann Hoth, die beide unter dem Oberbefehl von Generalfeldmarschall Erich von Manstein standen, wohingegen im Norden die 9. Armee von Generaloberst Walter Model operierte. Den Oberbefehl hatte hier Generalfeldmarschall Günther von Kluge. Beide Gruppen verfügten über insgesamt 14 Infanterie- und 17 Panzerdivisionen. 779000 Soldaten und zwischen 2500 und 3000 Panzer kamen zum Einsatz – und dies alles auf einer Frontlänge von nur 100 Kilometern. Luftunterstützung gaben die Luftflotten 4 (Generaloberst Otto Deßloch) und 6 (Generaloberst Robert Ritter von Greim), die zusammen 1800 Kampfmaschinen aufboten und damit auch die Lufthoheit über dem Operationsgebiet errangen. Es war das letzte Mal in diesem Kriege, dass die Luftwaffe hierzu in der Lage war.

Die deutsche Nordgruppe traf auf die 13. und 70. sowjetische Armee der Zentralfront unter Armeegeneral Konstantin Rokossowski, während die Südgruppe gegen die 6. und 7. Gardearmee der Woronesch-Front unter Armeegeneral Nikolai Watutin kämpfte. An beiden Fronten hatte Josef Stalin in Erwartung des Angriffs an die zwei Millionen Mann und 5000 bis 8000 Panzer beziehungsweise Sturmgeschütze konzentriert.

Obwohl „Zitadelle“ also absolut keine operative Überraschung für Moskau darstellte, erzielte die deutsche Seite in den ersten 24 Stunden 18 beziehungsweise zehn Kilometer Geländegewinn. Bald darauf jedoch stockte der Vormarsch, weil am 12. Juli eine sowjetische Gegenoffensive im Orel-Bogen durch zwei Armeen der Westfront und der Brjansker Front begann. Dazu kam eine weitere Gegenoffensive im Südteil des Kursker Bogens durch vier Armeen der Woronesch-Front. Dabei entwickelte sich unweit der Ortschaft Prochorowka eine Schlacht zwischen dem II. SS-Panzerkorps unter Generaloberst Paul Hausser und der 5. Garde-Panzerarmee unter Generalleutnant Pawel Rotmistrow, die als die größte Panzerschlacht der Geschichte gilt: 900 sowjetische Panzer trafen auf 600 deutsche. Diese „Panzerschlacht von Kursk“ gewann die Waffen-SS, weil viele von Rotmistrows Kampfwagen in einem bei der Planung übersehenen eigenen Panzergraben strandeten. Daran änderte auch die spätere propagandistische Verklärung der gescheiterten sowjetischen Attacke von Prochorowka nichts. Dennoch ordnete Hitler am 16. Juli die Einstellung von „Zitadelle“ an, weil der im Norden operierenden 9. Armee die Einkesselung drohte. Zudem hielt Hitler es für angezeigt, umgehend SS-Panzerverbände nach Italien zu verlegen, wo die Westalliierten am 10. Juli eine zweite Front eröffnet hatten.

Die deutsche Seite büßte im Verlauf ihrer letzten Großoffensive an der Ostfront insgesamt 54000 Mann und rund 350 Panzer ein, der Gegner hingegen 178000 Mann und um die 1800 Panzer. Allerdings konnte die sowjetische Seite die erlittenen Verluste ungleich besser verkraften und ausgleichen als die deutsche. Die Wehrmacht verlor die strategische Initiative gegen­über der Roten Armee und erlangte sie bis Kriegsende nicht mehr zurück. Wolfgang Kaufmann


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