19.04.2024

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27.07.13 / Briten wahrten Kontrolle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-13 vom 27. Juli 2013

Briten wahrten Kontrolle

Otto John gehört zu den tragischen Figuren der jungen Bundesrepublik. John war mit Delmer nach Deutschland gekommen und hatte sich als Präsident für den neuen Verfassungsschutz beworben. Konnte man sich damals um diese Stelle bewerben? Oder hatten Delmer und der britische Geheimdienst MI-6 ihre Hände mit im Spiel? London hatte großes Interesse daran, den Demokratisierungsprozess in Deutschland zu kontrollieren. Für eine geschickte Infiltration boten Delmers Leute ideale Voraussetzungen. Sie waren Deutsche, sie waren frei von jedem Verdacht, mit den Nazis zu sympathisieren, waren natürlich vom Secret Service umfassend überprüft und gleichzeitig über Monate oder gar Jahre in Geheimoperationen trainiert worden.

Als John 1950 den Posten beim Verfassungsschutz antrat, war er der einzige ausgewiesene Widerstandskämpfer, der in Bonn zu Amt und Würden kam. Doch er hatte viele Gegner, vor allem beim Bundesnachrichtendienst, in dem zahlreiche ehemalige Nationalsozialisten tätig waren.

Als 1954 die Nachricht über die Ticker lief, dass sich John in die DDR abgesetzt hatte, war das für seine Widersacher ein gefundenes Fressen. Aus der DDR kamen Fotos, die John in lockerer Runde mit Funktionären sowie dem Architekten Henselmann zeigten. John gab eine Pressekonferenz, in der er behauptete, dass er wegen den vielen deutschen Altnazis die Bonner Republik verlassen habe. Nichts deutete damals auf Zwang hin; allerdings verstanden auch die Dienste des Ostens ihr Geschäft.

1955 ergriff John die Gelegenheit, sich nach West-Berlin abzusetzen. Unmittelbar nach Bekanntwerden seiner Rückkehr wurde John festgenommen und 1956 wegen Landesverrats zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. 1958 wurde er von Präsident Theodor Heuss begnadigt. N.A.

 

Zeitzeugen

Sefton Delmer – Er wurde 1904 als Sohn eines australischen Professors für Anglistik in Berlin geboren. Sein Vater unterrichtete an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, wurde aber während des Ersten Weltkriegs als potenzieller Staatsfeind interniert. Die Festsetzung seines Vaters, für die es außer seiner Staatsangehörigkeit keinen Grund gab, prägte den jungen Delmer. In den 1920er Jahren arbeitete er als Journalist für den „Daily Express“ erst in London, dann wieder in Berlin. Mit dem Stabschef der SA, Ernst Röhm, verband ihn eine Freundschaft; über Röhm bekam er auch Kontakt zu Adolf Hitler und führte mit ihm ein Interview. Während des Zweiten Weltkriegs leitete er im Landhaus „Rookery“ in Aspley Guise die Geheimoperationen der „Schwarzen Propaganda“. Nach dem Krieg ging Delmer zurück nach Deutschland und war wieder als Journalist tätig, schrieb auch für den „Spiegel“.

Franz Leuwer alias Frank Lynder – Am 26. Februar 1916 wurde Franz Leuwer in Bremen geboren. Er sollte nach Abschluss einer Buchhändlerlehre die alteingesessene väterliche Buchhandlung an der Obernstraße übernehmen. Doch nach Hitlers Machtergreifung durfte Leuwer als sogenannter Halbjude seine Ausbildung nicht mehr beenden. 1938 ging er nach England. Lynder meldete sich freiwillig bei der britischen Armee, entschärfte Bomben und wurde Mitglied des Delmer-Teams bei der psychologischen Kriegsführung. Seine in Deutschland verbliebene Mutter wurde nach Theresienstadt deportiert und starb dort. Nach Kriegsende ging er zurück nach Deutschland, war hier als Journa-list tätig. Er heiratete die Schwes-ter von Axel Springer und wurde bald ein enger Vertrauter des Verlegers. Ein erst 2013 freigegebenes Dokument belegt, dass der amerikanische CIA im Jahr 1953 davon ausging, dass Lynder weiterhin ein MI-6-Agent war. Lynder starb 1983.

Otto John – Während des Krieges arbeitete der 1909 Geborene bei der Lufthansa und kam dort in Kontakt mit Hitler-Gegnern. Er beteiligte sich wie auch sein Bru-der Hans an den Vorbereitungen für das Attentat am 20. Juli 1944. Hans wurde verhaftet, zum Tode verurteilt und am 23. April 1945 hingerichtet. Otto gelang die Flucht über Madrid und Lissabon nach London, wo er zum Delmer-Team stieß. Nach dem Krieg kontrollierte er im Auftrag der Engländer Kriegsgefangenenlager und trat bei den Nürnberger Prozessen als Zeuge der Anklage auf. 1950 wurde er Präsident des Verfassungsschutzes. Eine große Nachkriegskarriere hätte beginnen können ... Jedoch wurde er 1954 vom KGB nach Ost-Berlin verschleppt (oder ging er doch freiwillig?) und kehrte erst Ende 1955 zurück.


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