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20.07.13 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Spektakuläre Fortschritte / Wie Athen selbst britischen Sarkasmus übertrifft, warum wir jetzt nach vorne blicken, und wieso Straßenbau in Spanien eben teurer ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-13 vom 20. Juli 2013

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Spektakuläre Fortschritte / Wie Athen selbst britischen Sarkasmus übertrifft, warum wir jetzt nach vorne blicken, und wieso Straßenbau in Spanien eben teurer ist

Es war meine absolute Lieblingsfernsehsendung der 80er Jahre: In der britischen Serie „Yes Minister“ wurde der haarsträubende Alltag an der Spitze der Politik so herzerfrischend böse und sarkastisch inszeniert, dass es einem vor Lachen die Schuhe auszog. Schauplatz der Geschichte war ein imaginäres Ministerium, dessen Name an sich schon ein gelungener Scherz war, das „Ministerium für Verwaltungsangelegenheiten“, sprich: Eine Bürokratie, die ausschließlich mit sich selbst beschäftigt ist und irrsinnig viel Geld verpulvert, ohne irgendeinen Nutzen hervorzubringen.

In der Wirklichkeit gibt es sowas natürlich nicht, da war ich mir ganz sicher. Bis ich vergangene Woche lesen durfte, dass in (wo sonst?) Griechenland tatsächlich ein „Ministerium für Verwaltungsreform“ sein teures Dasein fristet, nicht im Fernsehen, in echt! Die griechische Realität schlägt selbst noch den giftigsten britischen Humor aus dem Felde.

Die haben’s wirklich drauf, die Hellenen. Davon ist auch Jean-Claude Juncker überzeugt, der langjährige Chef der Euro-Zone, der sich in seiner Heimat Luxemburg gerade mit einer hässlichen Bombenlegeraffäre herumschlagen muss und daher zur Erholung nach Athen gereist ist.

Dort wurde er richtig gefeiert: Griechenlands Premier Antonis Samaras jubelte dem Gast zu: „Er ist einer von uns!“ Aha, Juncker ist also „einer von denen“. Der Gedanke war uns auch schon gekommen; Luxemburgs Banken sollen ja metertief drinstecken im Athener Schuldensumpf. Der Gelobte war gerührt und bedankte sich mit einer wunderbaren Rede: Die Griechen hätten vieles geleistet, heute könne man mit großem Optimismus in die Zukunft schauen, die „Fortschritte“ seien „spektakulär“!

Die „Wirtschaftswoche“ hat die „spektakulären Fortschritte“ aufgelistet: „Von rund elf Millionen Griechen haben noch 3,4 Millionen Arbeit, davon ist ein Drittel beim Staat beschäftigt. Zählt man die offiziell nicht gemeldeten Arbeitslosen hinzu, haben 60 Prozent der griechischen Erwerbsbevölkerung keine Arbeit. Die Mittelklasse des Landes hat sich weitgehend aufgelöst, die Selbstmordrate explodiert und die Prostitution frisst sich wie ein Krebsgeschwür durch die Gesellschaft.“

„Spektakulär“, nicht wahr? Die Wirtschaft schrumpfte im ersten Vierteljahr um 5,6 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Im nächsten Jahr soll es laut Prognose aber wieder ein „leichtes Wachstum“ geben. Das sagten dieselben Prognostiker allerdings schon 2009 über 2010, 2010 über 2011, 2011 über 2012 und 2012 über 2013: Nächstes Jahr kehre Griechenland zum Wachstum zurück. Passiert ist dann immer das Gegenteil.

Trotzdem wird Juncker in Athen geliebt, so sehr, dass die Griechen ihn mit dem höchsten Orden ihres Landes auszeichneten, dem „Großkreuz des Erlösers“. In seiner Lobrede forderte Samaras, man müsse „jetzt nach vorne schauen“, es gebe keinen Grund, über die Fehler der Vergangenheit zu sprechen. Juncker assistierte lakonisch: „Wer macht keine Fehler?“ Ja, eben. Kann doch passieren! Wir lassen uns das Feiern nicht vermiesen.

Was für eine Kulisse: Draußen vor dem Palast ein Land im Zerfall, eine Wirtschaft im Koma und eine Gesellschaft, die einen nicht enden wollenden Albtraum durchlebt. Drinnen im Festsaal dagegen blendend gelaunte Politiker, die sich großmütig ihre Fehler verzeihen, ihre „spektakulären Fortschritte“ begießen, funkelnde Orden unter den Ihren verteilen und sich dabei in die entzückendsten Lobhudeleien versteigen. Man kann den wunderbar respektlosen Machern von „Yes Minister“ nicht vorwerfen, dass zu so einem Bild selbst ihnen der freche Mut fehlte. Eine Szenerie wie im Führerbunker, nur bessere Stimmung und viel hübscher möbliert. Solche Szenen scheinen typisch zu sein für die letzten Tage vor dem Zusammenbruch.

