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20.07.13 / »... es lebe der König« / Der Monarch als Vermittler und moralische Instanz – Zum Rücktritt Alberts II.

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-13 vom 20. Juli 2013

»... es lebe der König«
Der Monarch als Vermittler und moralische Instanz – Zum Rücktritt Alberts II.

Albert II. von Belgien reicht an diesem Wochenende das Zepter weiter. Elf Wochen zuvor war die niederländische Königin Beatrix in den königlichen Ruhestand getreten. Und weitere Thronwechsel stehen an, vielleicht in Spanien oder gar irgendwann in Großbritannien. Monarchendämmerung in Europa? Oder eher Renaissance einer jahrtausendealten Staatsform?

Dass der belgische König den Rücktritt mit seinem Alter und seiner angeschlagenen Gesundheit begründete, ist glaubwürdig. Albert II. wird bald 80 Jahre alt und kann, wie er öffentlich bekundete, seine Funktionen nicht mehr „so aus-üben, wie ich das möchte“. Das soll nun sein Sohn Philippe richten, eine wahrlich schwierige Aufgabe, die durchaus königliches Format verlangt. Die wichtigste Funktion eines Monarchen in Belgien ist nämlich der Ausgleich zwischen zwei Volksgruppen, wie sie gegensätzlicher kaum sein könnten.

Die Wallonen im Süden fühlen sich eher französischem Savoir-vivre zugetan. Da zeigt sich mediterranes Flair nicht nur in Straßencafés und Tempeln kulinarischen Hochgenusses, sondern zum Leidwesen vieler Wirtschaftsexperten und Arbeitgeber in einem eher laschen Umgang mit Begriffen wie Leistungsbewusstsein, Strebsamkeit oder Pünktlichkeit. Die flämischen Belgier nördlich der Sprachgrenze hingegen geben sich gern als typische Vertreter Mittel- und Nordeuropas. In ihrem Landesteil florierten Wirtschaft und Handel immer schon etwas besser. Damit einher ging ein zunehmendes Überlegenheitsgefühl.

Kein Wunder also, dass die Flamen, die etwa 60 Prozent der Bevölkerung ausmachen, politische Dominanz fordern. Der Streit geht bis hin zu offenem Separatismus.

Die deutsche Sprachgruppe um Eupen und Malmedy versteht es, nicht zwischen die flämisch-wallonischen Fronten zu geraten. Auf Grund ihrer Größenordnung (weniger als ein Prozent) hat sie aber kaum Einfluss auf die belgische Politik.

Umso größer sind die Erwartungen an das Brüsseler Königshaus. Es hält seit nunmehr über 180 Jahren die nicht nur sprachlich gespaltene Nation zusammen. Albert, nahezu 20 Jahre im Amt, konnte an diese Tradition anknüpfen, gerade auch, wenn es wieder einmal besonders schwierig wurde. Zum Beispiel in den 90er Jahren, als die Affäre um die Untaten des Kindermörders Marc Dutroux das Volk moralisch zu zerreißen drohte. Hier spielten Politik und Sprachenstreit keine Rolle, hier war der König als oberste moralische Instanz gefordert.

Der König als Vermittler, das war Alberts Rolle während der Regierungskrise 2010/2011. In dieser schwierigen Phase wurde der in Brüssel residierende Monarch als glaubwürdiges Symbol eines föderalen, auf Ausgleich bedachten Systems wahrgenommen – nicht nur von Flamen und Wallonen, sondern auch von vielen Europäern, die sich gegen Brüssel als zentralistischen Moloch wehren.

So erinnern die Rücktritte Alberts und Beatrix’ daran, dass Monarchie und demokratischer Rechtsstaat keine Gegensätze sind, sondern sich durchaus ergänzen können. Ein Blick auf die politische Landkarte Europas zeigt: Stabilität, florierende Wirtschaft und Achtung der Menschenrechte gibt es in Monarchien wie in Republiken, das Gegenteil von alledem aber auch.

Eignet sich also zum Beispiel Deutschland als Argument gegen die Monarchie? Oder sind Schweden und Norwegen gute Argumente dafür? Wäre Spanien ohne König nicht in die Krise gerutscht? Oder Griechenland mit einem König? Es wird Zeit, dass solche Fragen vorbehaltlos gestellt werden können. Auch in Deutschland! Hans-Jürgen Mahlitz


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