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20.07.13 / Ein gelungener Versuch / Statt beschwerlicher Reise in die Heimat: Fahrt zur Ostpreußenwoche in Krelingen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-13 vom 20. Juli 2013

Ein gelungener Versuch
Statt beschwerlicher Reise in die Heimat: Fahrt zur Ostpreußenwoche in Krelingen

Ostpreußen liegt weit weg, für viele Menschen unbekannt oder vergessen, als sowjetische Kriegsbeute militärisch massiv aufgerüstet und als Sperrgebiet ein weißer Fleck auf der Landkarte. Nach dem Zerfall der UdSSR 1991 sieht man das ehemalige Ostpreußen aufgeteilt unter den jetzt souveränen Staaten Litauen und Polen, der mittlere Teil mit Königsberg wird als „Kaliningrader Gebiet“ Chefsache Moskaus.

Na und? Wen interessiert das überhaupt? Ostpreußen als Tagungsthema für die Woche vom 10. bis 14. Juni 2013?

Wer das meint, kennt zu wenig die Mobilität und den geistigen Schwung vieler älterer Menschen, die aus Ostpreußen stammen oder das geschundene Land seit der Wende schon wiedersahen. Manche wollten die heutige russische „Insel“ innerhalb der Europäischen Union sogar ganz neu kennen- und beurteilen lernen.

66 Teilnehmer/innen sowie wechselnde Gruppen von Tagesgästen waren in das beschauliche Heidedorf Krelingen in der Nähe des Autobahnkreuzes Walsrode angereist, nicht nur aus dem 50 Kilometer-Radius, sondern von Nordholland und Oldenburg, aus dem Braunschweiger Raum, aus Sachsen, von Hamburg und Umgebung, Westfalen und auch aus Süddeutschland.

„Wir holen Ostpreußen in seinen schillernden Facetten mal nach Krelingen! Eine ‚Reise‘ mit Ruhephasen, ohne Transportstress und Visumszwang …“

Mit dieser Zielvorstellung hatten die Veranstalter Martin Wes-terheide, Geistliches Rüstzentrum Krelingen (GRZ), sowie das Ehepaar Erhard und Luise Wolfram aus Hannover ein bunt gemischtes Programm mit verschiedenen Referent/innen zusammengestellt.

Zum „Tag der preußischen Geschichte“ zeichnete Pfarrer Grimoni in sehr lebendiger Weise, wie nach den alten Ordensrittern die preußischen Herzöge und Könige das Land zu kultureller Blüte und politisch-wirtschaftlicher Größe führten, so dass Preußen sich im Trio der damaligen großen Mächte Russland und Österreich behaupten konnte. Lorenz Grimoni leitet als Ruheständler das Museum „Stadt Königsberg“ in Duisburg. Er konnte mit seinem reichen Wissen undmit manchen Episoden über berühmte Königsberger die Leute zum Schmunzeln bringen .

Eine Überraschung für viele Teilnehmer war täglich der Einblick in das reiche geistliche Liedgut Ostpreußens. Reinhardt Garbe aus Hameln und seine Frau Hildegard führten überzeugend in Wort und Bild vor, warum von wem die Texte und Melodien gerade wann und wo entstanden sind. Aus Garbes intensiven Recherchen wurde ein thematisch gut angepasster Längsschnitt besonderer Art durch Ostpreußens Geschichte in Freud und Leid.

Das 20. Jahrhundert in seiner Tragik bildete einen besonderen Schwerpunkt der Ostpreußenwoche. Stellvertretend für unzählige menschliche Schicksalswege schilderte Heinz Hohmeister /Delligsen in ergreifender Weise seinen eigenen Überlebensweg durch Flucht und Vertreibung bis hin zur heutigen konkreten Hilfe für russische Menschen, die jetzt in Nordostpreußen in Armut und Not leben.

