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13.07.13 / Die Geburt des »Holländers« / Von Pillau aus unternahm Richard Wagner, dessen 200. Geburtstag jetzt gefeiert wird, eine denkwürde Reise

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-13 vom 13. Juli 2013

Die Geburt des »Holländers«
Von Pillau aus unternahm Richard Wagner, dessen 200. Geburtstag jetzt gefeiert wird, eine denkwürde Reise

Auf der Flucht vor Gläubigern stach Richard Wagner im Juli 1839 von Pillau aus in See. Die stürmische Reise nach London inspirierte ihn zu seiner Oper „Der Fliegende Holländer“.

Am 19. Juli 1839, frühmorgens vor Sonnenaufgang, gingen Richard Wagner und seine Ehefrau Minna, die er vier Jahre zuvor in Königsberg geehelicht hatte, im Hafen von Pillau heimlich an Bord eines kleinen Frachtschiffs namens „Thetis“. Ein Boot hatte die beiden Passagiere mitsamt ihrem Hund „Robber“ unbemerkt von der Hafenwache zu dem abfahrbereiten Schoner gebracht. Wagner befand sich auf der Flucht vor seinen Gläubigern.

Im August 1837 hatte der damals 24-jährige Dirigent und Komponist am Deutschen Theater in Riga eine Anstellung als Musikdirektor angetreten. Es war be­reits sein drittes Engagement. In der zum russischen Reich gehörenden Metropole war er sicher vor den Nachstellungen seiner Gläubiger aus Magdeburg und Königsberg. 1837/38 begann er mit der Arbeit an seiner Oper „Rienzi“, und in Heinrich Heines Schelmendichtung „Aus den Memoiren des Herrn von Schnabelewopski“ fand er die Sage vom „Fliegenden Holländer“, die ihm die Rahmenhandlung für seine Oper gleichen Namens gab.

Die Sage beruht auf dem stark ausgeprägten Aberglauben der Seeleute und erzählt von einem verwünschten Schiff, das nie in einen Hafen gelangen kann und seit undenklicher Zeit auf dem Meer herumfährt. Sein Kapitän, ein Holländer, habe einst in einem Sturm geschworen, dass er ein Kap umrunden wolle, und sollte er auch bis zum Tag des Jüngsten Gerichts segeln müssen.

Schon Ende März 1839 verlor Wagner nach einem Streit mit dem Theaterdirektor seine An­stellung in Riga. Außerstande, seine Schulden zu begleichen, plante er die Flucht aus Russland über Preußen ins Ausland. Damit seine Gläubiger nicht auf das Vorhaben aufmerksam wurden, stellte er für sich und seine Frau kein Passgesuch. Sein Ziel war Paris, das damalige Zentrum der Musikwelt, und er hatte sich bereits darauf vorbereitet, indem er wochenlang die französische Sprache gelernt hatte. Am 9. Juli 1839 begann die überstürzte Flucht des Ehepaares Wagner in Mitau.

Ihre Reise sollte sie zunächst nach London führen, wohin das Kaufmannsschiff „Thetis“ be­stimmt war. Das Schiff hatte eine Besatzung von sieben Mann und dürfte 25 bis 28 Meter lang gewesen sein. Zwar hatte der Kapitän Wagner gegenüber geäußert, dass die Fahrt wohl nur acht Tage dauern würde, aber erst am 26. Juli, nach sieben Tagen, erreichten sie Kopenhagen. Auf der Weiterfahrt durch das Kattegat zum Skagerrak steigerte sich der starke Westwind zum Sturm, der 24 Stunden anhielt. Währenddessen litten die beiden seekranken Passagiere in der engen Kajüte des Kapitäns Todesängste und kämpften mit schwerer Seekrankheit.

In seinen Memoiren „Mein Leben“ schrieb Wagner Jahre später, dass ihn ein unsägliches Wohlgefühl erfasst habe, als das Schiff endlich mithilfe eines Lotsen leicht lädiert in ei­nen norwegischen Fjord einsegelte und im riesigen Felsental der langen Wasserstraße ru­hig weiterfuhr. Das Echo der ungeheuren Granitwände warf den kurzen, rhythmischen Arbeitsruf der Matrosen zurück, als sie den Anker auswarfen und die Segel einholten.

Wagner empfand das Reiseerlebnis als eine tröstliche Vorbedeutung und gestaltete daraus das Thema des Matrosen-Liedes im „Fliegenden Holländer“, das mit dem Passus beginnt: „Steuermann, lass die Wacht!“ Durch diese Eindrücke fand er die passende poetisch-musikalische Farbe für seine Oper „Der Fliegende Holländer“, die mit dem „Sturm“ der düsteren und furiosen Ouvertüre beginnt.

In dem kleinen Fischerort Sandvike unweit von Arendal gingen alle von Bord, und man erholte sich zwei Tage im Haus eines abwesenden Schiffskapitäns. Dieser Aufenthalt mag Richard Wagner zu den Szenen in der heimeligen Stube des Kapitäns Daland im „Holländer“ inspiriert haben, wodurch sich ein drastischer Kontrast zur unheimlichen Geisterschiff-Thematik ergibt. Erst kurz vor der Uraufführung verlegte er übrigens die Handlung von der schottischen Küste, wo sie in Heines „Schnabelewopski“ angesiedelt ist, nach Norwegen.

Am 12. August 1839, nach 26 Tagen, davon 20 Tage auf See, lief der Schoner „Thetis“ in die Themsemündung ein und erreichte tags darauf London. Später reiste Wagner nach Paris und beendete dort am 19. No­vember 1841 die Partitur des „Holländer“. Am 12. April traf das Ehepaar Wagner, aus Paris kommend, in Dresden ein, wo am 20. Oktober 1842 die frenetisch bejubelte Uraufführung des „Rienzi“ stattfand. Am 2. Januar 1843 wurde auch „Der Fliegende Holländer“ am Dresdener Hoftheater uraufgeführt. Einen Monat später erhielt Richard Wagner seine Ernennung zum Königlich Sächsischen Hofkapellmeister auf Lebenszeit. 1901 wurde „Der Fliegende Holländer“ erstmals bei den Bayreuther Festspielen aufgeführt und vervollständigte den Kanon der bis heute in Bayreuth jährlich gespielten Opern von Richard Wagner. D. Jestrzemski


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