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13.07.13 / Hollande ist Glücksfall für Le Pen / Unzufriedenheit über die Unfähigkeit der sozialistischen Regierung spielt Front National in die Hände

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-13 vom 13. Juli 2013

Hollande ist Glücksfall für Le Pen
Unzufriedenheit über die Unfähigkeit der sozialistischen Regierung spielt Front National in die Hände

In der Parti Socialiste von Präsident François Hollande liegen die Nerven blank. Die eigenen Umfragewerte sinken in den Keller, gleichzeitig steigt die Front National (FN) in der Gunst der Franzosen immer mehr auf. Das Erfolgsrezept von FN-Chefin Marine Le Pen sind bekannte Forderungen wie Zuwanderungsbegrenzung kombiniert mit „linken“ Themen und einer offenen Kampfansage an die EU.

Vom „Versager“ bis zum „Chamäleon auf Postensuche bei der Nato“: EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso muss sich zurzeit einiges an Verbal-Attacken aus Paris anhören. Frankreichs Industrieminister Arnaud Montebourg hat die Palette der Angriffe inzwischen um eine weitere Variante bereichert. „Herr Barroso ist die Antriebsfeder für die französische Front National. Das ist die Wahrheit“, so Montebourg.

Zwar mag Barroso am EU-Verdruss einen gehörigen Anteil haben, bei vielen Franzosen wächst allerdings der Eindruck, dass es Präsident Hollande selbst ist, der das Land reif für die Front National macht. In Frankreich mehren sich die Zeichen, die nicht nur auf einen Stimmungswechsel, sondern sogar auf ein kommendes politisches Erdbeben hindeuten. Spektakulär schaffte es etwa ein Kandidat der Front National bei einer Nachwahl auf einen Stimmanteil von 46 Prozent. Während der Wahlkreis Villeneuve-sur-Lot bisher als linke Hochburg galt, schaffte es der Kandidat der Sozialisten dieses Mal nicht einmal bis zur Stichwahl. FN und UMP machten stattdessen die Wahl unter sich aus.

Dass in Hollandes Partei inzwischen die Nerven blank liegen und Zukunfts-ängste grassieren, hat aber noch eine andere Ursache. Erstmalig liegt die FN in Umfragen auf Augenhöhe mit den großen Volksparteien UMP (Gaullisten) und PS (Sozialisten). Für die beiden etablierten Parteien sind die prognostizierten Werte von lediglich 21 Prozent ein Desaster und für die FN ein Zeichen für einen fundamentalen Wandel in Frankreich. Die einst ausgegrenzte

Protestpartei ohne reelle Machtchance beginnt, sich immer mehr zur politischen Alternative zu entwickeln. Die FN ist für viele Franzosen inzwischen wählbar geworden. Den Hauptanteil an dieser Entwicklung hat ein Konzept der FN-Parteichefin Marine Le Pen zur Erschließung neuer Wählerschichten. Während sich im linken Lager nach dem ersten Regierungsjahr Hollandes massive Enttäuschung breitgemacht hat, setzt die 44-jährige Tochter des Parteigründers

Jean-Marie Le Pen immer stärker auf „linke“ Themen. Sie kombiniert Kritik an Großbanken, Turbo-Kapitalismus, Nato und USA mit klassischen FN-Themen wie Islamkritik und Zuwanderungsbegrenzung, was eine Mischung mit hoher politischer Durchschlagskraft ergibt. Nicht nur bei den Wählern, auch bei der politischen Konkurrenz, wie der Fall Anna Rosso-Raig zeigt. Mit ihr ist unlängst eine Politikerin zur FN übergelaufen, die bei den Wahlen im vergangenen Jahr noch als Kandidatin der Kommunisten angetreten war. Das Beispiel könnte sowohl bei der Parti Socialiste als auch bei der UMP Nachahmer finden.

War das erste Regierungsjahr von Hollande schon eine Steilvorlage für Marine Le Pen, so läuft die FN-Chefin mit der anhaltenden Euro-Krise erst richtig zu Höchstform auf. Sie fordert nichts anderes als den Ausstieg Frankreichs aus dem Euro und die Rückkehr zur eigenen Währung. „Sobald Frankreich aus dem Euro austritt, hört er auf zu existieren. Was wollen sie machen? Panzer schicken?“, so die FN-Chefin, die für einen koordinierten Austritt von Frankreich, Italien und Spanien aus der Euro-Zone plädiert. Ziel des Plans ist die Wiederherstellung der französischen Wettbewerbsfähigkeit durch Rückkehr zu einer eigenen Währungspolitik.

Für noch mehr Alarmstimmung in Brüssel dürfte sorgen, was Ma-rine Le Pen für den Fall ihres Einzugs in den Elysee-Palast als erste Amtshandlung angekündigt hat: die Abhaltung eines Referendums über den EU-Austritt Frankreichs.

Vor dem Hintergrund der jüngsten Erfolge der FN könnten sich aktuelle Bestrebungen, Le Pen zu kriminalisieren, schnell zu einem politischen Eigentor entwickeln. Nachdem das EU-Parlament ihre parlamentarische Immunität aufgehoben hat, droht Le Pen eine Verurteilung wegen „Aufstachelung zum Hass, Diskriminierung und Gewalt gegen eine Gruppe von Personen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit“. Der Anlass: Bereits im Jahr 2010 hatte die FN-Chefin auf einer Wahlveranstaltung das vor allem an Freitagen von Muslimen praktizierte Beten auf öffentlichen Plätzen in Frankreich kritisiert. Sie hatte diese Praxis mit der Okkupation durch Nazi-Truppen während des Zweiten Weltkriegs verglichen; es handle sich um eine Besetzung von Territorium ohne Panzer und Waffen, aber dennoch um eine Art Okkupation, so Le Pen. Der passende Hintergrund für den Versuch, die Politikerin nun per Strafgesetzbuch zu erledigen, sind nicht enden wollende handfeste Skandale bei Parti Socialiste und UMP. Erst wenige Wochen ist es her, dass Hollandes Budgetminister Je-

rome Cahuzac wegen eigenem Schwarzgeld in der Schweiz seinen Posten räumen musste. Nicht viel besser sieht es bei der Opposition aus. Der neueste Vorwurf gegen den ohnehin sehr skandalbehafteten Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy: Er soll bei der Erstattung der Kosten für seinen Präsidentschaftswahlkampf massiv getrickst haben. In diesem politischen Klima dürften Erfolge der FN bei den französischen Gemeindewahlen und der Europawahl im Jahr 2014 fast ein Selbstläufer sein. Norman Hanert


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