Dietrich Klinke aus Nienburg, Nordostpreußenhilfe e.V., ist einer der nur noch wenigen Hilfs-transporteure. Im Laufe der über 20 Jahre seit der Wende stellte er jährlich mehrere große Transporte zusammen und konnte vor allem in den wirtschaftlich benachteiligten Dörfern im Osten des Königsberger Gebiets unzählige persönliche Schicksale kennenlernen und angemessene Hilfe leisten. Kein Tourist erhält solche Einblicke in die dortigen traurigen Lebensverhältnisse. Sowohl Klinke als auch Hohmeister kennen die vielfältigen Probleme der Grenzübergänge genau. Das macht ihre Berichte zusätzlich aufregend. Aber warum tun sie sich solchen Stress an? Es ist wohl die christliche Nächstenliebe zu den Ärmsten der dortigen Gesellschaft. Die Zuhörerschaft in Krelingen bekam bei diesen freiwilligen Hilfseinsätzen reichlich Stoff zum Nachdenken. Garbes präsentierten dazu an diesem Tag das Lied von Hans Graf Lehndorff „Komm in unsre stolze Welt …“ (EG Nr. 428).

In Sachen Religion hat in Russland die orthodoxe Kirche (ROK) die absolute Macht- und Vorrangstellung. Die katholischen, evangelisch-lutherischen, evangelisch-freikirchlichen und andere Gemeinden verstehen sich als Minderheiten, die oft genug um ihr Bestehen ringen müssen. Pfarrer Wolfram spannte zu diesem Thema einen weiten Bogen vom geistlichen Reichtum der jahrhundertelangen, besonders evangelischen Tradition in Ostpreußen. Der Zweite Weltkrieg zerschlug alles gewachsene kirchliche Leben, erst nach der Wende entstanden kleine neue Gemeinden durch viele westwärts wandernde Russlanddeutsche. Mancher Gegenwind aus Moskau lässt die Gemeinden wieder schrumpfen. Ostpreußen wäre doch für ökumenische Zusammenarbeit eigentlich ideal, oder? Aber das Machtbewusstsein der ROK lässt das nicht zu, das spüren auch die Krelinger Tagungsteilnehmer.

Die Ostpreußenwoche stand immer wieder im Zeichen deutsch-russischer Zusammenarbeit. Unzählige Heimatvertriebene haben durch ihre Besuche dazu beigetragen, dass das geschichtliche Interesse der jetzigen Bewohner Ostpreußens geweckt wurde. Was weiß man eigentlich über die „geschlossene“ Zeit 1946–1991? Was gibt es an neuen Entwicklungen seit der Wende? Dazu konnte Luise Wolfram aus zahlreichen Quellen und eigenen Erlebnissen eine Fülle von Antworten geben, nicht zuletzt durch eine ausführliche „Bilderreise durch Ostpreußen“, die auch an die Memel sowie nach Masuren und ins Ermland führte.

Was niemand erwartet hatte: Lena Buko, von Minsk über Königsberg kommend, lebt inzwischen seit Jahren in Bad Nenndorf. Als ausgebildete Musiklehrerin trug sie mit Charme und Elan zur musikalischen Schwingung während der ganzen Woche bei, wechselte gekonnt zwischen Akkordeon und Keyboard, aber ihre schönen Konzerte auf dem Hackbrett rissen sogar manche Altersschwachen von den Plätzen.

Pfarrer Westerheide als Leiter des Geistlichen Rüstzentrums beteiligte sich mehrmals am Tagungsprogramm, obwohl er selbst gar keine ostpreußischen Wurzeln hat. Seine eigene Berührung mit diesem Land ist im Laufe von 40 Besuchen und Hilfstransporten erst über die Begegnung mit Russen entstanden rund um den Aufbau eines Kinderheims in Heinrichswalde [Slawsk].

Jede Tagung lebt auch von einem angenehmen räumlichen, personellen Ambiente. In Krelingen stimmte das alles: mehrere schöne Gästehäuser, gut ausgestattete Tagungsräume, beste Versorgung, riesiges Parkgelände.

Wer mehr erfahren möchte über die weiteren Arbeitszweige und zahlreichen Angebote Krelingens: www.grz-krelingen.de; Telefon (05167)-0. Luise Wolfram


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