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13.07.13 / Seine Untertanen ließ er einsperren / Der DDR-Partei- und -Staatschef Walter Ulbricht verkörperte wie kein anderer die Bolschewisierung Mitteldeutschlands

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-13 vom 13. Juli 2013

Seine Untertanen ließ er einsperren
Der DDR-Partei- und -Staatschef Walter Ulbricht verkörperte wie kein anderer die Bolschewisierung Mitteldeutschlands

In den letzten Jahrzehnten konnte das DDR-Regime in mancher Situation auf offenen Terror gegen seine Bürger verzichten, weil Walter Ulbricht sie gelehrt hatte, dass es keine Hemmungen hatte, notfalls auch andere Saiten aufzuziehen. Vor 40 Jahren starb der erste Generalsekretär der SED und Staatsratsvorsitzende der DDR.

Walter Ulbricht wurde weder von den sowjetischen Kommunisten noch von seinen SED-Genossen oder den gewöhnlichen DDR-Bürgern geliebt. Josef Stalin behauptete spöttisch, wenn Ul­bricht seine Faust auf den Tisch lege, sei sie größer als dessen Kopf, und missgünstige SED-Funktionäre hielten Ulbricht insgeheim für einen „Schmalspurmarxisten“. Ein wegen permanenter Versorgungsmängel verärgerter Einwohner aus dem thüringischen Kurort Oberweisbach hingegen erwiderte Ulbricht nach dessen leutselig geäußertem Lob „Eine schöne Luft habt ihr hier“, schnippisch: „Das ist aber auch das Einzige, was es hier gibt.“ Deutschlandweit bekannt machte sich Ul­bricht auch wegen seiner stark sächselnden Sprechweise und seiner unfreiwilligen Komik, wenn er beispielsweise entrüstet feststellte: „Unsere Historiker beschäftigen sich viel zu sehr mit Fragen der Vergangenheit.“

Walter Ulbricht kam am 30. Juni 1893 in Leipzig in der Familie eines Flickschneiders zur Welt und erlernte nach dem Besuch der Volksschule den Tischlerberuf. Den Ersten Weltkrieg verbrachte er als einfacher Soldat einer sächsischen Nachschubeinheit vorrangig auf dem Balkan. Erst 1920 trat das vormalige SPD-Mitglied offiziell in die KPD ein, obwohl Ulbricht bereits im Jahr 1919 bei den Stadtratswahlen in Leipzig auf der KPD-Liste, allerdings nur auf dem völlig aussichtslosen Listenplatz 12, kandidiert hatte. Als KPD-Genosse erwies sich Ul­bricht als ausgesprochener Apparatschik, der unverdrossen alle Weisungen von oben zielstrebig umsetzte und selbst bei jähen politischen Kursänderungen niemals Zweifel zeigte. Bei den zahlreichen Flügelkämpfen in der KPD hatte er ein glückliches Händchen. Stets setzte er mit nahezu traumwandlerischer Sicherheit auf die späteren Gewinner. So stieg Ulbricht schnell zum Politischen Leiter der Bezirksleitung Groß-Thüringen auf und reiste 1922 zum ersten Mal nach Moskau, wo er Wladimir Iljitsch Lenin persönlich traf. In der KPD setzte Ulbricht in den 20er Jahren erfolgreich ein Organisationsprinzip durch, das die Mitglieder nicht mehr nach ihrem Wohnort, sondern vielmehr nach „Betriebszellen“ an ihrem Arbeitsort einsortierte. Ulbricht erhielt dafür den Spitznamen „Genosse Zelle“. Wegen seiner Beteiligung am kommunistischen Umsturzversuch von 1923 wurde zu Zeiten der Weimarer Republik gegen Ulbricht schließlich ein Haftbefehl wegen Hochverrats erlassen. Deshalb wurde Ulbricht zur weiteren Schulung und Ausbildung nach Moskau abkommandiert, wo der umtriebige Sachse schnell ein später bewährtes Beziehungsnetz zu maßgeblichen Komintern- und Sow­jetführern knüpfte. Nach Auslaufen des Haftbefehls kehrte der nunmehrige Stalinist Ulbricht nach Deutschland zurück und avancierte im November 1929 zum Leiter der maßgeblichen KPD-Bezirksorganisation Berlin-Brandenburg-Lausitz-Grenzmark. In seiner neuen Funktion kämpfte Ulbricht ebenso eifrig gegen die aufkommenden Nationalsozialisten wie für die Stalinisierung der gesamten KPD. Der Berliner NSDAP-Gauleiter Joseph Goebbels vermerkte am 23. Januar 1931 in seinem Tagebuch über den hyperaktiven KPD-Führer anlässlich einer öffentlichen Volksversammlung in Berlin-Friedrichshain: „Mindestens 1000 Kommunisten sind da. Ulbricht redet zur Diskussion und verzapft einen greulichen Mist.“

Bei der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 hatte der Berliner KPD-Führer Ul­bricht im Unterschied zum KPD-Chef Thälmann insoweit Glück, als ihn eine sozialdemokratische Familie versteckte und ihm anschließend über Paris die Emigration nach Moskau gelang. Hier leitete er gemeinsam mit Wilhelm Pieck anstelle des inhaftierten Thälmann die Geschicke der KPD.

Kurz nach Kriegsende kehrte Ulbricht als Leiter der „Gruppe Ulbricht“ nach Berlin zurück, um die künftige politische Leitung Deutschlands durch die Kommunisten zu gewährleisten. Bekannt wurde sein diesbezüglicher Ausspruch „Es ist doch ganz klar: Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ In den Jahren nach 1945 überspielte der ebenso gerissene, wie auch zu staatsmännischem Denken fähige Ulbricht sogar seinen Meister Stalin, indem er gegen dessen Intentionen klammheimlich den Aufbau des Sozialismus in der DDR, inklusive der Vergesellschaftung der gesamten Volkswirtschaft, in die Wege leitete. Stalin hatte sich die weitere Entwicklung in der sow­jetischen Besatzungszone keineswegs so stürmisch vorgestellt, denn einerseits wollte er die Westmächte nicht verschrecken und andererseits mit einem neutralen Deutschland ein Faustpfand für weitere Verhandlungen mit ihnen in der Hand halten.

Ulbricht überstand so manche Krise seines Regimes, dessen berühmteste der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 war. Erst 1971 erlag der nunmehr 78-jährige Ulbricht den Ränken seines politischen Ziehkindes Erich Honecker, der sich vorher der Zustimmung der KPdSU versichert hatte. Ulbricht, dem von seinen einstigen Ämtern nur noch die rein repräsentative Funktion als Vorsitzender des Staatsrates verblieb, starb isoliert und einsam während der Berliner „Weltfestspiele der Jugend und Studenten“ am 1. August 1973 auf seinem Landsitz in Groß-Dölln nahe Templin. Jürgen W. Schmidt


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