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20.07.13 / Transatlantischer Käsekrieg / Freihandelszone zwischen USA und EU steht unter keinem guten Stern – Jeder verteidigt seine Vorrechte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-13 vom 20. Juli 2013

Transatlantischer Käsekrieg
Freihandelszone zwischen USA und EU steht unter keinem guten Stern – Jeder verteidigt seine Vorrechte

Skeptikern des geplanten Freihandelsabkommens zwischen den USA und der EU hätte man eine bessere Steilvorlage kaum liefern können. Pünktlich zum Verhandlungsbeginn ist zwischen den USA und Frankreich ein Handelsstreit ausgebrochen. Der anrüchige Anlass: Mimolette, ein würziger Hartkäse aus Nordfrankreich.

Mit der Begründung, der Käse sei eine „widerliche, faulige und zersetzte Substanz“, die Allergien bewirken könne und deshalb zum Konsum ungeeignet sei, haben US-Behörden die Einfuhr der Spezialität in die USA verboten. Und auf Anordnung der Food and Drug Administration (FDA) müssen 1,5 Tonnen Mimolette vom US-Zoll sogar vernichtet werden. „Das Reglement hat sich nicht geändert, die FDA legt es bloß strenger aus“, so die Erklärung des Mimolette-Herstellers für den Vorgang, der einige Fragen aufwirft. Bisher hatte die FDA den Rundkäse nämlich immer problemlos ins Land gelassen.

Dass die „Kugel von Lille“, so der Name für die französische Käsespezialität unter Kennern, gerade jetzt von den US-Behörden als ungenießbare Gesundheitsgefahr eingestuft wurde, dürfte kein Zufall sein. Der transatlantische „Käsekrieg“ ist fast zeitgleich mit dem Beginn der Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen ausgebrochen. Kritiker befürchten, dass zu Beginn der Verhandlungen von den USA Druck aufgebaut werden soll oder zumindest ein Verhandlungspfand geschaffen wird. Vor allem Paris hat zu Beginn der Verhandlungen klar gemacht, welche Gebiete vom Freihandel ausgenommen oder mit Sonderregelungen belegt werden sollen: der Kultur- und Medienbereich, ebenso einige landwirtschaftliche Produkte.

Mit Frankreich und den USA sind zwei Kontrahenten aneinandergeraten, die bereits in der Vergangenheit den Begriff Freihandel sehr eigenwillig auslegten. Beide Länder haben reichlich Erfahrungen, wie man nach dem Wegfall von Zöllen mit administrativen Einfuhrhemmnissen neue Barrieren errichten kann. Beinahe zur Legende geworden sind etwa die Bemühungen Frankreichs, als es vor einigen Jahrzehnten darum ging, seinen Markt vor japanischen Videorekordern abzuschotten. Die Abwicklung der entsprechenden Importe aus Fernost wurde auf das Zollamt Marseille konzentriert, dort war dann ein einziger Zollbeamter für die Bearbeitung zuständig. Die resultierenden exorbitanten Bearbeitungszeiten haben damals zwar Frankreichs Elektronikproduzenten eine kleine Verschnaufpause verschafft, den langfristigen Niedergang der Branche hat dies aber nicht verhindern können.

Nicht weniger phantasievoll gehen bis heute die USA vor, wenn es darum geht, unliebsame Importe vom eigenen Markt fernzuhalten. Insbesondere deutsche Autobauer können ein Lied davon singen, wie geschäftsschädigend Vorwürfe von Sicherheitsmängeln in den USA sein können. Leidvoll erfahren musste dies vor Jahren etwa der Hersteller Audi. Nach einem Fernsehbericht, dass sich Fahrzeuge mit Automatikgetriebe selbst in Bewegung setzten würden, kam der Absatz von Audi in den USA fast zum Erliegen. Der Rufschaden blieb an dem Autobauer über Jahrzehnte haften, obwohl die wahre Ursache der Probleme letztendlich schnell ermittelt worden war: Überforderte amerikanische Autofahrer hatten Gaspedal und Bremse verwechselt.

Dass man auch in Paris immer noch das Foulspiel in Handelsfragen beherrscht, bekommt derzeit Mercedes zu spüren. Drei wichtige Baureihen des Autobauers können in Frankreich zwar weiterhin verkauft werden, die französischen Behörden verweigern für die Fahrzeuge aber die amtliche Zulassung. Die Begründung: Die Klimaanlage der deutschen Autos entspreche nicht den EU-Vorgaben. Zunutze macht sich Paris dabei eine absurde Fehlentscheidung, für die Brüssel gesorgt hat.

Für Neuwagen, deren Typ-Prüfung nach dem 1. Januar 2011 beantragt worden ist, hat die EU die Verwendung eines neuen, umweltfreundlicheren Kältemittels für Klimaanlagen vorgeschrieben. Tests bei Daimler entlarvten das neue Kältemittel allerdings als hochgefährliche Substanz, die Autos in ein flammendes Inferno verwandeln kann. Da das neue Mittel nur bei kompletten Fahrzeugneuentwick-lungen vorgeschrieben ist, griff Daimler angesichts der negativen Erfahrungen auf das alte Kältemittel zurück. Ein zulässiger Notbehelf, auf den auch schon andere deutsche Autobauer ausgewichen sind. Volkswagen und BMW haben schon seit dem 1. Januar 2011 kein neues Auto mehr zur Typprüfung beim Kraftfahrt-Bundesamt vorgestellt. Neue Modelle, die eingereicht wurden, firmierten stattdessen einfach als Weiterentwick-lungen vorhandener Fahrzeuge. Dass nun ausgerechnet Daimler von Paris abgestraft werden soll, weil es sich nicht auf das neue Kältemittel eingelassen hatte, kann schon fast als schlechter Witz gelten. Befürchtet wird inzwischen, dass Paris seine Sichtweise in der Frage auch auf andere deutsche Hersteller ausweitet. Ähnlich wie dies vor Jahrzehnten bei der französischen Konsumelektronik der Fall war, dürften solche Tricksereien auch den momentan ums Überleben kämpfenden französischen Autobauern nicht wirklich helfen. Nachhaltigen Schaden dürfte allerdings der Gedanke des europäischen Binnenmarktes nehmen. Norman Hanert


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