Auf seinem Weg nach Hause hätte Juncker Station machen sollen in Italien. Dort schuldet die Regierung der Privatwirtschaft rund 120 Milliarden Euro. Das ist etwa das Vierfache des deutschen Wehretats. Rechnungen, welche Rom aus „technischen Gründen“ bis Jahresende nicht begleichen kann, wie es heißt. Technische Gründe? Unter Geschäftsleuten nennt man so etwas Insolvenz, Staatsbankrott, Pleite, Aus!

Nicht so bei der EU-Kommission: Deren Präsident José Manuel Barroso hat einfach an den vertraglichen Schuldengrenzen herumgefummelt und schon war Italien (rein optisch) wieder im grünen Bereich.

In solchen Zauberkunststück­chen ist man ja mittlerweile geübt. Zum Glück, denn Barrosos Verkleisterungskünste dürften demnächst noch stärker gefragt sein als bisher. Es brennt überall: In Portugal gelang es nur mit massivem Druck aus Brüssel, Berlin und anderen Hauptstädten, ein Platzen der Regierung zu verhindern. Spaniens Medien suhlen sich in einem Korruptionsskandal der Regierungspartei, gegen den unsere Berliner Kanaillen wie brave Bettelmönche aussehen. Sollte es dort zu Neuwahlen kommen, kann sich die EU ihre Sparauflagen in die Haare schmieren. An Zyperns Wirtschaft schließlich klebt die Diagnose „klinisch tot“.

Experten sind sich einig: Jetzt reicht ein Funken, egal ob in Spanien, Italien oder Portugal, und die ganze Südschiene geht hoch. Griechenland und Zypern werden in den Planspielen kaum noch erwähnt, die hat man anscheinend bereits „ausgebucht“.

Aber die Politik schaut nicht untätig zu, nein: In Berlin haben die EU-Regierungen vereinbart, nun aber zackig gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa vorzugehen. Sechs Milliarden Euro sollen dafür ausgegeben werden, auf zwei Jahre verteilt. Das sei in etwa so, als hätte man die Elbflut bändigen wollen, indem man 100 Liter Flusswasser in ein Planschbecken umfüllt, maulen die Kritiker, sprich: ein bisschen zu wenig.

Die Steuerzahler dürfte dennoch interessieren, was mit dem Geld, dessen Löwenanteil wie üblich aus Deutschland kommen wird, konkret angestellt werden soll. Wir haben da ja schon unsere Erfahrungen.

So teilt uns der Europäische Rechnungshof mit, dass der EU-geförderte Autobahnbau in Spanien fast doppelt so teuer ausfällt wie in Deutschland. Pro 1000 Quadratmeter Straßenoberfläche benötigten die Deutschen rund 290000 Euro, die Spanier dagegen eine halbe Million.

Woher kommt der Abstand? Nicht von den Lohnkosten, streichen die Prüfer heraus. Auch die Qualität der Straßen sei dort unten nicht besser als bei uns. Vielleicht ist das Material in Spanien teurer? Im Gegenteil: Laut der Studie zahlen die Spanier beispielsweise nur 130 Euro für den Kubikmeter Beton, die Deutschen müssen 193 Euro aufbringen.

Also was? Experten vermuten, dass die fast doppelt so hohen Rechnungen der Iberer auf „Nebenkosten“ zurückzuführen seien. Nebenkosten? Ach, Sie wissen doch: Das sind die vielen kleinen „Entscheidungshilfen“, die man austeilt, damit dies oder das schneller läuft. Oder überhaupt läuft, weil sich die Entscheider in Politik und Verwaltung längst an die „Hilfen“ gewöhnt haben. Dann gibt es da die überhöhten Rechnungen, von deren Erlös auf unerklärliche Weise ein Teil an eben jenen Beamten bei der Straßenbauverwaltung zurückfließt, der den Auftrag erteilt hat. Und an seinen politischen Dienstherren, versteht sich.

Die Kultur der „Nebenkosten“ ist in manchen Ländern eben noch fester verankert als bei uns, wo angeblich ja auch schon mal „geholfen“ wird. Wir dürfen also davon ausgehen, dass unzählige Hilfsbereite und Hilfsbedürftige in den darbenden Südländern bereits danach dürsten, die neuen EU-Milliarden gegen die Jugendarbeitslosigkeit gerecht unter sich aufzuteilen. Dass die Jugendlichen davon viel sehen werden, darf dagegen bezweifelt werden. Aber das kennen wir ja schon von den Euro-„Rettungspaketen“, von denen auch noch kein einziges im Vorgarten eines arbeitslosen Griechen gelandet ist, sondern jedesmal ganz woanders.


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