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20.07.13 / Schweigen ist nicht immer Gold / Papst Pius XII. wird vorgeworfen, gegenüber dem Nationalsozialismus geschwiegen zu haben – Doch hat er es wirklich?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-13 vom 20. Juli 2013

Schweigen ist nicht immer Gold
Papst Pius XII. wird vorgeworfen, gegenüber dem Nationalsozialismus geschwiegen zu haben – Doch hat er es wirklich?

Wer sich ein fundiertes Bild über Pius XII. und die katholische Kirche in der NS-Ära machen möchte, dessen Erwartungen werden von Francesco Merlino in dem Buch „Pius XII. Wie er wirklich war“ erfüllt. Dabei ist der Autor kein ausgewiesener Historiker, sondern ein Diplombauingenieur, 1923 in Rom geboren, in Münster wohnhaft. Als im März 1990 in dieser Stadt Rolf Hochhuths Theaterstück „Der Stellvertreter“ aufgeführt wurde, fühlte sich Merlino gedrängt, tunlichst alle einschlägigen Dokumente zu sammeln, um sich ein eigenes Urteil zu bilden. Sein Werk ist das Resultat dieses Suchens und Sammelns.

Sebastian Haffner, ein hoch angesehener Journalist, 1938 zusammen mit seiner jüdischen Frau nach England ausgewandert, glaubte zu wissen, dass von Pius XII. „nur sein Schweigen … übrig bleiben wird. Die Geschichte wird ihn kennen als den Papst, der schwieg.“ Nun, Haffner stand der katholischen Kirche nicht nahe. Doch eine Jüdin, die aus Überzeugung den Weg in eben diese Kirche gefunden hatte und als Nonne lebte, klagte in einem Schreiben an Pius XI. vom April 1933: „Wir alle … fürchten das Schlimmste für das Ansehen der Kirche, wenn das Schweigen noch länger anhält.“

Hat der Papst geschwiegen? Die Frage wird wohl jeder verneinen, der Merlino gelesen hat. Pius XI. und Pius XII. sprachen immer wieder und verurteilten den Nationalismus, den Totalitarismus, den Rassismus mit aller Deutlichkeit. Eines der Kapitel, Pius XII. betreffend, trägt die Überschrift „Der Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus“, ein anderes „Gegen Mord und Völkermord“, ein drittes „Gegen Nationalsozialismus und Bolschewismus“, jedes angefüllt mit einschlägigen Zitaten. Doch wer sie nicht zur Kenntnis nehmen will, kann dazu nicht gezwungen werden.

So beendete der Papst seine Weihnachtsansprache des Jahres 1942 mit einem Appell den Frieden zu suchen. „Dieses Gelöbnis schuldet die Menschheit den Hunderttausenden, die ohne eigene Schuld manchmal nur wegen ihrer Nationalität oder der Abstammung dem Tode geweiht oder einer fortschreitenden Verelendung preisgegeben sind.“ Die primär Angesprochenen, die Nationalsozialisten, verstanden: „Er [der Papst] beschuldigt tatsächlich das deutsche Volk der Ungerechtigkeit gegen-über den Juden, und er macht sich zum Sprecher der Juden, der Kriegsverbrecher“, urteilte der NS-Sicherheitsdienst. Doch warum hat er nicht noch deutlicher gesprochen? Er selbst gibt die Antwort in einer Ansprache vor dem Kardinalskollegium: „Wundert euch nun nicht, geliebte Brüder und Söhne, wenn wir mit besonders inniger und bewegter Anteilnahme den Bitten derjenigen Gehör schenken, die sich mit angsterfülltem Herzen flehend an uns wenden. Es sind dies diejenigen, die wegen ihrer Nationalität oder wegen ihrer Rasse von größerem Unheil und stechenderen und schwereren Schmerzen gequält werden und auch ohne eigene Schuld bisweilen Einschränkungen unterworfen sind, die ihre Ausrottung bedeuten ... Jedes Wort, das wir in diesem Anliegen an die zuständigen Behörden richteten, und jede unserer öffentlichen Kundgebungen musste von uns ernstlich abgewogen und abgemessen werden im Interesse der Leidenden selber ...“

Auch jene, die die Ausrottung betrieben, haben den Papst angeklagt, weil er die Verbrechen der Bolschewisten nicht lauter geißelte: „Wo ist der Papst? … Ist gegenüber dem Bolschewismus das politische Geltungsbedürfnis erlahmt oder gar aus Feigheit ins Bockshorn gekrochen? Schreit das Blut der eigenen Brüder nicht nach Vergeltung?“

Der Boykott der jüdischen Geschäfte, Anwälte und Ärzte am 1. April 1933 in Hitler-Deutschland wurde mit jüdischen Boykottmaßnahmen im Ausland gerechtfertigt, die Reichspogromnacht mit der Ermordung eines deutschen Botschaftsangehörigen durch einen Juden in Paris. Hätte Hitler eine Zwangsscheidung der Mischehen als Antwort auf eine scharfe päpstliche Verlautbarung verfügt, nicht nur die Betroffenen würden dem Papst die tödliche Leichtfertigkeit zum Vorwurf machen. Hitler war unberechenbar. Und hätte der Papst nicht auch jene noch deutlicher rügen müssen, deren Flächenbombardements Greise, Frauen und Kinder grausam töteten, also Hitler-Gegner?

Die Problematik: Reden oder Schweigen – findet ihre geradezu dramatische Zuspitzung im bitteren Los jener Nonne, die eingangs zitiert worden ist, im gewaltsamen Tode von Edith Stein. Es war ein Racheakt der Machthaber, die sie, ihre Schwester und andere katholische Juden in das Gas schickten, weil die holländischen Bischöfe, wo sie im Exil lebten, noch deutlichere Worte als der Papst gewagt hatten. Wer weiß die Antwort auf die Frage, ob die holländischen Bischöfe richtiger gehandelt haben?  Konrad Löw

Francesco Merlino: „Pius XII. Wie er wirklich war“, Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2012, geb., 438 Seiten, 19,80 Euro


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