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27.07.13 / Geballter Zorn auf Russlands Straßen / Unruhen in Pugatschow nach Messerstecherei − Zeichen einer verfehlten Immigrationspolitik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-13 vom 27. Juli 2013

Geballter Zorn auf Russlands Straßen
Unruhen in Pugatschow nach Messerstecherei − Zeichen einer verfehlten Immigrationspolitik

Seit zwei Wochen häufen sich in den Medien Berichte über wachsenden Fremdenhass und nationalistische Tendenzen bei Russen. Jüngster Auslöser dafür ist der von einem 16-jährigen Tschetschenen verübte Mord an einem russischen Fallschirmjäger in der Stadt Pugatschow. Unruhen verbunden mit der Forderung, alle Tschetschenen auszuweisen, waren die Folge. Eine vorschnelle Verurteilung der protestierenden Menschen greift allerdings zu kurz, denn die Ursachen für den Hass der Russen sind nicht zuletzt in einer verfehlten Immigrationspolitik begründet.

Es war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, als der 16-jährige Tschetschene Ali Nasirow, der auf Verwandtenbesuch in der Stadt Pugatschow in der Wolgaregion weilte, den 20-jährigen ehemaligen Fallschirmjäger Ruslan Marschanow mit einem Skalpell so schwer verletzte, dass dieser später im Krankenhaus starb. In der Kneipe „Goldenes Fass“ waren die beiden in Streit geraten, den sie draußen in einer dunklen Ecke weiter austrugen.

Drei Jahre zuvor war es in derselben Gaststätte schon einmal zu einer Messerstecherei gekommen, bei der ein Tschetschene den Russen Nikolaj Weschnjakow erstochen hatte. Ähnliche Vorfälle ereignen sich fast täglich auch in anderen russischen Städten. Sowohl in der Hauptstadt als auch im Moskauer Umland kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Russen und Tschetschenen. 2006 gab es im karelischen Kondopog bürgerkriegsähnliche Unruhen, nachdem eine Gruppe von Tschetschenen dort zwei Russen umgebracht hatte. Mit frechem Auftreten und kriminellen Handlungen tragen viele der abfällig als „Tschornye“  (Schwarze) bezeichneten Kaukasier selbst dazu bei, dass die Mehrheitsbevölkerung ihnen mit Argwohn begegnet. Sie missachten russische Gesetze und leben nach ihrer eigenen Ordnung. Der Grund für ihr Benehmen liegt nicht nur in Kriegen mit Russland begründet. Viele Kaukasier sind in Gegenden aufgewachsen, wo es überhaupt keine staatliche Ordnung gab. So haben sie sich eigene, meist kriminelle, Lebensweisen zugelegt.

Tausende Bürger der 40000-Einwohnerstadt Pugatschow wollten dem Treiben der tschetschenischen Diaspora in ihrem Gebiet nicht länger zusehen. Tagelang entlud sich ihr Zorn auf der Straße, zunächst besetzten sie die Stadtverwaltung, dann blockierten sie die Trasse Samara−Wolgograd. Die Menschen misstrauen der örtlichen Polizei, weil sie glauben, dass Polizeichef Sergej Arenin die Drogengeschäfte der Kaukasier in der Region deckt. Als ehemaliger Polizeichef in Tschetschenien verfüge er über entsprechend gute Kontakte. Die Demonstranten forderten Arenins sofortige Suspendierung. Viele glauben, dass die Staatsdiener in Pugatschow von den ethnischen Konflikten profitieren, da auf diese Weise die Unzufriedenheit der Menschen von ihnen abgelenkt werde. Diese Meinung teilt der Direktor des Moskauer Instituts für Probleme der Globalisierung, Michail Deljagin. Seiner Einschätzung nach ermöglichen korrupte russische Beamte Immigranten die Besetzung von Nischen für ihre kriminellen Geschäfte und halten dafür die Hand auf. Schmiergeld gehöre für sie zum täglichen Geschäft.

Die aufgeregten Demonstranten skandierten: „Tschetschenen ausweisen“. Dass der Ausbruch des Volkszorns den Behörden einen ordentlichen Schrecken versetzt hat, beweist die Tatsache, dass über 400 Polizisten im Einsatz waren, zusätzliche Kräfte der Spezialeinsatztruppe „Omon“ geschickt wurden, um 1500 Demonstranten in Schach zu halten, und aus Moskau und St. Petersburg Kriminalisten angereist waren, um den Vorfall zu untersuchen. Seit der Wiederwahl Wladimir Putins wächst die Phobie vor jeder noch so kleinen nicht genehmigten Äußerung von „Volkes Stimme“.

Was sich in der Kleinstadt Pugatschow im Saratower Gebiet ereignet hat, ist symptomatisch für viele russische Städte, die nach dem Zerfall der Sowjetunion an Bedeutung verloren haben. Ins Gebiet Saratow, in dem die russische Luftwaffe mehrere Flugplätze betreibt, kamen Mitte der 80er Jahre zur ansässigen russischen und tatarischen Bevölkerung Armenier, Zigeuner, Aserbaidschaner und Tschetschenen hinzu. Einige blieben nach dem Ausscheiden aus der Armee, ein Teil arbeitete in der örtlichen Holzindustrie, die inzwischen nicht mehr existiert. 800 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz. Soziale Probleme wie Armut und Jugendarbeitslosigkeit quälen wie Pugatschow viele Provinzstädte. Neid und Hass auf alle, denen es vermeintlich besser geht, sind die Folge. Unkontrollierte Zuwanderung verschärft die Probleme und schürt Konflikte. Von 34000 offiziell registrierten Tschetschenen im Wolgagebiet leben 18000 im Kreis Saratow. Mit Illegalen wird ihre Zahl auf 100000 geschätzt.

Seit Anfang dieses Jahres kamen insgesamt über zehn Millionen Ausländer nach Russland. Wie viele davon arbeiten, weiß niemand, da für den Arbeitsmarkt, im Gegensatz zur Sowjetunion, in der Bevölkerungsbewegungen staatlicher Genehmigung bedurften, bislang kein Instrument zur Kontrolle gefunden wurde.

Der Ruf nach staatlicher Kontrolle und Quoten wird auch seitens russischer Unternehmen kleiner und mittlerer Größe laut. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird Russland laut der Statistikbehörde Rosstat bis 2015 acht Millionen und bis 2025 nahezu 14 Millionen erwerbstätige Bürger verlieren. Zuwanderung ist deshalb erwünscht. Ob staatliche Kontrolle hilft, Konflikte wie den von Pugatschow zu vermeiden, ist allerdings fraglich. Manuela Rosenthal-Kappi


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